Oskar Lafontaine: Die Nato und der Hirntod

Mit seiner Feststellung, die Nato sei hirntot, hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die europäischen Vasallen der USA in Aufregung versetzt. Der brave Gefolgsmann Außenminister Maas, unterstützt von Merkel und Kramp-Karrenbauer erklärte schnell: „Die Nato ist die Lebensversicherung Europas.“ Wenn er sich da mal nicht irrt.

Dass Maas das von Brandt und Bahr entwickelte Konzept der gemeinsamen Sicherheit nicht kennt, hat er schon öfter unter Beweis gestellt. Und dass die SPD nach dem Auseinanderfallen des Warschauer Paktes die Auflösung der Nato anstrebte, weiß er im Gegensatz zum SPD-Fraktionsvorsitzenden Mützenich auch nicht.

Die Nato ist längst kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern ein Instrument der USA zur Durchsetzung ihrer imperialen Politik mit der Einkreisung Russlands und Chinas und der militärischen Eroberung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten.

Deshalb bleibt die von Macron aufgegriffene Forderung Charles de Gaulles nach einer von der USA unabhängigen Außen- und Sicherheitspolitik richtig. Die aggressive Einkreisungspolitik der USA mit der Stationierung von Raketen mit kurzen Flugzeiten an den Grenzen Russlands und Chinas ist keine „Lebensversicherung“, sondern sie erhöht die Gefahr der atomaren Vernichtung der Länder, in denen die USA ihre Raketen stationieren. Sie setzt voraus, dass kein Regierungschef der von den USA bedrohten Staaten durchdreht und einen Erstschlag befiehlt. Und sie setzt voraus, dass es keinen Atomkrieg gibt, weil technische Systeme versagen.

1983 versagten die Computer der UdSSR. Sie meldeten fälschlicherweise einen US-Atomschlag. Und nur die Besonnenheit des sowjetischen Oberst Stanislaw Petrow rettete die Welt vor einem nuklearen Inferno. Entgegen der Anweisung löste er den Gegenschlag nicht aus.

Was die Hirntoten unter den europäischen Nato-Befürwortern nicht begreifen ist: Russische Raketen müssen logischerweise auf die US-Einrichtungen in Deutschland und Europa programmiert sein. Wenn die USA weiter zündeln, indem sie Truppen und Raketen ander russischen Grenze stationieren und von Deutschland aus ihre Drohnenkriege führen, dann ist das keine Sicherheitsgarantie, sondern für die Deutschen und Europäer lebensgefährlich.

 

Sehr empfehlenswer ist auch dieser Artikel von Thomas Röper:

„Nato ist hirntot“ – Das russische Fernsehen über Macrons Interview im Economist

Hier ein kurzer Ausschnitt daraus:

Europa selbst befindet sich in einer beispiellosen Krise. „In Europa gibt es eine Spaltung zwischen dem Norden und dem Süden in wirtschaftlichen Fragen, sowie zwischen Ost und West in Migrationsfragen, was zu einem Anstieg des Populismus in ganz Europa geführt hat. Diese beiden Krisen, Wirtschaft und Migration, haben der Mittelschicht einen besonders schweren Schlag versetzt. Wenn wir nicht aufwachen, werden wir einem erheblichen Risiko ausgesetzt sein, dass wir auf lange Sicht einfach geopolitisch verschwinden oder zumindest aufhören, Herr unseres eigenen Schicksals zu sein. Davon bin ich zutiefst überzeugt“, sagte Macron.

Macron hat diese Vorstellung vom Ende der Welt für Europa schon einmal zum Ausdruck gebracht, aber jetzt ist es Macrons zunehmend anhaltendes Leitmotiv. Und vor kurzem sagte der französische Präsident, dass ein Bündnis mit Russland das rettende Element sein könnte. Nun, was soll ich sagen? Das sehen wir auch so. Aber Macrons Schwäche ist, dass er keinen Plan hat. Er weiß nicht, wie er sich dem Traum nähern kann und Verbündete hat er dabei nicht viele. Vielleicht, weil er keinen Plan, sondern nur einen Traum hat? So oder so stellt Macron ohne zu zögern Diagnosen.