Bauen, Boden, Bodenrecht

Hans-Jochen Vogel: Bodenrechtsreform – Eine verdrängte Herausforderung?

Der seit Jahrzehnten andauernde Anstieg der Baulandpreise ist eine Herausforderung. Die Politik, und alle die in diesem Bereich Verantwortung tragen, sollten das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen.

Aufgabe jeder verantwortungsvollen Politik ist es, den Menschen, mit denen man in einem Gemeinwesen verbunden ist, ein erträgliches Leben zu ermöglichen und darüber hinaus ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Für die Beurteilung der Frage, ob dies gelingt, gilt die Wertordnung, auf die man sich verständigt hat. Eine solche Politik muss Gefahren rechtzeitig erkennen und sich bemühen, sie zu überwinden. Zugleich muss sie positive Entwicklungsmöglichkeiten erforschen und in die Tat umsetzen.

Dementsprechend setzen wir uns gegenwärtig lebhaft mit aktuellen Herausforderungen auseinander. So etwa dem Klimawandel, dem Ausstieg aus der Kernenergie und den fossilen Energien, der Dieselaffäre, der durch zerfallende Staaten und den Missbrauch religiöser Sätze verursachte Zunahme der Gewalt und der dadurch und durch eine wachsende soziale Kluft ausgelösten Flüchtlingsströme. Oder mit nationalen Abschottungen, die wieder mit dem Begriff "völkisch" arbeiten und mit einem Populismus, der mehr auf Emotionen als auf Fakten setzt. Da sehe ich Gefahren für die europäische Einheit und sogar für unsere Demokratie.

Jahrelanger Anstieg der Baulandpreise
Eine Herausforderung allerdings ist von der politischen Tagesordnung seit langem verschwunden, nämlich der seit Jahrzehnten andauernde Anstieg der Baulandpreise, der sich gerade in den vergangenen Jahren noch verstärkt hat. Er ist auch eine wesentliche Ursache dafür, dass sich die Mieten ebenso kontinuierlich erhöht haben. Dem versucht die Politik mit einer sogenannten Mietpreisbremse entgegenzuwirken, die allerdings bisher wenig erfolgreich war. Deshalb spielte dieses Thema auch im jüngsten Bundestagswahlkampf eine Rolle.

Aber über die wesentliche Veranlasserin dieser Entwicklung, nämlich die Baulandpreissteigerung, wurde nicht gesprochen. Sie wird offenbar als unabänderlich hingenommen. Manche werden meinen, diese Herausforderung bliebe an Gewicht und Bedeutung hinter den von mir soeben genannten Herausforderungen zurück und sei deshalb nicht vergleichbar. Dem widerspreche ich. Denn Grund und Boden ist keine beliebige, je nach Bedarf produzierbare oder auch verzichtbare Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Er ist unvermehrbar und unverzichtbar. Jeder braucht ihn in jedem Augenblick seines Lebens wie das Wasser oder die Luft.

Das Gebot sozial gerechter Nutzung als Richtschur für den Gesetzgeber
Das ist keine neuere Erkenntnis. Denn schon vor 50 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. Januar 1967 (BVerfGE 21,73/86) ausgeführt: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen: eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. … Das Gebot sozial gerechter Nutzung ist aber nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat."

Vor 50 Jahren gab es, wie ich noch erläutern werde, einen ernsthaften Versuch, diesen Regeln durch eine Reform des Bodenrechtes Geltung zu verschaffen und dadurch auch der Ausweitung der sozialen Kluft in unserem Land einen Riegel vorzuschieben. Doch er ist gescheitert. Seitdem schweigt die Politik. Dafür habe ich keine einleuchtende Erklärung. Aber ich halte es für meine Pflicht, darauf aufmerksam zu machen. Und an Fakten zu erinnern, die jedermann zugänglich sind. Übrigens hat dieses Thema nicht nur eine nationale Bedeutung. Denn die Bodeneigentumsverhältnisse und die Bodenpreisentwicklung spielen auch global eine relevante und zwar negative Rolle, so etwa in Afrika und in Südamerika.

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Hier noch zwei Video-Links zum Thema:

Hans-Jochen Vogel fordert eine soziale Bodenpolitik

Kampf um Bauland - Ist Boden für alle da?