Gedanken zu Wodargs Detektivgeschichten*

(* Wolfgang Wodarg: Covid-19 – ein Fall für Medical Detectives)

Lina Braake, ihre Interessen und Corona

von Bernhard Meyer

Wer erinnert sich noch an den Film von Bernhard Sinkel aus dem Jahr 1975:
„Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“

Ein schrecklich langer Titel. Zweimal kommt darin „Interessen“ vor. Später haben die schrecklichen Vereinfacher Interessen ganz aus dem Blickfeld der Allgemeinheit gerückt (im Overton-Fenster ist „Interessen“ verschwunden).
Damals, in den paar Jahren nach den 68ern, war es noch frisch von unterschiedlichen Interessen zu reden. Später kamen Leute wie Schröder und sagten: „Es gibt keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte Wirtschaftspolitik.“ 

Dieselben schrecklichen Vereinfacher werfen heute denjenigen, die auf unterschiedliche Interessen hinweisen, vor, sie betrieben „vereinfachte Kapitalismuskritik“, „verstaubten Marxismus“ und sie seien Populisten, also schreckliche Vereinfacher. 

Daran musste ich denken, als ich Wodargs Detektivgeschichte las von den Menschentypen, denen ein Enzym fehlt, das sie unempfindlich gegen Malaria macht, aber empfindlich gegen das Malaria-Medikament HCQ. Menschen sind verschieden: Milch ist gesund - aber Asiaten vertragen sie nicht. Wer abnehmen will, muss Fett meiden. Es gibt aber Menschen (und hierzulande sind sie wohl schon in der Mehrheit), die mehr Erfolg haben, wenn sie Kohlenhydrate meiden. Menschen haben zwar in der Regel zwei Beine und eine Nase, aber ihr Stoffwechsel kann sehr verschieden sein. Eine Schlankheitsdiät, die für alle gleich gut ist, gibt es nicht. 

Wenn wir auf das Regierungshandeln in bezug auf Corona schauen, sehen wir extreme Vereinfacher am Werk. Sie halten sich absichtlich Augen und Ohren zu, damit sie nicht abgelenkt werden, von den Ratschlägen des einen Ratgebers (bzw. des einen Interessenverbands). Und uns wollen sie ebenso Augen und Ohren zuhalten, damit wir nicht den Spinnern vom Internet zuhören. Wir sollen der Regierung glauben, es sei in unserem Interesse, wenn wir Masken tragen, uns nicht versammeln, nicht zu Demos gehen, in keine Kneipe, in keine Versammlung, kein Vereinsheim, wo wir miteinander reden und uns austauschen können oder gar etwas aushecken könnten. Damit wir gesund bleiben, sollen wir lenkbar bleiben und damit wir das nicht vergessen, tragen wir Masken. Wem nützt all das? Uns oder der Regierung? Und wem noch?

Bodo Schiffmann ist auf seinem Gebiet ein kluger Mann. Aber wenn er von seiner neuen Partei sagt, sie sei weder rechts noch links noch oben oder unten, dann ist er politisch naiv. Ein Arbeiterlied fragt: „Auf welcher Seite stehst du?“ Bist du Ruderer oder gehört dir das Boot? Arbeitest du oder lebst du von der Arbeit anderer? Die Interessen könnten nicht gegensätzlicher sein. Wenn du versuchst neutral darüber zu schweben, gewinnt sofort der Reiche. Jedenfalls in den historisch festgemauerten Eigentumsverhältnissen, in denen wir hier leben. Eine Regierung sollte versuchen, eine gerechte Ballance zu halten. Das geht aber nur, wenn die Interessen glasklar formuliert auf dem Tisch liegen. Und ich möchte nicht, dass ein angeblich „Neutraler“ meine Interessen formuliert. 

Die Dinge sind unter der Oberfläche kompliziert. Wenn man nicht genau hinschaut oder noch zu wenig weiß, können einfache Lösungen scheitern oder schreckliche Folgen haben — wenn man an Wodargs Untersuchungen denkt, wo man Menschen mit Methoden helfen wollte, die sie zwangsläufig umbrachten, weil man nicht wusste, dass sie „G6PD-Mangel“ haben und was das bedeutet. Noch ist es Wodargs Vermutung, ein Nachweis fehlt noch, ob er je kommt, weiß ich nicht, aber meine Überlegungen zu der Verschiedenheit von Interessen wären immer noch da.