Feindbild Russland

 

Wir übernehmen die NachDenkSeiten-Hinweise Nr. 1 vom 08.07.2021:

  1. Feindbild Russland und Datenschutz für Europa
    WDR 5 Europamagazin 03.07.2021 […]
    Interview mit Albrecht Müller zu der Frage: Ist Russland das neue Feindbild? [von Min. 11 bis 22:10; Anm. CG] […]
    Mod.: Judith Schulte-Loh, Redaktion: Detlef Schlockermann
    Quelle 1: WDR 5 Mediathek, 03.07.2021, verfügbar bis 03.07.2022
    Quelle 2: WDR 5 Audio-Datei Download

     

    Hier die sehr lobenswerte Anmoderation von Frau Judith Schulte-Loh [transkribiert, CG]: “[…] Wie kann eine weitere Eskalation vermieden werden? Nun lässt sich Geschichte nicht auf die Gegenwart beziehen, aber es kann sich lohnen zu schauen, wie sich politische Akteure in schwierigeren Zeiten verhalten haben. Ich habe darüber mit Albrecht Müller gesprochen, Jahrgang 1938. Er war SPD Politiker und von 1973 bis 1982 Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt bei Willy Brandt und Helmut Schmidt. Ich wollte von ihm wissen: Willy Brandt war ja derjenige, der die Ostpolitik durch die Devise ‘Wandel durch Annäherung’ geprägt hat. Weshalb war es möglich, eine Entspannungspolitik in einer Zeit zu beginnen, die wir als die des Kalten Krieges nennen?”

    Anmerkung Albrecht Müller: Der Westdeutsche Rundfunk interviewt erfreulicherweise auch Menschen, die anders denken als die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten. Das ist ein großer Fortschritt – gemessen an der Grabesstille, die normalerweise herrscht, wenn es um Meinungen geht, die von der Mehrheitsmeinung abweichen. Deshalb war ich ausgesprochen positiv überrascht davon, dass WDR 5 für sein Europamagazin ein Interview arrangierte. Sie finden es ab Minute 11.

    Anmerkung CG: Ich denke, wenn Albrecht Müller noch ein paar Minuten mehr Zeit eingeräumt worden wären, dann wäre es auch möglich gewesen, die Vorgeschichte zur sogenannten ‘Annexion’ der Krim zu erläutern. Denn, dass dem Ereignis auch ein Putsch in Kiew vorausgegangen war, wird gerne unter den Tisch gekehrt. Die ‘Krim-Story’ wird in den westlichen Leitmedien meist verkürzt erzählt und damit letzlich das Bild des ‘aggressiven russischen Autokraten’ aufgebaut. Solche Sachverhalte und Manipulationen aufzuzeigen und diesbezüglich überwiegend einseitige ‘westliche’ Berichterstattung zu ergänzen, ist einer der Beweggründe, denen die NachDenkSeiten seit vielen Jahren auch gegen Anfeindungen von außen nachgehen.

    Lesen Sie hierzu von Christian Müller (infosperber.ch): “Nuland war vor und während dem Kiever Maidan 2014 die treibende Kraft für einen Putsch. Das wissen auch viele US-Amerikaner. Victoria Nuland, sie war in der Präsidentschaftszeit von Barack Obama unter Aussenminister John Kerry die zuständige Unterstaatssekretärin für Europa. […] 25 Organisationen erinnern daran, welche Rolle Victoria Nuland damals zu Zeiten Barack Obamas und John Kerrys gespielt hat. Ihre Argumentation: «Nuland spielte eine Schlüsselrolle bei der Ermöglichung eines Putsches in der Ukraine, der einen Bürgerkrieg auslöste, der bisher mehr als 10’000 Menschenleben kostete und über eine Million Menschen vertrieb. Sie spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Bewaffnung der Ukraine. Sie befürwortet radikal erhöhte Militärausgaben, die Erweiterung der NATO, propagiert Feindseligkeit gegenüber Russland und Bemühungen, die russische Regierung zu stürzen. Die Vereinigten Staaten investierten fünf Milliarden Dollar in die aktive Steuerung der ukrainischen Politik, einschliesslich des Sturzes des demokratisch gewählten Präsidenten, der sich geweigert hatte, der NATO beizutreten. Die damalige stellvertretende Aussenministerin Nuland ist auf einem Video zu sehen, wie sie über die US-Investitionen spricht, und auf einem Tonband, wie sie plant, den nächsten ukrainischen Führer, Arsenij Jazenjuk, zu installieren, der dann auch tatsächlich installiert wurde. Die Maidan-Proteste, bei denen Nuland Kekse an Demonstranten verteilte, wurden von Neonazis und Scharfschützen, die das Feuer auf die Polizei eröffneten, gewaltsam angefeuert. Als Polen, Deutschland und Frankreich zu den Forderungen des Maidans (mit dem damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, Red.) einen Deal und vorgezogene Neuwahlen aushandelten, griffen stattdessen Neonazis die Regierung an und übernahmen die Macht. Das US-Aussenministerium erkannte die Putschregierung sofort an, und Arsenij Jazenjuk wurde als Premierminister eingesetzt. […]»”

    Hierzu auch auf den NachDenkSeiten “Der Jurist und Autor Wolfgang Bittner zur ‘Annexion’ der Krim. Anmerkungen zu einem Dauerbrenner.” und “Warum bringen die Nachdenkseiten Videos und Texte zu Methoden der Manipulation?“.

    Sehen Sie hierzu ergänzend auch:
    Gabriele Krone-Schmalz: Der Begriff “Annexion” 12.03.2015
    Der Begriff “Annexion”: Ist eine gewaltsame Landnahme gegen den Willen der Bevölkerung! Dieses ist bei der Krim nachweislich nicht der Fall.
    Originalquelle: MDR artour – Das Kulturmagazin (inzwischen gelöscht)
    Quelle: Reupload via Kanal Bananenrepublik

    Hierzu auch von Prof. Reinhard Merkel (Strafrecht und Rechtsphilosophie, Universität Hamburg) in der ‘FAZ’ vom 07.04.2014: “Die Krim und das Völkerrecht – Kühle Ironie der Geschichte – Russland hat völkerrechtliche Ansprüche der Ukraine verletzt. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen. Wer am lautesten nach Sanktionen schreit, lenkt nur ab von der eigenen Blamage.”

    Auszug: “‘Annexion’ heißt im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung von Land gegen den Willen des Staates, dem es zugehört, durch einen anderen Staat. Annexionen verletzen das zwischenstaatliche Gewaltverbot, die Grundnorm der rechtlichen Weltordnung. Regelmäßig geschehen sie im Modus eines ‘bewaffneten Angriffs’, der schwersten Form zwischenstaatlicher Rechtsverletzungen. Dann lösen sie nach Artikel 51 der UN-Charta Befugnisse zur militärischen Notwehr des Angegriffenen und zur Nothilfe seitens dritter Staaten aus – Erlaubnisse zum Krieg auch ohne Billigung durch den Weltsicherheitsrat. Schon diese Überlegung sollte den freihändigen Umgang mit dem Prädikat „Annexion“ ein wenig disziplinieren. Freilich bietet dessen abstrakte Definition auch allerlei irreführenden Deutungen Raum. Aus einer von ihnen scheint sich das völkerrechtliche Stigma ableiten zu lassen, das der Westen derzeit dem russischen Vorgehen aufdrückt und an dem er die eigene Empörung beglaubigt. Aber das ist Propaganda. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten. Der Unterschied zur Annexion, den sie markieren, ist ungefähr der zwischen Wegnehmen und Annehmen. Auch wenn ein Geber, hier die De-facto-Regierung der Krim, rechtswidrig handelt, macht er den Annehmenden nicht zum Wegnehmer. Man mag ja die ganze Transaktion aus Rechtsgründen für nichtig halten. Das macht sie dennoch nicht zur Annexion, zur räuberischen Landnahme mittels Gewalt, einem völkerrechtlichen Titel zum Krieg.”

    Lesen Sie auch auf den NachDenkSeiten vom Gründer des ost-west-forums Axel Schmidt-Gödelitz “Perspektivwechsel als Voraussetzung für Friedensfähigkeit – Das Verhältnis des Westens zu Russland”.