Grüne Energie

Hier werden in Auszügen zwei Artikel vorgestellt, die sich mit den Schwierigkeiten beschäftigen, das Klimaziel „weg von fossiler Energie“ zu erreichen. Chris Martenson zeigt die immensen Schwierigkeiten auf und hält es für eine Illusion, den gleichen Lebensstil mit der gleichen Bequemlichkeit zu erhalten wie bisher mit der fossilen Energie.

Gert Ewen Ungar schreibt über politische Bedingungen für einen grundlegenden Wandel. Er zeigt, dass Wachstum nicht mit Ressourcenverbrauch gleichzusetzen ist und verweist auf das Beispiel China. China und Russland verfügen auch über ein Wirtschaftssystem, das zwar kapitalistisch, aber stark staatlich gelenkt ist, so dass dort am ehesten die notwendigen Veränderungen möglichst sozialverträglich durchgesetzt werden können. 

Zum Thema passt auch Jens Bergers Artikel „Die Energiewende stockt“, worin er zeigt, wie die Politik ganz der Interessenlage der großen Energiekonzerne folgt und mit zahlreichen Regelungen die anfangs so gut angelaufene Energiewende sabotiert. 

 

  • Chris Martenson: Eine realistische Einschätzung zur Grünen Energie oder hier  

    Ich will optimistisch sein über die Zukunft. Wirklich.
    Aber es gibt praktisch keine Chance, dass die Welt sanft zu einer alternativen Energie-Zukunft übergeht.
    Dies ist die „Gute Alte Zeit“
    Ich werde oft gefragt, was ich von Wind, Solar und anderen alternativen Energiequellen halte.
    Meine Antwort: Ich liebe sie. Aber sie sind nicht in der Lage sicherzustellen, dass unsere Gesellschaft sanft in eine Energieversorgung aus anderen Quellen gleitet.
    Sie werden uns nicht „retten“.
    Manche Leute sind vom Gegenteil überzeugt. Wenn wir nur die bösen Ölkonzerne bekämpfen, unsere Hausaufgaben machen und eine landesweite alternative Energieinfrastruktur aufbauen, dann wird alles gut. Soll heißen, dann werden wir in der Lage sein, so weiterzuleben wie heute, aber halt angetrieben von sauberer, erneuerbarer Energie,
    Das wird so nicht passieren. Zumindest nicht ohne jede Menge schmerzhafter Störungen und Opfer.

    Die drei Hauptgründe dafür sind:
    1. Mathematik
    2. Menschliches Verhalten
    3. Zeit, Größenordnung und Kosten

    Ich werde im Folgenden die Details dazu liefern. Denn ich will das Wunschdenken hinter der gegenwärtigen „Grünen Revolution“ entkräften, weil ich fürchte, dass es falsche Versprechen liefert.
    Schaut, ich bin ein großer Fan der erneuerbaren Energien. Und ich bin 1.000% dafür, dass sich die Welt von der giftigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen löst.
    Aber wir müssen unseren Aussichten für die Zukunft mit offenen Augen entgegentreten. Wenn wir uns mit selbstzufriedenen, aber unrealistischen Erwartungen zur Grünen Energie täuschen, dann wird das zu ähnlich schlechten Entscheidungen, Fehlinvestitionen und geplatzten Träumen führen wie mit dem auf fossilen Treibstoffen basierenden System.
    Wie wir hier bei Peak Prosperity immer sagen: Energie ist alles.
    Wenn wir davon nicht genau so viel haben, dann wird die Zukunft im Vergleich zu heute extrem schwierig werden. Daher nenne ich die Zeit, in der wir jetzt leben, die Gute Alte Zeit.
    https://www.peakprosperity.com/these-are-the-good-old-days/
    Jetzt ist die Zeit, um sich auf das Kommende vorzubereiten. Sich jene Fähigkeiten und das Land anzueignen und die finanziellen, physischen und seelischen Anpassungen bei seinem Lebensstil vorzunehmen, die einen für eine Zukunft aus weniger und teurerer Energie wappnen.

    (...)  [Hier ausgelassen sind seine Ausführungen zu den Details von den wichtigsten Gründen „Mathematik“ usw.]

    Die Vision, die wir benötigen
    Die Antwort auf die Zeit nach den fossilen Brennstoffen ist nicht ein System aus alternativer Energie, das uns den selben Lebensstil gewährt. Denn das ist einfach nicht machbar.
    Die Antwort liegt darin, mit weniger mehr zu tun.
    Wir wissen bereits, wie man Gebäude baut, die hunderte Jahre überdauern und für Heizung und Kühlung nahezu keine Energie verbrauchen. Aber sie werden heute kaum gebaut, weil sie mehr kosten.
    Wir wissen bereits, wie man kleine, leichte Fahrzeuge baut und den Massentransport sehr Energie-effizient betreibt. Aber die Gesellschaft mag lieber große Autos und Lkws, denn man kann sie sich leisten (weil die Zinsen so niedrig sind) und weil es bequem ist.
    Wir wissen bereits, wie man mehr Nahrungsmittel anbaut. Näher an der Heimat, was für die Menschen und das Ökosystem viel gesünder wäre. Aber das geschieht nur in Nischenbereichen, denn es kostet etwas mehr.
    Deshalb muss man den Menschen die Wahrheit sagen und sie mit einer Vision inspirieren, die wir alle teilen können. Mit einem großen Anlass ist alles möglich. Ohne ihn wird nicht getan werden.
    Die Vision, die wir brauchen, wird das, was getan werden muss, mit geeigneten Anreizen für die Umsetzung dieser Dinge in Einklang bringen. Uns wird die Wahrheit gesagt, was erwartet wird und unsere Rolle in dem Projekt. Es wird viele Menschen mit einem Lebenssinn und Zweck erfüllen, was derzeit im Leben der meisten Menschen fehlt.
    Angesichts der enormen Herausforderung und der zersplitterten, gespaltenen sozialen und politischen Landschaft müssen Sie jedoch wirklich damit planen, dass nichts passiert. Dass keine Vision auftaucht, kein Retter auftauchen wird und dass wir fröhlich weitermachen werden, bis uns die Zeit und die Ressourcen ausgehen, um etwas mehr zu tun, als unsere Fehler zu bedauern.
    Die Chancen stehen gut, dass wir weiter geradeaus auf unserer aktuellen Flugbahn bleiben. Bis wir – wupp! – direkt über die Kante fliegen.

    Schlussfolgerung
    Angesichts der Mathematik, der menschlichen Tendenzen und der Probleme in Bezug auf Zeit, Umfang und Kosten ist die aktuelle Bewegung der grünen Energie derzeit kaum mehr als heiße Luft. Es wird einfach nicht rechtzeitig passieren.
    Wir sind noch lange nicht am Ziel, die notwendigen massiven Energieprojekte realisieren zu können. Das Äquivalent von 3 Kernkraftwerken alle zwei Tage für die nächsten 30 Jahre? Das ist ein totaler Wunschtraum.
    Uns fehlt der politische Wille, die kulturelle Bereitschaft, das richtige Narrativ. Sogar die entsprechenden Ressourcen.
    Abgesehen von diesen Bedenken muss im Rahmen dieses Projekts fast alles darüber, wie wir heizen, uns bewegen, kühlen und die Komponenten unseres modernen Lebens herstellen, neu gestaltet (und möglicherweise abgeschafft) werden.
    Ein so ehrgeiziges Vorhaben hat keine historische Entsprechung. Es ist eine irr komplexe Reihe von Problemen (die Lösungen haben) und Schwierigkeiten (die keine Lösungen haben). Es ist genau die Art von Situation, die Politiker so lange wie möglich vermeiden werden, danach ist es zu spät, um sehr viel dagegen zu unternehmen.
    Das bedeutet, dass Sie Ihre Erwartungen und Investitionen in Ihr Geld und Ihre Energie entsprechend anpassen müssen. Die gesamte Welt – die völlig abhängig von unendlichem Wachstum ist – ist nur noch Jahre davon entfernt, die Unmöglichkeit dieses Ansatzes zu erfassen. Wenn sie das tut, wird sich alles ändern. Schnell.
    Aus diesem Grund verbringt Peak Prosperity so viel Zeit und Mühe damit, die Menschen auf diese Realitäten aufmerksam zu machen und ihnen dann zu helfen, informierte Einzelmaßnahmen zu ergreifen, die sich an der Zukunft orientieren, die wir alle kommen sehen (oder fühlen).
    In Teil 2: Der Realitätsschock – untersuchen wir die überzeugendsten Beweise, von denen ich weiß, warum es jetzt so wichtig ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Darin wird alles vom nachlassenden globalen Wirtschaftswachstum über die zunehmenden Wohlstandsunterschiede bis hin zur wachsenden Ablehnung der Globalisierung und dem immer verzweifelter werdenden Run (um jeden Preis) auf die verbleibenden natürlichen Ressourcen erklärt.
    (Anm.d.Ü.: Teil 2 ist nur für Mitglieder. Hier die Zusammenfassung auf Englisch:
    https://www.peakprosperity.com/reality-shock/ )
    Die Menschheit befindet sich in den Anfängen eines großen Übergangs. Der Verlust des Zugangs zu reichlich Energie wird die Dinge mehr verändern, als du oder ich in dieser Zeit zu schätzen wissen.
    Diese Zukunft rollt auf uns mit rasendem – und immer schnellerem – Tempo zu. Mach dich bereit.

  •  

  • Gert Ewen Ungar: Klimawandel und die Abkehr von fossilen Brennstoffen - Wie der Wandel (un-)möglich wird 

    Der aktuell erreichte Wohlstand in der Welt basiert auf dem Verbrauch von fossilen Energieträgern. Die Welt benötigt jeden Tag 100 Millionen Barrel Rohöl, zusätzlich noch Erdgas und Kohle, nur um den aktuellen Standard aufrechterhalten zu können. Wird der Nachschub von beispielsweise Erdöl auch nur kurze Zeit unterbrochen, entsteht unmittelbar eine weltweite Krise. Der Markt wird jeden Tag geräumt.
    Es steht dabei außer Frage, dass es der zunehmende Verbrauch dieser Energieträger war, der die Entwicklung der letzten 200 Jahre überhaupt erst möglich gemacht hat. Keine technische, aber auch keine soziale Errungenschaft ist denkbar ohne diesen Verbrauch, der zu einem rasanten Wachstum, Fortschritt auf allen Gebieten und damit auch zur sozialen Neugestaltung der Gesellschaften führte. 
    Dieser Verbrauch führte auf der Kehrseite dieser Entwicklung zu Umweltbelastungen. Der Klimawandel sei durch ihn verursacht, die Art und Weise unseres Wirtschaftens daher in grundlegender Weise infrage zu stellen, ist der aktuelle Stand der Diskussion.
    Nun lässt sich auf diese Diskussion auf drei unterschiedliche Arten reagieren. Man kann sie leugnen. Man kann Verzicht fordern, oder man kann einen ökonomischen Umbau der Gesellschaften und Nationen dieser Welt anstreben, der auf den Verbrauch von fossilen Energieträgern zunehmend verzichtet. 
    Wenn der Klimawandel durch die Entwicklungen der letzten Jahrhunderte ausgelöst wurde, führt die erste Variante unweigerlich in die Katastrophe. 
    Verzicht ist sicherlich eine sehr deutsche Antwort, führt aber in der Durchsetzung zu unglaublichen gesellschaftlichen Verwerfungen, wird sich im Rahmen demokratischer Strukturen auch nicht durchführen lassen. Demokratie kommt dort an ihre Grenze, wo sie Mehrheiten für einen allgemeinen Rückbau zu beschaffen hat. Ein breiter Verzicht lässt sich nur autoritär durchsetzen. Darüber sollten sich diejenigen im Klaren sein, die von Degrowth und Wachstumsrückbau reden. Das ist mit demokratischen Strukturen nicht durchsetzbar.
    (...)
    Was also müsste sich ändern, um einen tatsächlichen Wandel herbeizuführen? 
    Nun, es muss zeitgleich weltweit, zumindest in den großen Ökonomien in dieser Welt passieren. Es braucht einen verbindlichen Konsens darüber, die Weltwirtschaft weg von fossilen Energieträgern zu führen. Und es braucht ein weltweites Wirtschaftsmodell, das eine solche gravierende Änderung der Weltwirtschaft strukturell überhaupt ermöglicht. Es braucht eine politische Verabredung auf einen stetigen ökonomischen Anpassungsprozess, der verbindlich, überprüfbar und auch einklagbar ist. Es müssen alle Nationen, mindestens aber die führenden Wirtschaftsnationen dieser Welt dieses Vorhaben in ihrer Bedeutung erkennen, gemeinsam umsetzen und über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten. Über diese weltweite Anstrengung lässt sich das Ziel einer Neuausrichtung der Weltwirtschaft erreichen.
    Dazu müssen vor allem die westlichen Staaten wieder das Primat der Politik über die Wirtschaft erlangen, denn sie sind in ihrer Unzuverlässlichkeit und Vertragsbrüchigkeit der große Risikofaktor. Die Politik muss die Wirtschaft steuern – nicht umgekehrt. Politik legt Freiräume fest, in denen sich Innovation sinnvoll entfalten kann, und hegt andere Bereiche ein, die diesen Prozess der Umgestaltung stören. Das ist die einzige und damit auch die einfachste Lösung – es gibt nämlich keine andere. Alle anderen Ideen sind bestenfalls Teillösungen, die das Ziel nicht erreichen werden. Es gibt nur diesen einen Weg einer globalen, verbindlichen Kooperation.
    (...)
    China ist es gelungen, mit einer aktiven Wirtschaftspolitik vom großen Umweltverschmutzer in kurzer Zeit zu einem Land zu werden, das seine beim Pariser Klimagipfel im Jahr 2015 vereinbarten Klimaziele allem Anschein nach zehn Jahre früher als vereinbart erreicht. Es gelang dem Land darüber hinaus, Millionen von Menschen aus der Armut zu befreien. Wie geht das? Wie schafft China das? Alle Wachstumskritiker müssen jetzt für einen Moment ganz stark sein. China schafft das durch Wachstum. 
    Nun ist Wachstum allerdings nicht identisch mit Ressourcenverbrauch. An diesem Kurzschluss leidet die deutsche Diskussion. Wenn morgen mehr recycelt wird als gestern, erzeugt das Wachstum. Der Ressourcenverbrauch ist dabei im Idealfall gleich null. Diesen Zusammenhang haben die Wachstumskritiker nicht verstanden. Das von westlichen Klimaaktivisten oft vorgebrachte Argument, auf einem endlichen Planeten könne es kein endloses Wachstum geben, ist in seinem Kern daher falsch. Denn ökonomisches Wachstum geht nicht automatisch einher mit dem Verbrauch von Ressourcen.
    Bevor man Fundamentalkritik äußert, wäre es daher sinnvoll, sich die unterschiedlichen Modelle des Wirtschaftens anzuschauen. Da ist auf der einen Seite das Modell Chinas mit einer starken Lenkung makroökonomischer Prozesse. Auf der anderen Seite finden sich Länder wie das marktradikale Deutschland, die Wirtschaftspolitik als Wunscherfüller großer Konzerne und imaginierter Märkte verstehen, denen Politik zu dienen hat. 
    (...)
    Das bedeutet aber auch, dass Maßnahmen zur Umgestaltung westlicher Staaten in Richtung Kreislaufwirtschaft und Abkehr vom Verbrauch fossiler Energieträger zur Zeit nicht durchzusetzen sind, denn sie laufen den Interessen der liberalen Oligarchie zuwider. Einhegen von Finanzspekulationen, Investitionen in die Realwirtschaft, Vollbeschäftigung und Lohnsteigerungen im Rahmen des Verteilungsspielraums – all das bräuchte es, um den Wandel sozial verträglich zu bewerkstelligen, all das aber ist gegen die aktuellen Interessen der Oligarchie.
    Es gibt diese Wahloption innerhalb der westlichen und deutschen Parteienlandschaft daher überhaupt nicht. Es gibt sie lediglich als Wahlkampf-Schlagwort, aber nicht als reale Option der politischen Umsetzung. Diese Option muss erst wieder aufgebaut werden. Dieser Aufbau ist die eigentliche Aufgabe der zivilen politischen Bewegungen unserer Zeit.
    Anders sieht das in Ländern aus, in denen Politik souverän agieren kann, weil sie sich die marktradikale Umgestaltung erfolgreich zurückgebaut oder sie nie zugelassen hat. Dort besteht eine reale Chance, dass diese Gesellschaften über einen längeren Zeitraum unter Einbeziehung aller bei Erhaltung und Ausweitung des erreichten Standards tatsächlich ökologisch umgebaut werden. Bei uns besteht sie aktuell nicht. Es bedarf zunächst großer Anstrengungen, dafür überhaupt wieder die Grundlage zu schaffen. Ob das tatsächlich gelingen kann, ist die große Frage.
    Im Moment läuft die Analyse der Klimabewegung noch in die falsche Richtung. Sie glaubt, ihr widerständiges Gegenüber sei der Konsument, der Autokäufer, der Vielflieger, kurz: der Einzelne. Es fehlt bei uns der strukturelle Blick auf den Zusammenhang des Ganzen. Dieses Blickes aber bedarf es, um Forderungen zu stellen, die die Gesellschaft nicht weiter spalten, sondern die in einer Weise integrativ sind, dass sich die Mehrheitsgesellschaft hinter ihnen wiederfinden kann und den ökologischen Umbau gemeinsam trägt. Das funktioniert aber nur über Wachstum.


  •