Privatisierung von Gemeineigentum oder
Umfunktionierung von öffentlichem Nutzen zur Gewinnmaximierung von Privatanlegern.Es folgen einige Beispiele:
Jens Berger: Privatisierung paradox – Wie aus Post, Telekom und Bahn globale Player wurden, die ihren gesellschaftlichen Auftrag vernachlässigen
Berger zeigt anhand der Privatisierung der Deutschen Bundespost, wie die Verlagerung des Konzernziels von bestmöglicher Versorgung einerseits nach zu bestmöglichem Gewinn für die Aktionäre andererseits zu einer verheerenden Versorgungswüste geführt hat. Es folgen einige Abschnitte des Artikels:
In Brandenburg schließen die Postfilialen, dafür ist die Deutsche Post DHL heute der einzige Logistikkonzern, der jedes Dorf in Syrien, Libyen und dem Jemen beliefert. In der Eifel reiht sich Funkloch an Funkloch, dafür hat die Deutsche Telekom in den USA bereits im Dezember das erste 5G-Netz mit nationaler Abdeckung in Betrieb genommen. Im Hunsrück werden die Bahnhöfe stillgelegt, dafür baut die Deutsche Bahn in Katar eine Metro. Drei Fälle, ein Phänomen – die privatisierten Staatsbetriebe haben sich mit Milliardeninvestitionen zu globalen Konzernen gemausert und erfüllen im eigenen Land zusehends nicht mehr die Grundversorgung. Und dazwischen gibt es sogar einen Zusammenhang.
Der gelbe Riese ist heute die weltweite Nummer Eins
Die gute alte gelbe Bundespost heißt heute Deutsche Post DHL Group und ist – vor allem dank seiner internationalen Tochter DHL – Kopf an Kopf mit den US-Konzernen FedEx und UPS einer der drei größten Logistikkonzerne der Welt. Alleine DHL liefert pro Jahr rund 1,3 Milliarden Pakete aus und ist nach eigenen Angaben in „über 220 Ländern und Territorien“ aktiv. Zum großen Weltreich der Deutschen Post gehören beispielsweise die indische Frachtfluglinie Blue Dart Aviation, die 54 Mitarbeiter starke Tochterfirma DHL Myanmar, die Frachtplattform Saloodo!, die Kunden aus dem Mittleren Osten und Afrika von Abu Dhabi aus Frachtmöglichkeiten vermittelt, und die australische Tasman Cargo Airlines, die mit einer Boeing einige Südseeinseln mit Luftfracht versorgt. Globaler geht es nicht.
Der gelbe Riese ist zwar auf dem Papier ein deutsches Unternehmen, der größte nationale Markt des Logistikkonzerns ist jedoch China. Mit seiner Sparte DHL eCommerce Asia deckt die Deutsche Post hier die komplette Lieferkette für Onlinehändler ab – angefangen bei der Lagerlogistik bis hin zur Paketzustellung in 220 Ländern und dem Retourenmanagement. Die Post-Tochter DHL setzt in der Region Asien/Pazifik pro Jahr rund sechs Milliarden Euro um. In Shanghai hat sie 2012 für 175 Millionen Euro ein neues globales Drehkreuz eröffnet, über das neben den Kreuzen in Hong Kong, Cincinnati und Leipzig der globale Frachtflugverkehr von DHL abgewickelt wird. Auch hier ist die Deutsche Post mit ihrer belgischen Tochter DHL Aviation mit rund 250 Flugzeugen und rund einer halben Milliarde Luftfrachtsendungen pro Jahr die globale Nummer Eins.
Dieser Erfolg ist bemerkenswert, nur nutzt es dem deutschen Bürger nichts, wenn „seine Post“ es zwar schafft, Pakete aus Guangdong 24 Stunden später in Neukaledonien zuzustellen, gleichzeitig aber die letzten Postfilialen und Briefkästen auf dem Lande außer Betrieb nimmt. Während die Deutsche Post nun auch in Indien und Südafrika ihr eigenes Paketgeschäft aufbaut, denkt sie in Deutschland bereits laut darüber nach, montags generell keine Briefpost mehr zuzustellen. Und da die globale Expansion einiges an Geld kostet, sieht man sich offenbar dazu gezwungen, auf dem deutschen Markt die Paketboten in regionale Billiggesellschaften auszugliedern, um damit den Post-Haustarif auszuhebeln und die Mitarbeiter schlechter zu bezahlen.
Weder die deutschen Bürger noch die deutschen Mitarbeiter der Post haben einen Vorteil davon, dass die Deutsche Post weltweit mit anscheinend großem Erfolg tätig ist. Im Gegenteil. Wenn die Post bei ihren eigentlichen Kerntätigkeiten sparen muss, um die Finanzmittel für die gigantischen internationalen Investitionen aufzubringen, ist dies ein Nachteil. Die Privatisierung hat auf diesem Feld nichts zum Besseren geändert. Früher stellte ein ordentlich bezahlter Post-Beamter die Briefe und Pakete zu, heute erledigen diese Aufgabe vier oft aus Südosteuropa stammende „Selbstständige“ im Auftrag von Unternehmen wie Hermes, GLS, DPD oder eben der Post-Tochter DHL. Volkswirtschaftlich ist dies kontraproduktiv und die Qualität der Brief- und Paketzustellung hat sich durch die Privatisierung auch um kein Jota verbessert.
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Monopoly im Pflegeheim von Uta von Schrenk:
Aggressive Investoren dringen in die Gesundheitsbranche ein und übernehmen Krankenhäuser und Pflegezentren. Sie entziehen dem System viel Geld – zum Schaden der Belegschaft und der Patienten. Wie viel Rendite darf man mit Gesundheit machen?
Im Sommer 2017 kam das internationale Kapital nach Glückstadt. Die Investmentgesellschaft Oaktree hatte die Mehrheit am Pflegeheim-Betreiber mit rund 4600 Beschäftigten gekauft. Zum Einkaufspaket gehörte auch Heike Bremers Arbeitgeber, die Eingliederungshilfe des Psychiatrischen Centrums Glückstadt. Seit 2001 betreut Bremer als Erzieherin suchtkranke, psychisch beeinträchtigte und behinderte Menschen, denen die Teilhabe am Alltag ermöglicht werden soll. In dem ehemaligen Marinelazarett aus den 1930er Jahren gibt es 110 Plätze für Betreuungsbedürftige.
Am Anfang, erzählt Heike Bremer, klang es noch gut, was Oaktree in Glückstadt verbreiten ließ. „Sie waren ganz offen mit ihrer Strategie, haben auf Betriebsversammlungen gesagt, dass sie das Unternehmen effizient aufstellen, schön machen, um es dann gewinnbringend zu verkaufen.“ Dass „Schön machen“ auch heißen kann, alles, was sich nicht lohnt, abzustoßen, „war uns da noch nicht bewusst“, sagt die Erzieherin. Zum Jahresende 2018 wurde die Einrichtung kurzerhand an die Diakonie verkauft. Das alte Gebäude mit hohen Heizkosten und einem großen Investitionsbedarf schmeckte den Investoren nicht. „Offensichtlich kann man mit uns nicht genug verdienen“, sagt Bremer, die zugleich Fachbereichsvorsitzende im ver.di-Landesbezirk ist. Dem neuen Träger reichte das aus. Bei der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie gibt es nun einen Tarifvertrag, aber keinen Betriebsrat, was ver.di scharf kritisiert. „Immerhin“, sagt Bremer, „wir müssen keine Rendite erwirtschaften. (...)
Jens Berger: „Krankenhäuser schließen – Leben retten?“ – Öffentlich-rechtlicher Kampagnenjournalismus zur besten Sendezeit
Hier zwei Zitate daraus:
Für ihre aktuelle Krankenhausstudie hat das IGES Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung alle Register gezogen, um mit vermeintlich neutralen Berechnungen zum gewünschten Ergebnis zu
kommen.
(...)
Interessanter wäre doch die Frage, wie man das jetzige System verbessern kann, ohne gleichzeitig die flächendeckende Versorgung zu gefährden. Natürlich liegt das Grundübel der gesamten Debatte in der ökonomischen Orientierung der Krankenhäuser. Nicht das Wohl des Patienten, sondern die Maximierung der Rendite ist das oberste unternehmerische Ziel von Krankenhäusern. Da kann es dann auch schon mal vorkommen, dass Chirurgen eines ländlichen Krankenhauses, deren Abteilung unter den hausinternen Umsatzvorgaben liegt, eine Operation selbst durchführen, für die sie objektiv gar nicht ausreichend qualifiziert sind. Die Rückabwicklung der Privatisierung des Krankenhaussektors wäre daher die naheliegende Antwort auf die Fragen und Probleme, die in der Studie und der Dokumentation aufgeworfen werden.
Im folgenden Artikel von Jens Berger, der schon 2011 in Telepolis
erschien, geht es zwar nicht um Privatisierung im eigentlichen Sinn,
sondern um eine der vielen Methoden, sich einerseits vor dem Beitrag an
das Gemeinwesen zu drücken, andererseits aber von dessen Leistungen zu
profitieren:
Jens Berger: Wer
sind eigentlich die Piraten? Hier das Fazit des Artikels:
Die Forderung der deutschen Reeder, ihre Schiffe künftig durch bewaffnete Polizisten oder Marinesoldaten an Bord absichern zu lassen, ist nicht nur realitätsfern, sondern auch unanständig. Es ist ja nicht nur so, dass die Reeder bereits bis zur Hutkrempe vom deutschen Steuerzahler subventioniert werden. Die Ausflaggung der Schiffe hat eine völkerrechtliche Situation geschaffen, die die Wünsche der Reeder ohnehin ad absurdum führt. Selbst wenn die Politik abermals vor den Lobbyinteressen klein beigeben würde, so müsste sie mit allen Billigflaggen-Staaten bilaterale Verträge abschließen, die den Einsatz deutscher Soldaten auf dem Hoheitsgebiet dieser Staaten – nichts anderes sind ausgeflaggte Schiffe – ermöglicht. Es stellt sich ohnehin die Frage, warum ein Staat eine bestimmte Branche auf Kosten der Arbeitnehmer und des Fiskus weiterhin in diesem absurden Maß unterstützen sollte. Doch das ist kein Thema der öffentlichen Diskussion. Vielleicht wäre zunächst zu klären, wer denn hier die Piraten sind.
Aus aktuellem Anlass erschien am 08.08.2019 eine neue Version des Artikels: Robert Habeck und der Schutz der Handelswege – von welchen deutschen Schiffen ist hier eigentlich die Rede?
Die Reihe wird fortgesetzt.