Lesefrüchte

Juli 2020

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.


Rupert Koppold: Beichte deine Sünden
C.J. Hopkins:
GloboCap Über Alles
Jakob Weiss: Pandemische Wörter und ihre unterschiedliche Ansteckungskraft
Jens Berger: „Cancel Culture“ – Intoleranz im Namen der Toleranz
Bräutigam & Klinkhammer: Teil II des Gesprächs u.a. über Gebühren
Bräutigam & Klinkhammer: Wie berichtet die Tagesschau über China? 
Christian Baron: Tierschutz - Wo bleibt der Aufschrei?
Jens Berger: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr soll weichen

Hermann Ploppa: Das Ende der Politik
Caitlin Johnstone: Redefreiheit und Eier aus Freilandhaltung – Beides gleichermaßen nicht existent


 

  • Rupert Koppold: Beichte deine Sünden

    Eine akademisch geprägte Identitätspolitik fordert Rücksichtnahme für Diskriminierte oder sich diskriminiert Fühlende. Sie kümmert sich aber nicht um Klassenfragen, verhängt lieber Sprechverbote, führt zur Ächtung von Menschen wie Woody Allen oder Julian Assange – und spielt deshalb der Rechten in die Hände, meint unser Autor. 
    Da hatte es Jürgen Roth satt, da spuckte er seine Wörter den Gegnern ins Gesicht! Am 7. Juni 2018 schreibt der Autor und Sprachwissenschaftler im "Freitag": "Es wütet, ausgehend von einer über ihrem 'Diversity'-Mantra verrückt gewordenen, ungebildeten, moralpolitisch verhärteten, feindfixierten postmodernen Linken, ein regressiv-antiaufklärerischer, antiliberaler Opferkult, der die wechselseitige Infantilisierung aller forciert. Dem Kulturprotestantismus unter dem falschen Kleid der Toleranz eignet ein inquisitorischer Wahn, der nichts anderes artikuliert als die narzisstisch präsentierte Unlust an der Welt, als die Weigerung, sich mit der Widersprüchlichkeit des Lebens zu beschäftigen, oder überhaupt mit etwas, das in die Nähe von Erfahrung gelangte." Wow! Hat Roth in seiner Kritik jedes Maß verloren?
    Doch jetzt, zwei Jahre später, konstatieren auch 152 Intellektuelle aus dem Literatur-, Kunst- und Universitätsmilieu, dass der freie Austausch von Informationen und Ideen, der "Lebensnerv einer liberalen Gesellschaft", nicht nur durch die Rechte in Gefahr gerät, sondern auch "in unserer Kultur" immer mehr eingeengt werde.
    Der Ton in diesem "Letter on Justice and Open Debate", den unter anderem Margaret Atwood, Louis Begley, Noam Chomsky, Jeffrey Eugenides, Francis Fukuyama, Daniel Kehlmann, Greil Marcus, J.K. Rowling, Gloria Steinem und Salman Rushdie unterzeichnet haben, ist höflicher als der in Jürgen Roths Schaum-vorm-Mund-Attacke. Die Diagnose aber ist ähnlich. Es breite sich eine "Atmosphäre von Zensur aus: Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, öffentliche Anprangerung und Ausgrenzung sowie die Tendenz, komplexe politische Fragen in moralische Gewissheiten zu überführen."
    Werfen wir einen Blick auf deutsche Verhältnisse, beginnen wir erneut im Jahr 2018 mit einer Hauswand der Berliner Alice Salomon Hochschule und dem darauf zu lesenden Gedicht "avenidas" von Eugen Gomringer, das übersetzt so endet: "avenidas y flores y mujeres y / un admirador". Der Asta kritisierte diese Sätze wie folgt: "Ein Mann, der auf die Straßen schaut und Blumen und Frauen bewundert. Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind." Überzogene Kritik? Nicht für die Hochschule, das Gedicht wurde entfernt.

    Männer sind Arschlöcher – weltweit
    Noch'n Gedicht: Die Feministin Sibel Schick hat eins geschrieben, es heißt "Männer sind Arschlöcher". Die letzte Strophe: "Du sagst: 'Nicht alle Männer sind gleich.' / Ich sage: 'Ist das nicht irrelevant vielleicht?' / Denn es ist ein strukturelles Problem, / Und ja, es ist kein individuelles Problem, / Und nein, es geht nicht um Ausnahmen, / Denn es ist ein weltweites Phänomen, / Dass Männer Arschlöcher sind." Sibel Schick richtet ihren Beschimpfungsfuror nicht nur gegen Männer, im "Neuen Deutschland" wütet sie auch gegen die angeblich transfeindliche Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, die lieber als Frau denn als "Mensch, der menstruiert" bezeichnet werden will. Und sie wütet gegen das "Emma"-Magazin und zitiert zustimmend die Ex-US-Außenministerin: "Madeleine Albright sagte, es gebe einen eigenen Platz in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen."
    (...)
    Den Eliten kann nichts Besseres passieren
    Bernd Stegemann dazu in der "Zeit" (9. Juli 2020): "Was wie ein fairer Gedanke klingt, führt jedoch wie alles, was den Universalismus aushebeln will, zu unlösbaren Widersprüchen. Wie will man einem arbeitslosen, alten weißen Mann verbieten, gegen den 'großen Austausch' zu wettern, wo er doch offensichtlich ganz weit unten ist?" Der Philosoph Kwame Anthony Appiah antwortet auf die Feststellung eines "Zeit"-Interviewers, dass Schwarze und Schwule wie er in der intellektuellen Welt privilegiert seien, das wisse er natürlich: "Umgekehrt ist es empörend, wenn man armen Weißen erzählt, sie seien privilegiert. In Hinsicht der Hautfarbe mag das stimmen. Aber ihre hervorstechende Eigenschaft ist nicht, dass sie privilegiert sind, sondern dass sie arm sind."
    Stefan Reinecke stellt in der taz fest, "dass in den aktuellen identitätspolitischen Diskursen Klasse kaum eine Rolle spielt. Es gibt eine uneingestandene Nähe des Konzepts der Intersektionalität, der Mehrfachdiskriminierung mit individualistischen Mustern, die durchaus anschlussfähig an neoliberale Ideen sein können." Die Zersplitterung der Gesellschaft in Identitäten, deren Opferstatus immer weiter "verfeinert" wird, führt letztlich dazu, dass das Gemeinsame zerfällt, dass keine Solidarität mehr möglich erscheint – und oft auch gar nicht mehr gewünscht wird. Den herrschenden Eliten könne nichts Besseres passieren, so zitiert der Zeit-Autor Thomas Assheuer den Philosophen Richard Rorty, "als die Kulturalisierung sozialer Konflikte. Sie blieben unbehelligt, wenn sich die Gesellschaft im Streit um 'soziale Stigmata' und 'Pseudoereignisse' zerfleische und dabei den Kampf gegen Rechts links liegen lasse." Auch der Politikwissenschaftler Mark Lilla pflichtet bei: "Wähler in der politischen Mitte oder rechts sehen diese ganze Theatralik der Linken und laufen davon". Es gehe der Identitätspolitik eben nicht um die Änderung der Machtverhältnisse: "Die wollen, dass du niederkniest und deine Sünden beichtest."

    Der Philosoph Robert Pfaller schreibt in seinem Buch "Erwachsenensprache", dass "so gut wie alle neoliberalen Projekte irgendwelche Rücksichten auf irgendwelche Empfindliche" vorsähen. Und dies nicht nur, um "der Bereicherung ein humaneres Antlitz" zu verleihen, sondern auch, "weil gerade dies die Bereicherung und Privatisierung ermöglicht, indem es die Räume der Gleichheit zerstört. (...)
    Doch Widersprüche interessieren Anhänger der Identitätspolitik selten – und Widerspruch ist nicht erlaubt. Pfaller spricht von einer "dogmatischen Beendigung jeglichen Diskurses im Vorhinein". Für den Radikalfeminismus etwa habe jede Beschuldigung "automatisch recht", es gebe "keine geregelten Verfahren mit Anklägern und Verteidigern, Beweismittelerhebung, Anhörung von Zeugen und Beschuldigten ...". Und Pfaller weiter: "Die zartfühlenden und stets auf Inklusion bedachten Politiken der Moralisierung des öffentlichen Raumes erweisen sich hier als rücksichtslos exkludierend und gewissenlos brutal im Umgang mit denjenigen, denen sie Verletzung von Empfindlichkeit vorwerfen: Sie machen sie ohne Umstände, sozusagen standrechtlich, zu Unpersonen."

    Wo sind die Proteste im Fall Assange geblieben?
    Als die Autorin und Schauspielerin Lena Dunham ("Girls") das Dogma, jeder Frau müsse bei einer "MeToo"-Beschuldigung geglaubt werden, nein, nicht anzweifelte, aber für eine Ausnahme im Fall eines Freundes plädierte, brach ein Shitstorm über sie herein. Dunham ruderte eilig zurück. In so einem Klima war es auch möglich, den Wikileaks-Aufklärer Julian Assange durch eine komplotthaft konstruierte (und inzwischen, nachdem der Zweck erfüllt war, von den schwedischen Behörden zurückgezogene) Vergewaltigungsbeschuldigung moralisch zu diskreditieren. Selbst als Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter für Folter ("Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System."), sich Anfang des Jahres des Assange-Falles annahm, blieben größere Proteste der Medien aus.
    (...)
    Wenn ein Mann die Perspektive einer Frau einnimmt
    (...)
    In der "Zeit" fasst Sarah Pines das Verbot der kulturellen Aneignung in Sachen Literatur zusammen: "Eine weibliche Autorin darf zwar ohne Probleme die Erzählperspektive eines Mannes einnehmen. Einem Mann aber wird abgeraten, aus der Erzählperspektive einer Frau zu erzählen. Weiße Autoren sollen überdies keine ethnischen Minderheiten darstellen, heterosexuelle Autoren keine anderen sexuellen Identitäten." Was also heißt: Shakespeare hätte "Othello" nicht schreiben dürfen, Fontane nicht "Effi Briest", und dass Flaubert gar behauptet hat: "Madame Bovary bin ich", das verdient die allergrößte Ächtung. In der Gegenwart hat es unter anderem Jeanine Cummins getroffen, sie ist "nur" zu einem Viertel Puerto Ricanerin und hat trotzdem den Bestseller "American Dirt" geschrieben, in dem sie die Flucht einer Mexikanerin mit ihrem Kind vor Drogengangstern schildert. Gleich war ein Hashtag da, der der "weißen" Autorin einen Tabubruch vorwarf.
    (...)
    Die Identitätspolitik fordert nicht zur Diskussion auf, sie will Umerziehung. Die Organisation Pro Quote Film etwa möchte nicht nur das, was ihrem Namen abzulesen ist, sondern überdies: "Eine zentrale Forderung von Pro Quote Film sind Change- und Gender-Seminare für Entscheider*innen der Branche." Im Literaturbereich bieten Sensitivity Reader Autoren an, deren Manuskripte daraufhin zu prüfen, "ob sich nicht unabsichtlich abwertende Beschreibungen wie Mikroaggressionen in den Text geschlichen haben".
    Die als Gender-Professorin berühmt gewordene Lann Hornscheidt, die sich als nicht binär versteht und deshalb als Professx angesprochen werden will, bezeichnet auch Wörter wie "Schwarzfahren" als "rassistische Metaphern", was erstaunliche Unkenntnis in Sachen Etymologie offenbart. Hornscheidt sagt auch: "Es gibt empowernde und respektvolle Benennungen, die rassistisch Diskriminierte für sich selbst benutzen und von denen sie auch wollen, dass andere sie verwenden: Momentan sind dies unter anderem die Benennungen Schwarze Person (mit groß geschriebenem S), PoC, Sinti*ze und Rom*nja, Indigene." Das könne sich aber immer wieder ändern und deshalb gelte: "Diskriminierungskritisch zu sprechen ist ein lebenslanger Lern- und Aufmerksamkeitsprozess." Seufz! Es höret nimmer auf!

     

  • C.J. Hopkins: GloboCap Über Alles

    Also, wie gefällt euch die „Neue Normalität“ bisher? Ist sie euch paranoid und totalitär genug? Wenn nicht... nun, wartet ab, es geht erst richtig los. Da kommt noch viel mehr Totalitarismus und Paranoia.

    Ich weiß, es fühlt sich bereits wie eine Ewigkeit an, dabei sind erst ein paar Monate vergangen, seit GloboCap das neue offizielle Narrativ in Umlauf gebracht hat. Wir befinden uns noch in der Anfangsphase. Die Phase, in der wir uns jetzt befinden, sieht so aus wie die Zeit um den Februar 2002, ein paar Monate nach den 9/11-Anschlägen, als alle noch in einer Schockstarre waren, der Patriot Act war erst ein paar Monate alt und das Heimatschutzministerium (DHS) gab es noch gar nicht.
    (...)
    Ihr erinnert euch zurück an damals, als GloboCap das offizielle Narrativ „Krieg gegen den Terror“ eingeführt hat, nicht wahr?

    Schon gut, vielleicht erinnert ihr euch, vielleicht auch nicht. Vielleicht seid ihr zu jung, um euch daran zu erinnern, oder ihr wart in der momentanen Aufregung gefangen und habt nicht auf die Details geachtet. Aber einige von uns erinnern sich sehr deutlich daran. Wir erinnern uns daran, wie GloboCap die Invasion, die Destabilisierung und Umstrukturierung des gesamten Nahen Ostens vorbereitete (und wir vergebens dagegen protestierten), als Länder im gesamten globalen, kapitalistischen Imperium „Notstands-Sicherheitsmaßnahmen“ umsetzten (die 18 Jahre später immer noch gültig sind), als uns die Konzernmedien mit offizieller Propaganda bombardierten, die Angst in die Höhe trieben und uns auch sonst für die „Neue Normalität“ von damals vorbereitet haben... einige von uns erinnern sich deutlich daran.
    (...)
    Die Parallelen (zu heute) sind überwältigend. Der „Ausnahmezustand“. Die Propaganda. Die Massenhysterie. Das Wesen des Pöbels. Die Übertreibung der tatsächlichen Gefahr. Die Polizeistaat-Atmosphäre. Die Unterdrückung abweichender Meinungen. Die Konfusion. Das Chaos. Die existentielle Angst. Und so weiter. Es kommt einem alles so bekannt vor.

    Ich beziehe mich natürlich auf die simulierte Pandemie, aber auch auf die radikalisierten zivilen Unruhen und die identitäre Polarisierung, die GloboCap quer durch die Vereinigten Staaten und zum Teil auch im Rest des Imperiums geschürt hat. Ich habe über den Krieg gegen den Populismus berichtet ( https://www.theblogcat.de/archiv/archiv-2019/januar-2019/ ) und seit 2016 über die GlobCap-Propaganda „Trump ist buchstäblich Hitler“. Daher sind die zivilen Unruhen nicht wirklich überraschend. Aber ich gebe zu, diese gefälschte Plage habe ich nicht kommen sehen. Diese beiden PsyOps zusammen zu betreiben war brillant. Die Auswirkungen auf die Menschen sind verheerend. Jeder ist entweder depressiv oder wütend, oder befindet sich in einer Art paranoider Lähmung. Einige wurden so gründlich terrorisiert, dass sie sich buchstäblich weigern, das Haus zu verlassen. Andere stehen vor Waffengeschäften Schlange. Weiße Menschen knien sich hin und waschen Schwarzen in aller Öffentlichkeit die Füße, um „symbolisch ihre Entschuldigung zu zeigen“. Hersteller ändern die Namen ihre Gewürzprodukte. Es ist, als wären wir alle in einer beliebigen, didaktischen Netflix-Zombie-Apokalypse-Serie gefangen, die in der Welt von The Handmaid's Tale spielt, geschrieben, inszeniert und produziert von Spike Lee.

    Die offizielle Propaganda könnte nicht Orwellscher sein, ebenso wenig wie die Bereitschaft der Menschen, sich darauf einzulassen. Sie muss nicht einmal sinnvoll erscheinen. Doublethink hat die Macht übernommen. Zum Beispiel war der größte Teil der entwickelten Welt in irgendeiner Form totalitär eingesperrt und anderen polizeistaatlichen Maßnahmen unterworfen (wie z.B. geschlagen und verhaftet zu werden, weil man keine Maske trug), und zwar ohne jeden gerechtfertigten Grund, was seit den letzten fünf Monaten so geht, aber laut den Konzernmedien (und den Millionen von Menschen, die anscheinend einer Gehirnwäsche unterzogen wurden) ist erst jetzt, da Trump seine Homeland-Security-Gorillas nach Portland geschickt hat, plötzlich "die Demokratie unter Beschuss!“
    (...)
    Aber im Ernst, ... der systemische Rassismus und die Polizeibrutalität begannen nicht plötzlich im Jahr 2016.

    Was 2016 plötzlich begann war ein orchestriertes Unterfangen von GloboCap, einen wachsenden Widerstand gegen den globalen Kapitalismus und dessen herzlose Ideologie zu unterdrücken. Ja, der größte Teil dieser Gegenreaktion ist vom Charakter her neo-nationalistisch, aber darunter befindet sich auch eine beträchtliche Anzahl altmodisch linker Typen wie mich selbst, und eine Menge anderer, nicht aufgeweckter Leute, die noch nicht dazu bereit sind, ihre neue Identität als austauschbare menschliche Ware zu akzeptieren.

    Wir erleben den Höhepunkt dieser Anstrengung (oder was sie sich als den Höhepunkt dieser Anstrengung erhoffen), diesen zusammengewürfelten populistischen Aufstand niederzuschlagen und sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert. GolobCap erteilt uns eine Lektion. Diese Lektion lautet:

    „Das kommt davon, wenn man sich mit GloboCap anlegt. Das bekommt man, wenn man für Trump, Brexit und den ganzen Rest dieses 'populistischen' Unsinns stimmt ... globale Pandemien, Rassenkriege, Aufstände, Abriegelungen, wirtschaftliche Depression, gesellschaftlichen Zusammenbruch, Chaos, Angst. Nur zu, legt euch ruhig noch ein bisschen mit uns an. Wir werden euch für immer lächerliche Gesichtsmasken tragen lassen. Wir werden kleine Pfeile und Kästchen auf den Boden malen, um euch zu zeigen, wo ihr gehen und stehen müsst. Wir werden eure Unternehmen in den Bankrott treiben, eure Schulen schließen, eure Kinder psychologisch quälen. Wir werden euch alles injizieren, was wir wollen. Es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt. Wir zwingen euch auf die Knie und ihr entschuldigt euch dafür, dass ihr euch mit uns angelegt habt, oder wir stigmatisieren euch als 'Rassisten', hetzen unsere fanatisierten Massen auf euch und 'annullieren' euch und eure ganze Familie.“

    Dies ist im Wesentlichen die Botschaft, die GloboCap den ungehorsamen Populisten erteilt (ob links oder rechts, das ist egal; GloboCap ist es egal, an welchen politischen Etiketten wir uns festhalten oder uns gegenseitig ohrfeigen). Es ist unsere letzte Warnung, mit dem Unsinn aufzuhören, uns an das globale kapitalistische Programm zu halten und damit zu beginnen, uns so zu verhalten und zu denken, wie uns gesagt wird ... es sei denn, wir wollen wieder eingesperrt werden und uns befehlen lassen, Dinge auf unseren Gesichtern zu tragen und anderweitig rituell gedemütigt zu werden.

    Schaut, die so genannte "Neue Normalität" (d.h. das neue ideologische Narrativ, das GloboCap auf den Markt bringt) ist eigentlich gar nicht so neu ... oder, OK, der Teil mit der Pathologisierung ist neu (und ich werde diesen Aspekt genau beobachten), aber im Grunde ist es einfach nur der schlichte alte Totalitarismus.
    Es ist kein Staatstotalitarismus, denn unsere Welt wird nicht von Nationalstaaten regiert. Sie wird vom globalen Kapitalismus regiert. Im Moment werden wir an diese Tatsache erinnert ... und es wird uns gezeigt, was passiert, wenn wir anfangen, das zu vergessen.

    Wohin dieser Weg führt, da darf jeder raten. Meine Vermutung ist, dass es nur noch schlimmer werden wird, bis sie Trump aus dem Amt vertrieben haben, wobei ihnen die Amerikaner wahrscheinlich helfen werden, einfach um dem ganzen Alptraum ein Ende zu bereiten. Sobald er weg ist, werden sie wahrscheinlich die vorgetäuschte Pandemie zurückziehen, die Unruhen absagen und eine Art internationale Feier zur Wiedergeburt der Demokratie inszenieren, wonach sie sich endlich wieder dem Geschäft widmen können, den Planeten rücksichtslos zu destabilisieren, umzustrukturieren und zu privatisieren, die Geschichte zu säubern, die Menschheit von Rassismus, Hass und anderen Krankheiten zu heilen und ansonsten eine rigide Konformität mit der globalen kapitalistischen Ideologie durchzusetzen.

    Vielleicht könnten sie den Komponisten des Musicals Hamilton dazu bringen, ihnen eine Hip-Hop Version des Deutschlandlieds zu schreiben, das sie als supranationale Hymne verwenden könnten. Sie könnten es GloboCap Über Alles nennen ... das hat doch irgendwie 

     

  • Jakob Weiss: Pandemische Wörter und ihre unterschiedliche Ansteckungskraft
    (...)
    Wie das Virus die Sprache befiel
    Im Sog von Corona haben sich nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch etliche Wörter in Vireneile ausgebreitet. Zum einen englische wie Shutdown oder Lockdown. Gibt es dafür tatsächlich kein deutsches Wort? Oder wird man ganz und gar verschüchtert angesichts der Deutlichkeit deutscher Ausdrücke – Ausgangssperre, (vorübergehende) Betriebsschliessung, Stillstand? Wirkt die Fremdheit eines angeblichen Fachausdrucks kompetenter? Informiert uns das englische Wort besser?

    Eine vertraute Bezeichnung wie Heimarbeit erinnert womöglich zu sehr an kleinbäuerliche Verhältnisse und Armut. Aber dass auch Arbeit zu Hause oder Hausunterricht keine Chance hatten gegen die sofort eingeführten Wörter Homeoffice und Homeschooling, bleibt mysteriös. Warum Abstandhalten, zumindest anfänglich, hinter das auch im Englischen wenig elegante Social Distancing treten musste (womit überdies keine ‚soziale’ Distanzierung gemeint war), ist schwierig zu verstehen.

    Die Selbstverständlichkeit in der Handhabung des neuen Vokabulars wirkte vorgetäuscht. Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass in Zeiten des ausser Kraft gesetzten Föderalismus immer die Dollarsprache übernimmt, um die unterschiedlich starken Landessprachen sozusagen gleichberechtigt zu brüskieren.

    Nicht nur Worteinwanderungen brachten Neues, auch der deutsche aktive Wortschatz selber hat sich verändert. Jedenfalls war mir «Vorerkrankung» bis zum März 2020 kein geläufiger Ausdruck, während mich jetzt der Verdacht beschleicht, alles auf der Welt sei womöglich schon ein bisschen vorerkrankt. Unerfreulich war es zudem, als alter Mensch plötzlich in den Topf «Risikogruppe» geworfen zu werden, obwohl man sich munter fühlte und der Krankenkasse gegenüber in einem Geberverhältnis steht. Das innere Ohr hörte da ein Klicken wie von Handschellen. Durch diese selektionierende Risikobehaftung tauchte auch die unerwartete Frage auf, ob ich lieber als Sterblicher oder Übersterblicher von dieser Welt gehen möchte. Und da kam, mit Blick zurück auf das eigene Berufsleben, unwillkürlich ein bisschen Neid auf gegenüber der psychologischen Meisterleistung, nicht geleistete Arbeit als «Kurzarbeit» zu bezeichnen.

    «Systemrelevant» von Fall zu Fall
    Doch zum wahren Kampfbegriff über die Deutungshoheit der epidemisch verursachten Lage hat sich das Wort «systemrelevant» entwickelt. Und da nähern wir uns jetzt dem Thema Landwirtschaft. Von ihr war nämlich kaum die Rede in der schwierigsten Phase der Corona-Zeit, die doch einige KommentatorInnen zu Vergleichen mit der Situation im letzten Weltkrieg anregte. Die Dimension Hunger blieb stets eine ferne Erzählung. Sie führte zu dummen Hamsterkäufen, aber nicht zu Not und Unterernährung.

    Kurz zur systemischen Erinnerung: In der Finanzkrise 2008/09 hat man Banken als «too big to fail» bezeichnet, um sie mit mehr Milliarden an Steuergeldern zu retten, als die Landwirtschaft über Jahre hinweg angeblich kostet. Im Vergleich zum grossprecherischen Besorgtheitsattest «too big to fail» bedeutet das Adjektiv «systemrelevant» ein klares Downsizing (wie sie das im hinteren Napf nennen), es wirkt sachlich und weniger drohend. Aber weil es bei Corona eben nicht nur das Pflegepersonal war, das plötzlich aus seiner sozialen Unterschätzung heraustreten konnte, kam ein verstärkender Effekt hinweg über ganz verschiedene berufliche Sparten zustande. Sein gemeinsamer Nenner war, im Unterschied zu den Banken, die schlechte Bezahlung für wichtige, aber prestigefreie Arbeit.
    (...)
    Landwirtschaft und Klima sind im wahren Wortsinn lebensnotwendig – und stehen somit vor jeder Systembildung. Aber beide sind offensichtlich weniger angstmachend als ein Virus. Im Falle der Landwirtschaft besteht das Problem ihrer zu geringen Wertschätzung darin, dass wir die Bezeichnung «Landwirtschaft» gar nicht mehr verstehen. Wir erblicken fahrend oder wandernd grosse Traktoren und hohe Silos und lange Laufställe. Wir finden unter der Woche die Milch, die Kartoffeln und den Rindsbraten reichlich teuer und weichen zum Einkauf nach Weil am Rhein oder Konstanz aus (wenn die Grenzen offen sind). Wir hören und lesen vom Pestizid im Grundwasser oder der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der Bauern und gehen dann vielleicht abstimmen.

    Dies alles hat mit Wirtschaft und Politik zu tun, aber nur wenig mit eigentlicher Land-Wirtschaft. Denn im Kern besteht die bäuerliche Arbeit aus der Pflege des Bodens, samt den darauf gedeihenden Pflanzen und Tieren. Diese vielleicht vielfältigste aller Arbeiten dreht sich um natürliche Lebensprozesse. Bei der guten Bodenbewirtschaftung geht es allein um Biologie, nicht um Ökonomie und nicht um Politik.

    Diese eigentliche, die Kern-Landwirtschaft (mehr dazu hier auf Infosperber), die vor der Systemrelevanz steht, ging in den vergangenen Jahrzehnten des forcierten Strukturwandels vergessen. Selbst das Bundesamt für Landwirtschaft sieht nur noch den grossen Mantel an industriellen und kommerziellen Verflechtungen und nennt es «Ernährungssystem». Den fruchtbaren Erdboden, der einst dem «primären Sektor» seinen Namen gab, hat es aus den Augen verloren. Entsprechend bestimmt im öffentlichen Denken der direkte Vergleich der diffusen Grösse «Landwirtschaft» mit klar abgrenzbaren industriellen und gewerblichen Wirtschaftszweigen die Wahrnehmungen. Dass aber die Vorstellung von jährlichem Wachstum und stetiger Rendite für den Boden und dessen Biologie nicht gilt, ist ein ‚inconvenient truth’, wie das Beinahe-US-Präsident Al Gore in Anspielung auf unser Umweltbewusstsein vor vierzehn Jahren filmisch ausdrückte
    (...)

     

  • Jens Berger: „Cancel Culture“ – Intoleranz im Namen der Toleranz

    Alte Filme und Serienfolgen werden aus den Archiven gelöscht, Statuen werden gestürzt, Referenten und Dozenten ausgeladen und in Medien und Wirtschaft werden Menschen entlassen, die als falsch empfundene Positionen vertreten, die die heilige Dreifaltigkeit von Gleichheit, Diversität und Inklusion verletzen. All dies wird heute unter dem englischen nur sehr schwer ins Deutsche zu übertragendem Begriff „Cancel Culture“ zusammengefasst. Befürworter sprechen von einem „Gerichtshof der öffentlichen Vernunft“, Gegner von der Herrschaft eines selbstgerechten Mobs, der vor allem über Shitstorms auf Twitter kommuniziert. Ziel der „Cancel Culture“ ist die systematische Boykottierung, Verbannung und Annullierung von Werken und Personen aus dem öffentlichen Leben. Eine Anti-Aufklärung, die Intoleranz im Namen der Toleranz pflegt, ein Volksgerichtshof der politischen Korrektheit. In den USA ist „Cancel Culture“ bereits allgegenwärtig und auch in Deutschland machen sich bedenkliche Tendenzen bemerkbar.

    Spätestens seit dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd wird der Kampf gegen den Rassismus in den USA als das grundlegende Prinzip ethischen Handelns verstanden. Dabei geht es natürlich vor allem um kulturelle und ideologische Fragen, die sich eher auf der abstrakten Ebene bewegen. Für sozioökonomische Ansätze ist da kein Raum. Es geht um schwarz und weiß und nicht um oben und unten, reich und arm. 
    (...)

    Vom Shitstorm verweht
    Gemäß dieser vereinfachten und falschen, da oberflächlichen, Herleitung, verschiebt sich natürlich auch das Bild des Anti-Rassismus. Da gilt es dann als anti-rassistische Großtat, den achtfach oscarprämierten Filmklassiker „Von Winde verweht“ aus dem Programm zu nehmen. Der Film sei „voller rassistischer Vorurteile“, so der US-Kabelfernsehanbieter HBO. Natürlich ist er das. Der Film ist im Jahre 1939 entstanden und damals waren die USA eine von rassistischen Vorurteilen geprägte Gesellschaft. Man darf nicht vergessen, dass das Land, das den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg mittels Re-Education den Rassismus austreiben und die Demokratie beibringen wollte, bis in die 1960er hinein selbst eine strenge Rassentrennung praktizierte, in der Afroamerikaner de facto kein Wahlrecht hatten. Diese Vergangenheit wird nicht dadurch besser, dass man Zeitdokumente dieser Ideologie verbannt und damit aus dem Bewusstsein tilgt.
    (...)

    Wer nicht im politischen korrekten Mainstream segelt, verliert seinen Job
    „Cancel Culture“ geht jedoch weit über das Löschen vermeintlich „böser“ historischer Dokumente hinaus. Man hat es auch auf das Löschen von „bösen“ Personen aus dem öffentlichen Leben abgesehen. Eine solch „böse“ Person ist beispielsweise der Autor und Journalist Ian Buruma. Der hatte es als Redakteur des New York Review of Books gewagt, ein Essay des damals wegen fünffacher sexueller Nötigung angeklagten kanadischen Talkshow-Hosts Jian Ghomeshi zu veröffentlichen. Die Hölle brach in Form eines Twitter-Shitstorms über Buruma und seinen Arbeitgeber los, der sich genötigt sah, Buruma fristlos zu entlassen – er habe entgegen der redaktionellen Praxis den Artikel im redaktionellen Prozess nur einem männlichen Redakteur vorgelegt.
    (...)
    Rassismus ist ein Tabu, Kriege vom Zaun brechen nicht
    Wie verlogen und heuchlerisch diese Entwicklung ist, zeigt die Personalie Bennett. Bennett trat als Meinungschef die Nachfolge von Andrew Rosenthal an, der das Amt für neun Jahre innehatte. Zuvor hatte Rosenthal als leitender Redakteur bei der New York Times die Berichte der Times-Reporterin Judith Miller verantwortet, die 2003 die gefälschten „Beweise“ für die angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins bei der Times veröffentlicht und damit den Irakkrieg der Bush-Regierung massiv herbeigeführt hatte. Gegen Kritik – wie sie beispielsweise seinerzeit von Seymour Hersh kam – nahm Rosenthal Miller offensiv in Schutz.

    Später musste selbst die Times eingestehen, dass sie Fake News gebracht hatte, der verantwortliche Redakteur Rosenthal wurde jedoch nicht entlassen, sondern befördert. Er hatte ja auch nichts politisch Unkorrektes geschrieben und Fake News, die einen Krieg auslösten, der hunderttausende Irakis tötete, haben offenbar auch nicht das Zeug, die selbstgerechte Twitter-Gemeinde zu interessieren.
    (...)
    „Cancel Culture“ hat nichts mit einem konstruktiven Dialog oder gar einer Debatte zu tun, bei der es um den Austausch von Argumenten geht. Ziel ist es vielmehr, mittels Diffamierung und persönlichen Attacken über sogenannte Shitstorms Menschen mundtot zu machen. Und hier schwebt vor allem die Bedrohung der materiellen Existenz im Raum. Nicht jeder hat wie J.K. Rowling den Luxus, wirtschaftlich unabhängig zu sein. Wer beispielsweise als normaler Redakteur erst mal „gecancelt“ wurde, hat es schwer, einen neuen Job zu bekommen. Hier wird „Cancel Culture“ in der Praxis zu einer Art „Berufsverbot“ für Andersdenkende. Doch so weit kommt es in der Regel ja nicht. Die latente Angst, Opfer eines Shitstorms des Twitter-Mobs zu werden, führt zu dem, was man „Schere im Kopf“ nennt. Wer beispielsweise kritisch zu den Black-Lives-Matter-Randalen steht oder tatsächlich die politisch unkorrekte Position vertritt, dass Transfrauen im biologischen Sinn keine „echten“ Frauen sind, sollte dies tunlichst verschweigen – zumindest dann, wenn er bei einem linken oder liberalen Medium arbeitet, denn paradoxerweise sind dies ja die einzigen Adressaten der „Cancel Culture“.

    Und spätestens hier wird es vollends absurd. Konservative und rechte Medien interessieren sich natürlich kaum für mögliche Shitstorms selbstgerechter, sich meist als links empfindender, Twitter-Empörter. Im Gegenteil. Während sich Stimmen links der Mitte durch die Schere im Kopf selbst intellektuell beschneiden, können Stimmen rechts der Mitte die Kritik aufgreifen und für sich nutzen. Etwas ganz Ähnliches beobachten wir ja in Deutschland, wo die Linke beispielsweise bei der Migrationsdebatte kritische Zwischentöne aus den eigenen Reihen am liebsten mundtot machen würde und damit das Feld der politischen Rechten überlässt, die diese Selbstzensur der Linken natürlich begrüßt.

    „Cancel Culture“ erreicht Deutschland
    „Cancel Culture“ ist zwar ein angloamerikanisches Phänomen, das jedoch auch in Deutschland bereits mehr und mehr um sich greift. Beispiele sind die Hörsaal-Proteste gegen den ehemaligen AfD-Politiker Bernd Lucke und die Verhinderung der Buchvorstellung des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maiziere. Auch die aufgeregte Debatte um den „Coburger Mohr“ und die hyperventilierende Universalkritik an jedem, der es auch nur wagt, in Sachen Corona von der größtmöglichen Panikmache abzuweichen, ist in diesem Kontext zu sehen. Auch in Deutschland hat sich eine Schar „Linksidentitärer“ zum Richter über Ethik und Moral ernannte, der über den Volksgerichtshof Twitter seine eigene ethisch-moralische Großartigkeit zelebriert und alles und jeden, der inhaltlich anderer Meinung ist, vernichten will.

    Ein Paradebeispiel für deutsche „Cancel Culture“ war auch die letzte Folge der eigentlich ja kritischen ZDF-Sendung „Die Anstalt“, in der u.a. Karl Marx und Hannah Arendt mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten als Rassisten dargestellt und metaphorisch als Denkmäler vom Sockel gestoßen werden sollten. Das ist verkürzte Schmähkritik, die gar nicht erst den Anspruch auf einen argumentativen Dialog hegt. Hier geht es um systematische Boykottierung, Verbannung und Annullierung – Gegenstimmen unerwünscht.

    Wie überzeugt man Andersdenkende? Indem man jeden, der in einem Punkt eine vermeintlich unkorrekte Position vertritt, aus dem öffentlichen Leben verbannen will? Indem man zusammen mit einem Mob dafür sorgt, dass er seinen Job verliert und sich niemand mehr mit ihm in der Öffentlichkeit sehen lassen will? Wie wäre es, wenn man stattdessen wieder anfängt, Debatten mit Argumenten auszutragen, dem Gegenüber zuhört und einen größtmöglichen Meinungskorridor in der Debatte akzeptiert? Aber das ist wohl zu viel verlangt, da in einem offenen Austausch der Argumente selten totalitäre Sichtweisen gewinnen. Gerade in Deutschland sollten wir vorsichtig sein. Schließlich gab es schon mal eine Bewegung, die unliebsame Gedanken und Argumente aus dem öffentlichen Raum tilgen wollte – sie nannte sich nicht „Cancel Culture“, sondern Bücherverbrennung. Es gibt jedoch auch Hoffnung. In den USA, dem Mutterland der „Cancel Culture“ haben nun 150 Intellektuelle, darunter unter anderem Noam Chomsky, J.K. Rowling und Salman Rushdie, einen offenen Brief gegen die „Cancel Culture“ verfasst – quittiert wurde dieser Aufruf zu einem Dialog durch einen weiteren Shitstorm des Twitter-Mobs, der bereits zwei Unterzeichner dazu zwang, ihre Unterschrift zurückziehen.

     

  • Bräutigam & Klinkhammer: Teil II des Gesprächs u.a. über Gebühren

    (...)
    Die Erhöhung des Rundfunkbeitrages ist beschlossene Sache. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

    Klinkhammer: Auf Vorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) haben die Ministerpräsidenten der Länder jetzt beschlossen, den Rundfunkbeitrag ab 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro zu erhöhen. Das ist ein Aufschlag von immerhin 5 Prozent. Er passt einfach nicht in eine Zeit, in der die schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise noch gar nicht abzusehen sind.
    In meinen Augen ist die Erhöhung illegitim.
    Warum?
    Klinkhammer: Weil die Bedürfnisse, Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Erfahrungen eines großen Teils der Bevölkerung in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weder bedacht noch widerspiegelt werden.
    Wie meinen Sie das?
    Klinkhammer: Wir erfahren in den Nachrichtensendungen so gut wie nichts über die Situation von ausgepowerten und drangsalierten Arbeitnehmern, über die steigende Armut in unserem Land, über die Wohnungsnot und unverschämte Mietsteigerungen oder über das Problem und die Folgen ungenügender Renten. Stattdessen werden wir abgefüllt mit den immer gleichen Storys über Polittypen wie Donald Trump, über ermüdende Scheinauseinandersetzungen im Bundestag, über das Wohl und Wehe der Wirtschaft aus der Sicht von “denen da oben” und über Unglücksfälle in aller Welt. Das Interesse der arbeitenden Menschen steht jedenfalls nicht im Mittelpunkt der Nachrichten. Sie bilden die Mehrheit des Publikums, aber den Sendungen merkt man das nicht an.
    Gibt es weitere Kritikpunkte von Ihnen?
    Klinkhammer: Generell: Die Höhe des Rundfunkbeitrages wird von den Ministerpräsidenten vorentschieden und von deren Länderparlamenten nachvollzogen. Das verursacht und garantiert die immer wieder bestrittene Staatsnähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Regierungshörigkeit. Die Intendanten der Sender und die Hausherren der Staatskanzleien wissen verdammt genau, was sie aneinander haben. Das Verfahren der Beitragsermittlung und -festlegung ist alles andere als sachgerecht, es ist ganz und gar nicht demokratisch sauber. Es erzeugt Abhängigkeiten, statt Unabhängigkeit zu gewährleisten.
    Ein weiterer Nachteil: Die Erhöhung wird zur Folge haben, dass sich am Verwaltungsstil der Anstalten und ihrem Finanzgebaren kaum etwas positiv verändert. Das Spitzenmanagement versorgt sich erst einmal selbst, und zwar mit Prachtgehältern und -versorgungsansprüchen.
    Wie hoch sind die Gehälter?
    Klinkhammer: Der WDR-Intendant Thomas Buhrow bekommt beispielweise eine Grundvergütung von 400 000 Euro pro Jahr und die Zusicherung einer Altersversorgung in üppiger Höhe, während Kanzlerin Angela Merkel sich mit rund 250 000 Euro Gehalt und Diäten zufriedengibt. Die meisten Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden besser besoldet als der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin.
    Auch die Unterhäuptlinge, Abteilungsleiter und leitenden Redakteure werden gut bedient. Ich rede hier von gravierenden Missverhältnissen: Fürs journalistische und sonstige Fußvolk sowie die vielen Mitarbeiter ohne festen Vertrag bleibt es bei häufig rigider Ausbeutung, oft im Rahmen nur befristeter Arbeitsverträge.
    Darüber hinaus: Es wird weiterhin nicht ernsthaft diskutiert, ob es überhaupt vertretbar ist, für bestimmte Sport-Übertragungsrechte so gigantische Geldsummen hinzublättern wie bisher oder Irrsinnshonorare für die zumeist reichlich billigen Talkshows zu zahlen. Wieder wird keiner fragen, ob es überhaupt gerechtfertigt und akzeptabel ist, auf so vielen Hochzeiten zugleich zu tanzen: Da wird mit 18 Fernseh- und 67 Hörfunkprogrammen Vielfalt vorgegaukelt, obwohl die Sendeinhalte doch weitgehend austauschbar sind. Quantität garantiert aber nun mal keine inhaltliche Qualität.

     

  • Bräutigam & Klinkhammer: Wie berichtet die Tagesschau über China? 

    (...)

    Wie ist denn die Berichterstattung, wenn es um die Taiwan-Problematik geht?

    Bräutigam: Auch da sind Einseitigkeit und Voreingenommenheit erkennbar. Sie gerät zwar nicht oft ins Blickfeld, aber stets heißt es dann, Taiwan werde vom Festland „bedroht“.

    Aber dem ist nicht so?
    Bräutigam: Schauen wir einmal selbst und genauer hin: Taiwan, nur 110 Kilometer vor dem chinesischen Festland gelegen, wirkt wie ein 350 Kilometer langer US-amerikanischer Flugzeugträger. Die Insel ist ein waffenstarrender Militärstützpunkt. Taiwan verfügt über eine Armee von mehr als doppelter Stärke wie die Bundeswehr, hochgerüstet mit modernstem Gerät. Taiwan ist die wichtigste Basis für einen satellitengestützten Raketenschirm, den die USA von Alaska aus über Japan durch den gesamten Westpazifik bis hinunter nach Australien aufgestellt haben. Taiwan ist ein äußerst schlagkräftiger Posten im Arsenal der hochaggressiven US-Politik gegenüber China. Davon hören wir allerdings nichts, davon wissen wir nichts.

    Dass sich die riesig erscheinende Volksrepublik China gegenüber dem vermeintlichen Winzling Taiwan zu äußerster Wachsamkeit genötigt sieht, übersteigt daher unsere Vorstellungskraft. Weil wir mit den faktischen Details dieser Gesamtlage nie vertraut gemacht worden sind. Dabei liegt die Inselrepublik Taiwan auch noch erheblich näher vor dem chinesischen Festland als beispielsweise das sozialistische Kuba vor den USA. Hypothetische Frage: Wie verhielte sich Washington wohl, wenn die Volksrepublik China die den USA vergleichbar dicht vorgelagerten Bahamas als Faustpfand besäße, dort eine Armee mit mehr als einer halben Million Soldaten unter Waffen hielte und einen Raketenschirm gegen die Vereinigten Staaten installierte?

    Die Selbstverständlichkeit, dass die politischen Interessen der Regierung in Beijing ebenso viel Berechtigung und Legitimität haben wie die der „Machthaber“ in Washington oder in Berlin, suchen Sie in den Ergüssen des Spiegel-Magazins vergeblich. So auch in den Nachrichten der ARD-aktuell.

    Ich habe das Defizit hier hervorzuheben versucht, indem ich mich der gleichen sprachlichen Vergewaltigung schuldig machte, die wir aus den Tagesschau-Nachrichten kennen. „Machthaber Assad“, Sie wissen schon …

    Die Hauptmasse der Informationen über die Volksrepublik China wird von den westlichen Nachrichtenagenturen geliefert und von unseren Leit- und Konzernmedien ohne Zutaten verbraten. Es fehlt an ergänzenden und korrigierenden Informationen aus eigenen Quellen, von qualifizierten Korrespondenten. Die ARD-aktuell verfügt heute leider nicht mehr über journalistische Notabeln wie Hans Wilhelm Vahlefeld, Robert Hetkämper oder Lutz Mahlerwein in Hongkong und Beijing oder wie Fritz Pleitgen, Lutz Lehmann und Gabriele Krone-Schmalz in Moskau. 

     

  • Christian Baron: Tierschutz - Wo bleibt der Aufschrei?
    (...)
    Inmitten dieser Zustände meldete tagesschau.de, der Bundesrat habe „nach jahrelangem Ringen“ neuen Regeln für die Haltung von Sauen zugestimmt. Die erwähnten „Kastenstände“ werden demnach verboten – nach einer „Übergangszeit von acht Jahren“. Die Meldung ist überschrieben mit „Mehr Tierschutz im Schweinestall“, was sich freilich liest wie frisch aus der PR-Abteilung des Landwirtschaftsministeriums. Denn die Konsequenzen für die betroffenen Tiere lassen diese Maßnahme für „mehr Tierschutz“ als das erscheinen, was sie ist: ein fauler Kompromiss, der das strukturelle Problem auch über die acht weiteren Jahre des legalen Quälens fortbestehen lässt.
    2019 haben deutsche Schlachtbetriebe 55 Millionen Schweine getötet, oft auf bestialische Weise. Eine Gesellschaft, die so etwas auf Dauer zulässt, macht es sich zu einfach, Kritik und Spott auf Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner abzuladen. Dass Tierwohl ihr völlig wurscht ist, hat Klöckner oft genug bewiesen. Zuletzt etwa, als sie 2018 die Frist bis zum Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration auf Ende 2020 verlängerte. Und dass dieser Akt unvorstellbarer Gewalt ab kommendem Jahr wirklich überall nicht mehr vorkommt, ist bestenfalls ein Wunschtraum.

    Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch von Massentierhaltung schweigen
    Es geht schon lange nicht mehr allein darum, die Öffentlichkeit über die grausamen Haltungsbedingungen der Tiere aufzuklären. Inzwischen dürften die sattsam bekannt sein. Es braucht vielmehr ein Bewusstsein für Tierleid, also eine Verdrängung der Verdrängung. Wir dürfen nicht länger so tun, als handele es sich bei den Schmerzensschreien von Tieren um das Knarzen von Maschinen. Schweine sind soziale, leidfähige und sensible Wesen, denen ein Grundrecht auf ein schmerzfreies und artgerechtes Leben zusteht. Es gibt keinen ethisch vertretbaren Grund, ausgerechnet den zum Schlachten gezüchteten Tieren dieses Grundrecht zu verwehren.
    (...)

    Bei allen Fragen des Tierschutzes geht es also auch um die Frage nach Eigentum und Einkommensverteilung. Wer die Massentierhaltung beenden will, muss in einem Atemzug fordern, dass der Mindestlohn erheblich steigt und das Massendemütigungsinstrument namens Hartz IV endlich durch eine menschenwürdige Mindestsicherung ohne Lohnarbeitszwang ersetzt wird. Im besten Fall wäre es sogar eine Möglichkeit, die vielen Konzepte der Wirtschaftsdemokratie gleich mal in der Fleischindustrie zu testen. Für Mensch und Tier könnte es in die beste aller Welten führen, denn letztlich liegen ihre Interessen enger beisammen, als gemeinhin angenommen. Oder in den Worten des Fußballtrainers Dettmar Cramer formuliert: „Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“

     

  • Jens Berger: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr soll weichen

    Zu Beginn des Sommerlochs treibt die neu entflammte Rassismusdebatte seltsame Blüten. Selbsternannte Anti-Rassisten haben jetzt ihren gerechten Zorn auf das „M-Wort“ fokussiert. Der Mohr soll weichen – Straßen- und Apothekennamen, Stadtwappen und sogar Kanaldeckel, die teils seit Jahrhunderten den Mohren im Namen tragen oder abbilden, werden nun als rassistisch empfunden und passen offenbar nicht mehr in unsere ach so aufgeklärte Zeit. Die Berliner Verkehrsbetriebe sahen sich bereits genötigt, eine U-Bahn-Station umzubenennen und in Coburg tobt ein erbitterter Streit um den Schutzpatron der Stadt, den „Coburger Mohr“. Die Enkel der Nazis schaffen es womöglich sogar, woran ihre Groß- und Urgroßmütter und -väter gescheitert sind – den Mohren in Wort und Bild aus dem Stadtbild zu vertreiben. Gerade so, als würde unsere Gesellschaft und unsere Geschichte besser, wenn wir alle paar Jahre Straßennamen ändern und Denkmäler entfernen, anstatt aus der Geschichte zu lernen und Dinge, die nicht stromlinienförmig unserer Gesinnung entsprechen, als Stolpersteine zu begreifen, die zum Nachdenken anregen können. 

    Um den „Mohrenstreit“ besser einordnen zu können, ist leider ein kurzer geschichtlicher Exkurs notwendig. Der deutsche Begriff „Mohr“ tauchte erstmals in seiner althochdeutschen Form im 8. Jahrhundert auf und stellt eine Ableitung des lateinischen Begriffes „Maurus“ dar, der seinerseits als Ableitung des altgriechischen Begriffs „Mauros“ (deutsch: dunkel) als Adjektiv für die nordwestafrikanische römische Provinz „Mauretania“ verwendet wurde und heute korrekterweise mit „maurisch“ übersetzt werden müsste, damals aber – sicher vor allem aufgrund nur rudimentärer geografischer Kenntnisse – auch als Synonym für den Begriff „afrikanisch“ verwendet wurde. Im späten Mittelalter wurde aus dem „Mohren“ im Deutschen ein Synonym für die dunkelhäutigen Bewohner des afrikanischen Kontinents. Verantwortlich dafür war vor allem eine Legende und der christliche Brauch der Heiligenverehrung. Es geht um den heiligen Mauritius, dessen Name sich auf eben jene Wortherkunft begründet. Im Deutschen wurde aus dem lateinischen Mauritius bzw. Maurus der heute noch verbreitete Name Moritz, der in den vorigen Jahrhunderten oft in der Alltagssprache auch schlicht mit „Mohr“ verkürzt wurde.

    Mauritius war, so will es die Legende, ein in der damals zum römischen Reich gehörenden ägyptischen Provinz Theben geborener römischer General, der mit seiner thebaischen Legion fern der Heimat im Namen des Kaisers in der heutigen Schweiz zur Niederschlagung von Aufständen eingesetzt wurde. Da der Christ Mauritius es jedoch ablehnte, Christen zu töten und den römischen Kaiser als Gott anzubeten, wurde er als Märtyrer im Jahre 290 hingerichtet, am Fuß des Großen St. Bernhard im Wallis begraben und von den ersten Walliser Bischöfen als Symbol für Mut, Charakterstärke und Tugendhaftigkeit für ihre Missionierungstätigkeit instrumentalisiert. Was daran Legende und was überlieferte Geschichte ist, ist unklar. Klar ist jedoch, dass der Afrikaner, der gemäß seiner biographischen Daten wohl eher ein hellhäutiger Ägypter war, seitdem vor allem in der Schweiz und später im Süden Deutschlands als Schutzheiliger und später als Ritter-Heiliger verehrt wurde. Letzteres ist vor allem dem ersten römisch-deutschen Kaiser Otto I. zu verdanken, der seinen Sieg über die Ungarn in der Schlacht am Lechfeld, die – wie man damals sagte – die deutschen Stämme vereinte, auf die göttliche Hilfe des heiligen Mauritius zurückführte und ihm später sogar seinen wichtigsten Kirchenbau, den Magdeburger Dom, weihen ließ. In der Folge wurde der Afrikaner Mauritius so unter den Ottonen und Stauferkaisern zu einem verehrten Reichsheiligen und zum vom Hochadel bevorzugten Kriegerheiligen, dessen Name und Abbildung sich in unzähligen Familien- und Stadtwappen wiederfinden – meist in einer zugegebenermaßen stereotypen Form, hatten die deutschen Heraldiker und Maler des Hochmittelalters doch nur eine sehr grobe Ahnung davon, wie ein Afrikaner eigentlich aussieht.

    Zu suggerieren, diese mittelalterlichen Darstellungen seien rassistisch, ist jedoch grotesk. Es war vielmehr so, dass der „Mohr“ Mauritius wegen der ihm zugeschriebenen Tugendhaftigkeit von Hochadel und Kirche verehrt wurde und Name und Bildnisse ausnahmslos in einem positiven Kontext standen. Ein Heiliger, nach dem zahlreiche Städte (u.a. Saint Maurice im Wallis und St. Moritz im Engadin), Klöster und Kirchen benannt wurden und dessen Abbild in die Wappen von Städten und Adelsgeschlechtern aufgenommen wurde, sollte damit jedoch ganz sicher nicht aufgrund seiner Herkunft oder Rasse herabgesetzt werden. Interessant ist in diesem Kontext, dass Mauritius in späteren Zeiten in Kunst und Heraldik oft hellhäutig dargestellt wurde. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass die früheren Darstellungen mit afrikanischen Stereotypen ganz sicher keine Herabsetzung, sondern vielmehr eine Würdigung dunkelhäutiger Menschen waren.

    Womit wir den Exkurs beenden und zum Coburger „Mohrenstreit“ kommen können. Der „Coburger Mohr“, der Schutzpatron der Stadt, ist eben jener heilige Mauritius, der im Wappen der Stadt und im Stadtbild auf zahlreichen Wappen, Häusern und seit langer Zeit auch auf den traditionellen Kanaldeckeln verewigt ist. Dies stellt nun für eine Berlinerin eine „Diskriminierung, Traumatisierung und Erniedrigung“ von „schwarzen Menschen“ dar. Daher startete sie mit einer Freundin eine Petition, um den Mohren aus dem Stadtwappen zu verbannen. Was als Posse hätte enden müssen, hat sich – dank der neu entflammten Rassismusdebatte in Folge des Mordes an dem Afroamerikaner George Floyd – zum heiß debattierten Feuilleton-Thema im Sommerloch entwickelt.

    Dies ist einfach grotesk. Hätte die Stadt stattdessen den weißen Ritterheiligen St. Georg als Schutzpatron, wäre dies – gemäß der Logik der selbsternannten Anti-Rassisten – kein Problem. Der schwarze Heilige soll jedoch weichen; nicht weil er weniger tugendhaft als der heilige Georg war, sondern wegen seiner Hautfarbe. Genau das ist Rassismus! Wer eine Person aufgrund äußerlicher Merkmale – die eine bestimmte Abstammung vermuten lassen – kategorisiert und behandelt, ist per Definition ein Rassist, auch wenn er vorgibt, es doch eigentlich gut zu meinen.

    ls traurige Fußnote der Geschichte sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die beiden Petitionsschreiberinnen mit ihrem Werk genau das erreichen könnten, was zuletzt die Nazis versucht haben. Das Coburger Rathaus war das erste deutsche Rathaus, an dem bereits 1931 die Hakenkreuzfahnen gehisst wurden und 1934 musste auch der Mohr aus dem Stadtwappen weichen – er wurde durch einen SA-Dolch mit Hakenkreuz im Knauf in einem von Schwarz und Gold gespaltenen Schild ersetzt. Nur für den Austausch der historischen Kanaldeckel fehlte den Nazis dann zum Glück die Zeit. Wahrscheinlich werden sie nun in ihren Gräbern lachen, dass ausgerechnet selbsternannte Anti-Rassisten ihr Werk fortsetzen.
    (Hier weiterlesen)

     

  • Hermann Ploppa: Das Ende der Politik
    Der Umgang mit der Corona-Pandemie zeigt eindeutig: die Richtlinien der Politik bestimmen nicht mehr die Politiker, sondern nicht legitimierte Privatleute
    (...) 

    „Der Deutsche Bundestag könnte darauf verzichten, die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufzuheben. Das Parlament ist jedoch nach §5 Absatz 1 Satz 2 IfSG verpflichtet, die Feststellung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.“

    Das ist aber etwas, das ums pure Verrecken nicht stattfinden darf. Der Maskenball muss weitergehen, auch wenn keine todbringende Pest festzustellen ist. (...) Auch die Linkspartei einschließlich Sahra Wagenknecht hat am Corona-Regime der Bundesregierung nichts Grundsätzliches zu kritisieren. Aber bitte, für die Sozialhilfeempfänger eine Corona-Sonderhilfe von 200 Euro! Ein paar Brosamen vom Tische der wohlgenährten Herrenmenschen dürfen doch wohl untertänigst sein? 

    Finden sich grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenkenträger in den Reihen der Oppositionsparteien? ... Kein kritisches Wort von den Politikern, anscheinend nicht einmal hinter vorgehaltener Hand.

    Das sind wahrlich undemokratische Zustände. Wir werden Zeugen einer Umwandlung unserer Gesellschaft. Hier regiert nicht mehr das Prinzip des Government. Soll heißen: die Bevölkerung wählt sich eine politische Elite, die für eine Wahlperiode den Mehrheitswillen umsetzen soll. Wir leben jetzt in einem System der Governance. Das heißt: die demokratisch gewählten Politiker sitzen an runden Tischen mit Vertretern der Konzerne, der Wissenschaft und der Medien, um für alle „Stakeholder“ das Optimum herauszuholen. Wäre ja schön, wenn wenigstens die Politiker am runden Tisch noch die Interessen des Mehrheitswillens, der Volonté Générale, herausholen würden. Doch nicht einmal das ist mehr der Fall. Denn heutzutage sind die führenden Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien rekrutiert und ausgebildet von elitären Insidergruppen wie Atlantikbrücke, Trilateraler Kommission, Bilderberger, Council on Foreign Relations oder World Economic Forum. Die Ausbildung der Politiker sowie die Richtlinien der Politik übernehmen steuerbefreite Stiftungen wie Bertelsmann oder German Marshall Fund of the US, und viele andere Stiftungen. Das Weltbild dieser Kaderschmieden der superreichen Oligarchen haben unsere Politiker als Muttermilch eingesogen.

    Auf den unteren Ebenen stecken die Bundeszentrale für Politische Bildung, die private Antonio Amadeu Stiftung oder auch die Online-Enzyklopädie Wikipedia ab, in welchem Rahmen sich der politische Diskurs bewegen darf. Und definiert glasklar, was sich außerhalb des erlaubten Pro und Contra einer politisch korrekten Debatte befindet. Da erfährt man, dass jede Kritik an Banken und anderen privaten Finanzinstrumenten a priori antisemitisch ist, weil ja in den Vorständen der Banken „fast immer“ auch Juden sitzen. Wie rassistisch eine solche krude Antisemitismus-Unterstellung ist, fällt deren Erfindern gar nicht mehr auf. Der angehende Lehrer erfährt in Fortbildungen, dass man Autoren wie Hermann Ploppa nicht lesen darf, weil Ploppa im verschwörungstheoretischen Portal KenFM publiziert. Als weiterführende Information wird den Nachwuchspädagogen das Online-Portal Psiram dringend empfohlen. Nun hat man ja, zumindest in früheren Zeiten, gelernt, dass eine Quelle nur seriös und zitierfähig ist, wenn deren Verfasser klar ausgewiesen ist und das Quellenportal Auskunft gibt, wer ihr Betreiber ist. Also über ein Impressum verfügt. Das ist aber bei Psiram nicht der Fall. Dieses Hass- und Diffamierungsportal entzieht sich der juristischen Verfolgbarkeit durch Anonymität. Schon bemerkenswert, auf welch tiefes Niveau die Lehrerfortbildung heutzutage heruntergerutscht ist. 

    Nur ein kleines Schlaglicht. Denn die politische Fortbildung sollte eigentlich von neutralen öffentlich kontrollierten Instanzen durchgeführt werden und nicht von privaten Stiftungen, die die Weltsicht der superreichen Eliten abbildet. Wir haben es hier mit einer Privatisierung politischer Bildung zu tun. Diese Infiltration öffentlicher Instanzen durch private, unkontrollierte Stiftungen zieht sich durch alle politischen Vorgänge. Es ist längst Vergangenheit, dass Vertreter der Wirtschaft sich in der Parlamentslobby, also dem zugigen Foyer der politischen Gebäude, den Allerwertesten absitzen müssen, um einen Gesprächstermin bei Parlamentariern oder Regierungsmitarbeitern absolvieren zu dürfen. Längst sitzen die Vertreter der Banken, der Versicherungswirtschaft oder der Industrie mitten in den Ministerien, nach wie vor bezahlt von ihren privaten Arbeitgebern, und schreiben Gesetze, die dann unhinterfragt eins zu eins durch die Parlamente gewunken werden <4>. Immer wieder werden Einzelfälle skandalisiert, nur zu dem Zweck, sie als Einzelfälle erscheinen zu lassen, und nicht als das was sie sind: Symptome einer systemischen Revolution zugunsten privater Interessen. 

    Möglich wurden diese ungeheuerlichen Machtverschiebungen durch Änderungen in der Steuerpolitik. Immer mehr Lücken tun sich auf, durch die Steuereinnahmen der Solidargemeinschaft entzogen und auf Steueroasen transferiert werden. Gesetzesänderungen sorgen dafür, dass private Stiftungen als Mittel der Steuerflucht immer attraktiver werden. Nunmehr können private Stiftungsherren in feudaler Willkür darüber bestimmen, wofür das steuerflüchtige Geld ausgegeben wird – anstatt dass die Solidargemeinschaft der Steuerzahler in demokratischer Abstimmung darüber entscheidet, wofür das von ihr generierte Geld ausgegeben wird. Ein Verlust an Demokratie. Ein Verlust an Lebensqualität für die 99 Prozent.

    (...)
    Die authentischen oppositionellen Gruppierungen wie u.a. NichtOhneUns werden gepiesakt von einer extrem schikanösen Polizei; von terroristischen Bedrohungen durch die so genannte Antifa. In letzter Zeit kommt eine neue potente Waffe bundesweit zum Einsatz: immer genau zu der Zeit, wenn Corona-kritische Bürgergruppen es wagen, irgendwo ganz artig eine Kundgebung abzuhalten, findet – rein zufällig, versteht sich – im selben Ort eine Kundgebung von DGB, Linkspartei und/oder DKP zu durchaus vernünftigen Themen statt. Da wird gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens demonstriert oder gegen zu hohe Mieten. Alles Sachen, wo jeder vernünftige Mensch mitmachen würde. Aber ein vernünftiges Anliegen immer gerade dann zum Vortrag zu bringen, wenn damit Menschen und Ressourcen von einem anderen ganz wichtigen und zentralen Anliegen wie dem grenzenlosen Elend des Corona-Regimes abgesogen werden – das stinkt zum Himmel. 

    Dass bei der Linkspartei schon lange ein steifer Westwind weht, ist unverkennbar. Da wurde die Quertänzerin Sahra Wagenknecht trotz traumhafter Demoskopiewerte von ihren Rivalinnen in der Linkspartei weggebissen. Dass dann zum Jahresempfang der Linkspartei Trumps Deutschland-Botschafter für das Grobe, Richard Grenell, als Ehrengast erscheint, spricht Bände, wo die Linkspartei mittlerweile zu verorten ist.

    Das ist alles schrecklich, und es kostet uns viel Kraft. Aber dass die Oligarchen-Fraktion uns ein solches Alleinstellungsmerkmal der Fundamentalkritik zuschanzt, wird uns stark machen. Denn die Lemmingspolitik der Corona-Regime-Einheitsfront wird auf die Dauer nicht durchzuhalten sein. Und dann müssen wir neue Wege aufzeigen. Dazu sind wir verurteilt. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Wirklich.

     

  • Caitlin Johnstone: Redefreiheit und Eier aus Freilandhaltung – Beides gleichermaßen nicht existent

    Die USA sind so autoritär und intolerant gegenüber Andersdenkenden wie jede andere 08/15-Diktatur auch. Im Allgemeinen lautet das Programm, den Dissens auf eine subtilere, raffiniertere Art zu unterdrücken – gestützt auf Mainstream-Medien mit Gruppenzwang zum Konformismus.
    (...)
    Die Hetze gegen Julian Assange ist ein leicht durchschaubarer Holzhammer-Versuch der US-Regierung, das Veröffentlichen jener Informationslecks, die das US-zentrierte Reich in Verlegenheit bringen könnten, weltweit möglichst zu kriminalisieren. Damit soll eine feste Grenze gezogen werden, welche die Journalisten in aller Welt künftig niemals überschreiten dürfen.

    Dies ist die Form des pervertierten totalitären oligarchischen Imperiums, in der es seine tyrannische Form am unverschämtesten zur Schau stellt. Die Verhaftung von Assange war der Teil des Filmplots, in dem der Bösewicht endlich sein wahres Gesicht enthüllt – die Fratze eines Ungeheuers, das er im Grunde schon immer gewesen war. An dieser Stelle wird jedem, der darauf achtet, klar: Das Bündnis der Herrschenden in den USA ist genauso autoritär und intolerant gegenüber jedem echten Dissens wie jeder andere 08/15-Diktator, wie er in einer typischen Bananenrepublik während des Kalten Krieges vorzufinden war.
    (...)
    Allerdings ist dies die seltenste Form der imperialen Zensur. Jene die menschliche Zivilisation beherrschenden Machtgefüge ziehen es normalerweise vor, die Zensur nach Möglichkeit im Verborgenen auszuüben – ganz nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn". 
    (...)
    Dies ist ein perfektes Beispiel für die Tyrannei in Samthandschuhen, die den größten Teil der Unterdrückung der Redefreiheit in ihrem heutigen Reich ausmacht. Es gibt keinerlei Gesetz, das die Veröffentlichung von Matés preisgekrönter journalistischer Arbeit zum Thema des als "Russiagate" bekannten Einsatzes von Massenvernichtungswaffen der psychologischen Kriegsführung verbieten würde. Niemand, der ein solches Buch veröffentlichen würde oder veröffentlicht hat, dürfte wie Julian Assange mit Folter und einer 170-jährigen Gefängnisstrafe rechnen müssen. Und dennoch bleibt die Redefreiheit eingeschränkt. Bedeutende Verleger werden das Werk von Maté nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Man wird ihn nicht als Gastredner auf Sendern wie MSNBC oder CNN sehen. Nicht etwa, weil diesen Sendern verboten wurde, ihn einzuladen, sondern weil sie es selber nicht wollen.

    Wie die ehemalige MSNBC-Moderatorin Krystal Ball im vergangenen Jahr erklärte, wurde von oben eine Haltung der Konformität durchgesetzt – einfach um sicherzustellen, dass diejenigen, die an die Spitze der einflussreichsten Plattformen aufsteigen, sich auch an die Linie des Establishments zu halten wissen, ohne dass jemand es ihnen ständig befiehlt. Es werden Absolventen derselben die Konformität fördernden Universitäten eingestellt – und zwar von Führungskräften, die ihrerseits von diese Medien besitzenden Plutokraten auf der Grundlage ihrer Bereitschaft ausgewählt wurden, den Status quo zu schützen, auf dem ihre räuberischen Königreiche aufgebaut sind. Und nur diejenigen, die nach den Regeln dieses Systems spielen, steigen jemals in Positionen auf, aus welchen sie größeren Einfluss üben können.

    Ich erinnere mich an ein berühmtes, umstrittenes Interview von Noam Chomsky mit dem britischen Journalisten Andrew Marr: In diesem verhöhnte Chomsky das falsche Bild, das die Mainstream-Journalisten von sich selbst haben, nämlich das Selbstbild "des Kreuzritters von Beruf, streitbar nach dem Motto 'wir gegen die Macht'".

    Er gab zu bedenken, es sei für einen guten Journalisten fast unmöglich, dieses Ideal in den Massenmedien auf irgendeine sinnvolle Weise zu leben. Marr setzte an, Einspruch zu erheben: "Wie wollen Sie wissen, dass ich mich selbst zensiere? Wie wollen Sie wissen, dass Journalisten..." Chomsky entgegnete:

    Ich will gar nicht sagen, dass Sie sich selbst zensieren. Ich bin mir sicher, dass Sie alles glauben, was Sie sagen. Aber was ich sagen will: Sie würden nicht da sitzen, wo Sie jetzt sitzen, wenn Sie etwas Anderes glauben würden.
    (...)
    Wussten Sie, dass (je nach Land) sogenannte "Eier aus Freilandhaltung" oft alles sind, bloß keine Eier aus Freilandhaltung? In den USA zum Beispiel müssen Hühner nur "Zugang zum Freiland" haben, damit sie als "in Freilandhaltung lebend" gelten können. In der Praxis bedeutet dies, dass Tausende von Vögeln in winzige, unhygienische Ställe mit mehreren Plattformen zusammengepfercht werden. Diese sind so konstruiert, dass sie möglichst viele Tiere aufnehmen können, wobei aber am anderen Ende des Stalls eine winzige offene Tür zu einem kleinen Verandabereich führt, zu der die allermeisten Hühner nicht einmal den Weg finden.

    Das USDA, das US-Landwirtschaftsministerium, stellt keine Anforderungen, dass die Hühner tatsächlich jemals nach draußen finden, oder auch nur, wie dieses "draußen" technisch auszusehen hat. Somit erhält man in der Praxis einen Haufen Hennen "aus Freilandhaltung", die sich nie auch nur in die Nähe dieser Tür wagen konnten – und auch gar keinen Grund hatten, dies auch nur zu versuchen.

    Genauso sieht die viel gepriesene "Redefreiheit" der westlichen Welt in der Praxis aus, wenn es um Plattformen mit großem Einfluss geht. Technisch gesehen stehen der New York Times oder CNN Tür und Tor offen, Stimmen zu erheben, die dem offiziellen Bild ihres Reiches zu Vorgängen in der Welt widersprechen. Aber sie entscheiden sich dagegen – weil das System so entworfen wurde, dass es sie davon abhält, dies zu tun.
    (...) 

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