Lesefrüchte

Juni 2023

 

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Lesefrüchte im vergangenen Monat
Helga Baumgarten: 75 Jahre Nakba – 75 Jahre palästinensische Katastrophe von 1948 
Thomas Röper:
Wie Geopolitik funktioniert

Helmut Scheben:
So verlor ich den Glauben an die etablierten Medien
Dagmar Henn: Es wird Nacht über Deutschland
David Boos:
Gespräch mit Fritz Vahrenholt: „Es gehört heute zur woken Position ...

 


 

Helga Baumgarten: 75 Jahre Nakba – 75 Jahre palästinensische Katastrophe von 1948 
Palästinenser fordern: Wir wollen unsere Freiheit, und wir wollen sie JETZT

Überall in Europa, ja praktisch überall im Westen, nimmt man zuerst und vor allem Israel wahr. Israels 75jähriges Bestehen wird groß gefeiert. Viele drücken ihre wahre Begeisterung für diesen Staat aus und bekunden ihm ihre ungebrochene Solidarität. Deutschland zeichnet sich dabei besonders aus. Die Palästinenser vergisst man dagegen fast immer. Man übersieht sie gerne, weil sie die ausgezeichneten Beziehungen zu Israel nur stören würden.

Was aber ist diese Nakba, die palästinensische Katastrophe von 1948?

In den Worten von Constantin Zurayk, der schon im August 1948 sein wichtiges kleines Büchlein, Die Bedeutung der Katastrophe, veröffentlichte, konstituiert die Proklamation des Staates Israel auf dem Land des historischen Palästina „eine Katastrophe (Nakba) im vollsten Sinne des Wortes“. Was man den Palästinensern 1948 angetan hat, indem man ihnen ihr Land weggenommen und es Zuwanderern und Siedlern gegeben hat, damit diese dort ihren eigenen Staat errichten, das ist die Katastrophe. In anderen Worten, die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes für die Palästinenser und ihre Vertreibung machen die Katastrophe aus.

Es ging also zum einen um die
Vertreibung von 750.000 von insgesamt 900.000 palästinensischen Bewohnern im 1948 geschaffenen Staat Israel durch die Armee und nicht zuletzt durch eine ganze Serie brutalster Massaker. Über 500 Dörfer wurden zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Fast alle Palästinenser wurden aus den wichtigen Küstenstädten Jaffa, Haifa und Akka vertrieben. Nach Beendigung der Gewalt und dem Beginn des Waffenstillstandes verhinderte der neue israelische Staat systematisch die Rückkehr der Vertriebenen und Flüchtlinge. 

Zum anderen wurde 
die Schaffung eines palästinensischen Staates verhindert. Stattdessen expandierte Israel im Vergleich zum Teilungsplan, Jordanien schließlich annektierte Westjordanland und Ost-Jerusalem. 

Schon Maxime Rodinson (1967 und 1969/73) konzeptualisierte die Nakba und ihre Folgen durch seine Analyse des Staates Israel, der für ihn Siedlerkolonialismus konstitutierte.

Entscheidend, so schließlich die Analyse von Patrick Wolfe in seinem immens wichtigen Artikel im Journal of Genocide Research 2006: „Settler Colonialism and the elimination of the native“, ist die Nakba als Ergebnis des israelischen Siedlerkolonialismus kein einmaliges historisches Ereignis, keine einmalige Katastrophe. Sie bildet vielmehr eine Struktur und einen Prozess, der bis heute andauert.

Das macht einen Sprung ins Jahr 2023 nötig
Masafer Yatta im Süden des Westjordanlandes,  Scheich Jarrah und Silwan in Jerusalem, zahllose palästinensische Dörfer und Weiler im Jordantal und derzeit vor allem Jenin und Nablus im Norden der Westbank …. eine lange Liste mit Orten, an denen bis heute Gewalt gegen Palästinenser ausgeübt wird und die Menschen aus ihren Häusern und Wohnorten vertrieben werden. Wir müssen deshalb die Nakba (die Katastrophe für die Palästinenser) als ununterbrochenen Prozess sehen und sie entsprechend analysieren, um sie überhaupt annähernd verstehen zu können. Wir müssen also eine Linie ziehen vom Massaker in Deir Yassin (1948) bis zur israelischen Gewalt in Scheich Jarrah heute. Und um Patrick Wolfes Analyse zum Siedlerkolonialismus zu wiederholen, so ist Siedlerkolonialismus kein einmaliges Ereignis, sei es aus dem Jahre 1948 oder dem Jahre  1967 (dem Juni-Krieg Israels gegen die arabischen Staaten und gegen die Palästinenser), sondern ein ununterbrochener historisch-politischer Prozess, der bis heute andauert. Als einen der letzten Gewaltakte in diesem Prozess müssen wir Masafer Yatta im Süden der Westbank, südlich von Hebron, sehen. Dort leben seit mehr als einem Jahrhundert Menschen in 14 Gemeinden in den einfachsten Verhältnissen, zum Teil in Höhlen. In den 80er Jahren erklärte die israelische Armee das gesamte Gebiet  von Masafer Yatta zum militärischem Übungsgebiet, in dem scharf geschossen wird. Alle Bewohner wurden vertrieben, viele ihrer Häuser und Hütten wurden zerstört. Die Menschen aber kommen unweigerlich zurück, werden wieder vertrieben, kommen wieder zurück etc.

Im Mai 2022 akzeptierte schließlich das  Oberste Israelische Gericht die von der Regierung vorgebrachten Argumente, dass es in Masafer Yatta nie eine permanente Besiedlung gegeben habe. Das Argument der Rechtsanwälte der Bewohner von Masafer Yatta, dass diese dort schon vor der Gründung Israels gelebt hätten, wird abgeschmettert. Auch das Argument, dass Vertreibung und Transfer gegen internationales Recht (Artikel 8 der Genfer Konvention) verstoßen, wird abgelehnt. Selbst die Gültigkeit dieses Artikels und ihre Anwendung auf Masafer Yatta wurde vom Obersten Gericht zurückgewiesen.

Amira Hass von Haaretz sieht darin erschreckende Symbolik, wenn am Abend des israelischen Unabhängigkeitstages (von 2022) und am Abend der Nakba, der Erinnerung an die Vertreibung der Palästinenser und ihrer Trauer über den Verlust ihrer Heimat, diese klare Position des OG in der aktuellen historiographischen Debatte bezogen wird. Dass nämlich

Israel ein kolonialer Siedlerstaat ist, der Land konfisziert und vereinnahmt, der die dortigen Bewohner, Ureinwohner und Einheimische (natives), vertreibt und das alles in einem Prozess, der seit über 100 Jahren andauert.
In Masafer Yatta sind aktuell 1.200 bis 1.800 Menschen betroffen. Ihre Vertreibung ist in vollem Gange.Und ganz aktuell ist die Vertreibung von Bewohnern des Weilers Ein Samia, östlich von Ramallah gelegen. Die etwa 200 Menschen dort konnten der kontinuierlichen Gewalt durch die benachbarten kolonialistischen Siedler nicht widerstehen und “flüchteten”.

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Thomas Röper: Wie Geopolitik funktioniert
Ich stelle immer wieder fest, dass die meisten Menschen nicht wirklich wissen, was Geopolitik ist und wie sie funktioniert. Daher will ich hier ein paar grundsätzliche Dinge zum Verständnis sagen.

Die meisten Menschen wurden von den Ereignissen in der Ukraine emotional zutiefst aufgewühlt. Das ist verständlich, denn die Tragödie, die sich dort abspielt, ist wirklich schrecklich. Aber das hat einen entscheidenden Nachteil, denn wer emotionalisiert ist, dessen analytisches Denken ist ausgeschaltet.

Ich habe diesen Artikel schon einmal im Mai 2022 veröffentlicht, stelle aber anhand von Mails fest, dass natürlich nicht alle ihn gelesen haben und dass er viele Fragen, die Leser mir stellen, beantwortet. Daher habe ich den Artikel aktualisiert und veröffentliche ihn noch einmal.

Geostrategie und Emotionen
Diese Emotionalisierung ist gewollt, denn wer emotionalisiert, also wütend, verängstigt, entsetzt und so weiter ist, dessen Fähigkeit zu rationalem Denken ist ausgeschaltet. Und wer nicht rational, sondern emotional denkt, der ist über seine Emotionen leicht lenkbar. Das ist ein bewährtes Mittel zur Lenkung der Massen.

Wenn wir aber Geopolitik verstehen wollen, müssen wir vollkommen trocken und „gefühllos“ analysieren. Geopolitik ist wie ein Schachspiel und wir alle wissen, dass noch nie jemand ein Schachspiel mit Emotionen gewonnen hat, sondern dass immer der gewinnt, der besser und kaltblütiger analysiert. Das gilt auch für den Beobachter eines Schachspiels, der das Spiel und die Strategien der Spieler nur verstehen kann, wenn er das Spiel genauso kalt und sachlich beobachtet, wie die Spieler es spielen.

In der Geopolitik sind diese Beobachter des Spiels die Analysten, zu denen ich mich zähle. Man muss die politischen Ereignisse beobachten, wie ein Schachspiel. Wenn man beim Schach Mitgefühl mit dem Bauern hat, der als das bekannte „Bauernopfer“ geschlagen vom Feld genommen wird, dann hat man das Spiel nicht verstanden. Der Bauer ist nur eine Figur und er wurde geopfert, um für seine Seite einen Vorteil zu generieren, indem er zum Beispiel im Tausch gegen einen Läufer geopfert wurde.

Das geopolitische Schachbrett
In der Geopolitik sind Länder und Völker die Spielfiguren. Wer Geopolitik verstehen will, der muss denken, wie ein Geostratege. Und einem Geostrategen ist es vollkommen egal, ob ein Land zerstört und hunderttausende Menschen dabei ermordet werden, für den Geostrategen zählt nur, dass seine Seite dabei einen Vorteil erlangt hat und dass die Gegenseite dabei geschwächt wurde. Das zerstörte Land und die hunderttausenden unschuldigen Toten sind das Baueropfer. Und der Geostratege hat mit denen genauso wenig Mitgefühl, wie der Schachspieler mit dem aus Holz geschnitzten Bauern, den er gegen einen Läufer des Gegners getauscht hat.

Das ist zynisch, aber so ist die Realität in der Geopolitik. Ich bin froh, dass ich „nur“ Analyst bin. Ich beobachte und kann – während ich an meinen Analysen arbeite – meine Gefühle ausblenden. Ich könnte kein Geostratege sein, der diese Entscheidungen trifft, die „bei Bedarf“ hunderttausenden Menschen den Tod bringen.

Zum Verständnis der Geopolitik müssen wir wissen, dass sie so funktioniert, wie ich es gerade beschrieben habe, und dass die Entscheider die Welt als Schachbrett ansehen, wobei die Länder und ihre Völker die Figuren sind. Die mächtigen Staaten – vor allem die USA, Russland und China – sind die Spieler und alle anderen Staaten sind die Spielfiguren, so müssen wir uns das in einer – zugegeben etwas vereinfachten Darstellung – vorstellen. Und verschiedene Länder sind verschieden wichtig und mächtig, einige sind nur Bauern, andere sind Läufer, Springer oder Türme. Aber sie sind von den Entscheidungen der Spieler abhängig, sie sind trotzdem nur Spielfiguren.

Interessen oder Freundschaft?
Nachdem wir verstanden haben, dass Geopolitik nur wenig mit Menschlichkeit zu tun hat, hat sich die Frage, ob es unter Staaten Freundschaften gibt, eigentlich schon wieder erledigt. Die Antwort ist nein, es gibt in der Geopolitik keine Freundschaften, auch wenn Politiker uns gerne erzählen, zum Beispiel die USA oder Frankreich wären Deutschlands Freunde.

In der Geopolitik geht es um handfeste Interessen. Dass zum Beispiel Russland und China heute „eng befreundet“ sind, liegt daran, dass sie in sehr vielen Bereichen die gleichen Interessen haben. Sie sind an Stabilität in Asien interessiert, weil kein Staat gerne Unruhe in der Nähe seinen Grenzen hat. Russland ist an Chinas Technologie und industrieller Macht interessiert, China braucht Russlands Rohstoffe und auch Unterstützung auf den Technologiefeldern, auf denen Russland führend ist.

Hinzu kommt, dass die beiden Staaten von den USA regelrecht zur Zusammenarbeit gezwungen werden, weil die USA beide Staaten offiziell zu ihren Gegnern erklärt haben, die die USA seit Jahren offen mit Sanktionen und anderen Mitteln bekämpfen. Die USA wollen die Weltmacht Nummer eins bleiben, also die Weltherrschaft behalten. Das nennt sich unipolare Welt, in der es nur einen Machtpol gibt.

Russland und China teilen daher das Interesse, diesen Machtpol, der sie zu Feinden erklärt hat und sie bekämpft, zu brechen. Das ist ein defensives Verhalten der beiden Länder, denn es waren nicht sie, die die USA zum Gegner erklärt und Sanktionen und andere Maßnahmen gegen die USA eingeführt haben, es war umgekehrt: Die USA überziehen Russland und auch China seit vielen Jahren mit Sanktionen, wirtschaftlichen „Strafmaßnahmen“ und versuchen Verbündete gegen Russland und China zu finden.

Russland und China streben eine Weltordnung an, in der es keine dominierende Macht gibt, die allen anderen ihre Regeln aufzwingen kann und möchte. Sie streben eine multipolare Welt an, in der es mehrere, gleichberechtigte Machtpole gibt, die ihre Interessen auf Augenhöhe besprechen und Lösungen suchen, ohne dass einer den anderen dominiert.

Wenn sich Staaten zusammenschließen, dann steckt dahinter keine Freundschaft, sondern die Tatsache, dass sie gemeinsame Interessen haben.

Die Vorgeschichte
Die USA sind auf dem Spielbrett unter Druck geraten, denn sie haben den Höhepunkt ihrer Macht in den 1990er und 2000er Jahren erlebt und danach immer mehr an Einfluss verloren. In den 1990er Jahren war die Sowjetunion zerfallen, Russland war schwach, China war noch ein rückständiges Land. Die USA konnten auf der Welt schalten und walten, wie es ihnen gefiel und das haben sie auch getan. Sie waren die Weltmacht, das Imperium, wie Historiker eine Weltmacht nennen.

Aber in den 2000er Jahren ist Russland unter Putin wieder „auf die Füße“ gekommen und auch Chinas Aufstieg verlief in der Zeit rasant. In den 2010er Jahren war China bereits eine selbstbewusste Weltmacht, Russland war noch zurückhaltender und sich seiner eigenen Kraft noch nicht wirklich sicher.

Die Entscheidung bei Russland kam mit dem Maidan 2014, als Russland sich gezwungen sah, den Ambitionen der USA in Russlands „Hinterhof“ entgegenzutreten. Wie sich herausstellte war Russland bereits gefestigt und wirtschaftlich stark genug, um die Sanktionen, mit denen die USA Russland für sein „Aufmucken“ gegen den Maidan-Putsch bestraft haben, zu überstehen. Russland wurde durch den Sanktionsdruck sogar noch stärker, was die Verantwortlichen in Washington zunächst nur irritiert, dann aber zunehmend in Angst versetzt haben dürfte. Die Sanktionen sind an Russland regelrecht abgeperlt. (...)
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Helmut Scheben: So verlor ich den Glauben an die etablierten Medien

(...)
Meine erste große Berufskrise kam, wenn ich mich recht erinnere, in den Balkankriegen. Ich fand nachts keinen Schlaf mehr, als ich merkte, dass da das Blaue vom Himmel herunter gelogen wurde. Tuzla war damals mein Schlüsselerlebnis. Die Stadt in Bosnien war 1993 als Schutzzone definiert worden, Blauhelme waren dort stationiert. Die bosnisch-moslemische Bevölkerung sollte vor serbischen Angriffen geschützt werden. Die serbische Artillerie schoss aber gleichwohl auf die Stadt, und diese Angriffe waren Monate lang tägliche Meldung in den Radionachrichten. Die westlichen Medien flossen über vor Empörung über den Beschuss der «Safe Area».
Ich fiel aus den Wolken, als mir 1995 Blauhelm-Soldaten sagten: «Die Serben schießen zwar manchmal da rein, aber die Artillerie in Tuzla schießt auch jede Nacht raus auf die umliegenden serbischen Dörfer.» 

Tuzla wurde bei Nacht und Nebel von den USA mit Waffen versorgt. Es gab dort militärische Sperrgebiete, wo UN-Einheiten der Zutritt verwehrt wurde. Dieselbe Regierung in Washington, die nach außen hin die Rolle des «honest broker» spielte, um ein Ende des Krieges zu erreichen, organisierte im Geheimen sogenannte «black flights», um das bosniakische Militär aufzurüsten. 

Als ein norwegischer Blauhelm-Offizier dies 1995 bemerkte und publik machte, bekam er Befehl zu schweigen und wurde strafversetzt. Der britische Sender ITN/Channel 4 hatte einen Beitrag über die Sache gedreht, den ich für ein Magazin des SRG-Programms Schweiz 4 übernahm. Meine Versuche, Schweizer Medien auf die Enthüllungen aufmerksam zu machen, stießen auf Indifferenz. In Bosnien wie auch im Kosovo bestimmte die NATO, was man wissen durfte und was nicht. Carla Del Ponte, Chefanklägerin in Den Haag, beklagte sich später, dass sie mit ihrer Bitte um Einsicht in die Geheim-Operationen der NATO gegen eine Wand lief.  

Erst viel später erfuhr ich, dass führende PR-Agenturen der USA damals die Presse mit Schauergeschichten über serbische Konzentrationslager und Holocaust-Pläne fütterten, welche ein gigantischer Medienapparat in Sekundenschnelle um die Welt jagte. Die Politikwissenschafter Jörg Becker und Mira Beham haben in ihrer Studie «Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod» in US-Archiven weit über hundert solcher PR-Verträge nachgewiesen. Der Auftrag hiess, die Serben als Täter und die andern als Opfer darzustellen. James Harff, Chef der PR-Agentur Ruder Finn, beschrieb seinen Job folgendermaßen: 

«Unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen (…) Die Schnelligkeit ist entscheidend. Denn wir wissen genau, dass die erste Nachricht von Bedeutung ist. Ein Dementi hat keine Wirkung mehr.» (Mira Beham: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik. 1996. S.172 ff.) 

PR-Agenturen liefern die Argumente für Krieg und Tod

Harff zeigte gegenüber Jacques Merlino, einem stellvertretenden Chefredaktor von France 2, einen gewissen Berufsstolz, wenn er in aller Offenheit beschrieb, wie seine Agentur «mit einem großartigen Bluff» ihren Auftrag erledigte, indem sie drei mächtige jüdische Lobby-Organisationen der USA dazu brachte, in Inseraten in der «New York Times» vor einem drohenden Holocaust auf dem Balkan zu warnen.

«Mit einem Schachzug konnten wir die Sache vereinfachen und sie darstellen als Geschichte von den guten und den bösen Jungs (…) Und wir haben gewonnen, denn wir haben das richtige Ziel ausgewählt, das jüdische Publikum (targeting Jewish audience). Sofort stellte sich eine bemerkbare Veränderung des Sprachgebrauchs in den Medien ein, begleitet von der Verwendung solcher Begriffe, die eine starke emotionale Aufladung hatten, wie etwa ethnische Säuberung, Konzentrationslager und so weiter, und all das evoziert einen Vergleich mit Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz. Die emotionale Aufladung war so mächtig, dass niemand wagte, dem zu widersprechen.»

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer tourte folgerichtig mit der Parole «Nie wieder Auschwitz» durch Europa und sein Verteidigungsminister Scharping brachte unters Volk, man wisse, dass die Serben «mit den abgeschnittenen Köpfen ihrer Feinde Fußball spielen.» Ein Foto, das als Beweis der serbischen Gräuel und als Argument für den NATO-Angriffskrieg um die Welt ging, zeigte einen entsetzlich abgemagerten Mann mit nacktem Oberkörper hinter Stacheldraht. Es erinnerte an die Fotos von deutschen Vernichtungslagern 1945. Die Aufnahme war – wie später nachgewiesen wurde – eine Fälschung. Das fragliche Flüchtlingszentrum Trnopolje war damals weder durch einen Stacheldrahtzaun abgesperrt noch gab es dort halb verhungerte Menschen. 

Nichts hat sich geändert. Der Krieg generiert die ewig gleichen Propagandamittel. Ein in der Ukraine lebender «Schriftsteller aus Ostdeutschland» namens Christoph Brumme schrieb 2022 in der «NZZ am Sonntag» ein regelmäßiges «Tagebuch», in dem er unter anderem vorhersagte, die Russen würden in der Ukraine Konzentrationslager einrichten und Putin sei ein zweiter Hitler. Er sei vermutlich schwer krank und werde mit einer Atombombe seinen Suizid inszenieren. Und dergleichen mehr.



 

Auszüge aus Dagmar Henns Abschiedsbrief vor ihrer Emigration nach Moskau, entnommen von 
Andrea Drescher:  Exodus aus Deutschland – Der Abschiedsbrief einer politischen Freundin

“Es wird Nacht über Deutschland, aber ich will mich dieser Dunkelheit nicht beugen” – Ein Abschied

Alles, was ich künftig schreibe, wird nicht mehr auf deutschem Boden geschrieben. Um mit Worten für ein Deutschland einzustehen, das den Völkern wie sich selbst ein Segen, kein Fluch ist, scheint es abermals geboten, zu gehen. (...)

Vor über 30 Jahren habe ich Deutschland schon einmal verlassen; damals sollte es ein Aufbruch in eine lebendigere Welt sein; ich folgte einem Bild, das ich aus den Romanen von Jorge Amado hatte, und ging nach Brasilien. Ein Jahr war ich dort, wurde schwanger, meine Tochter wurde geboren, dann war ich, dem Wunsch ihres Vaters folgend, wieder zurück in Deutschland. (…)

Wenn ich jetzt gehe, ist es eine andere Art von Aufbruch. Jene, bei der man sich zuvor fragt: Ist es eine Kapitulation? Bei der man sich vorab schon Sorgen macht um die, die zurückbleiben. Ein Aufbruch, der von dem Wunsch geprägt ist, nützlich bleiben zu können.

Das mit dem Nützlichsein stammt von Bertolt Brecht, ein moralischer Grundsatz, unter dem Hölderlins schweigender Fleiß mitschwingt, sehr deutsch. Den ganzen Brecht gibt es nicht digital, er kann nicht mitfliegen, das wird mir fehlen. Gerade weil er so für dieses verlorene Deutschland steht. (...)

Als diese Bundesregierung den Sanktionen zustimmte, bei denen nur der Dümmste nicht begreifen konnte, dass sie dieses, unser Land im günstigsten Fall schwer schädigen, im schlimmsten zugrunde richten, gab es keinen Sturm der Entrüstung. Der Verrat wurde nicht Verrat genannt. Das Land, das einmal für seine genaue Sprache, für seine scharfen Definitionen bekannt war, hat nicht einmal mehr Worte, um das richtig zu benennen, was geschieht.
Wenn ich zusammenfassen müsste, was an diesem Deutschland schätzenswert ist, dann ist das eine Geste. Ein Tischler, der ein letztes Mal mit der Hand über die blanke, glatte Fläche eines neuen Tisches streicht. Ein Maurer, der mit einem kurzen Zögern den letzten Stein setzt. Eine Schneiderin, die den letzten Faden eines Kleidungsstücks durchtrennt und es vor sich hält, um die fertige Arbeit zu betrachten. Stolz auf das, was man tut, und Stolz darauf, es gut getan zu haben, aber ein nüchterner, fast schamhafter Stolz.

Wenn man die Stadt Berlin betrachtet, kann man das nicht finden. Der Zustand der Straßen ist so beschämend wie die Schlafplätze der Obdachlosen oder die Bahnhöfe der U-Bahn, und es gibt hektische Aktivität, die lautstark verkündet wird, der aber jeder Anspruch, etwas gut getan haben zu wollen, abgeht. Aber Berlin ist nur die Essenz eines vernachlässigten Landes. So wie das Ahrtal, Symptom und Prognose in einem.

In den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gab es eine große Debatte um die “Sekundärtugenden” – Pünktlichkeit, Genauigkeit, Loyalität. Sie wurden verworfen, weil sie für die großen Menschheitsverbrechen der Nazis nützlich waren. Dabei war es nicht ein Zuviel an Sekundärtugenden, sondern ein Zuwenig an Bildung und Verstand, was verwerflich war. Ein Zuwenig an persönlicher Verantwortung. Ja, Letzteres allem anderen voraus, denn es ist die Preisgabe dieser persönlichen Verantwortung, die Menschen zu willigen Werkzeugen des Verbrechens macht. (...)

Wenn es etwas gibt, wozu die deutsche Geschichte verpflichtet, dann ist es, dem Nazismus entgegenzutreten. Das war schon vor acht Jahren nicht simpel, denn die Formulierung “gegen rechts” hatte bereits jede wirkliche Analyse des Faschismus ersetzt und machte völlig blind dafür, dass der Unterschied zwischen Konservativen und Faschisten im Kampf gegen den Faschismus der zwischen möglichen Bündnispartnern und Feinden ist. Das zeigt die Geschichte des deutschen Widerstands und auch die Geschichte des Nationalkomitees Freies Deutschland, das noch während des Krieges die Vorarbeiten für eine vom Nazismus befreite Gesellschaft begann.

Ein Grund, warum die deutsche Linke so blind für den wirklichen Verlauf der ukrainischen Frontlinie und so bereit ist, sich vor den gänzlich falschen Karren spannen zu lassen, ist die völlige Unkenntnis dieser Geschichte. Es lebt sich bequemer damit, die Existenz der Nation zu verleugnen, als sich auf das beständige Ringen darum einzulassen. Denn das erfordert einen politischen Einsatz, der nicht flüchtig von Empörung und Moden bestimmt wird, sondern Zähigkeit, Lernwillen und Opferbereitschaft voraussetzt.

Das “Rechts”, gegen das man sein will, wird sehr oberflächlich definiert, ohne Betrachtung realer Interessen, und es wird nicht einmal tatsächlich dagegen gekämpft, was den Willen, zu überzeugen, mit einschlösse, sondern nur ausgegrenzt. Dabei ist es immer die aktuelle politische Mode, die die Linie vorgibt; sei es Klima, sei es Migration, sei es die Frage von Krieg und Frieden. So billig ist wirklicher Antifaschismus nicht zu haben. Da geht es tatsächlich gegen die Negation des Menschlichen, und um dagegen zu bestehen, muss man sich der eigenen Menschlichkeit gewiss sein. (...)

Aber zurück in die hiesige Gegenwart. Selbst der Wahn und die Kriegstreiberei in den Medien dieses Landes und diese vielen hysterisch Eingenordeten wären eher eine Frage des Ertragenkönnens. Die Erosion des Rechts ist es, die letztlich entscheidet, an welchem Punkt sich das Land befindet.

Der demokratische Zustand eines bürgerlichen Staates verschwindet nicht in einem Schritt. Er bröckelt. Die tragenden Mauern werden Stück für Stück schwächer, bis der Rest des Gebäudes auf einen Schlag zusammenbricht. Der Weg zu Adolf Hitler hatte über Heinrich Brüning und Karl Zörgiebel geführt.

Als im letzten Jahr das Bundesverfassungsgericht die Corona-Maßnahmen für rechtens erklärte, war das einer der größeren Brocken. Der Raum für abweichende Meinungen wird stetig kleiner. Er war in der Bundesrepublik nie besonders groß, aber wenn man betrachtet, was alles zu sagen inzwischen verboten ist, was alles nicht mehr gezeigt werden darf, welche schlichten Meinungen Arbeit und Karriere kosten können, ist fast nichts mehr davon übrig. (...)
Es sind die Maßnahmen des staatlichen Apparats, die den Unterschied machen zwischen Sympathie für faschistische Positionen und einer faschistischen Herrschaft. Auf der Ebene der EU wie auf der deutschen werden abweichende, vor allem gegen die NATO gerichtete Positionen nicht nur mit vielfachen Methoden an Veröffentlichung und Verbreitung gehindert, es zeichnet sich ab, dass sie unter Strafe gestellt werden sollen. In Österreich existiert bereits ein Gesetz, das das Teilen der Inhalte von RT mit Strafgeldern belegt. Das Verbot des Buchstaben Z in Deutschland geht in eine ähnliche Richtung. Wenn schon solche Kleinigkeiten zu Strafverfahren führen, was bedeutet das dann für die Verfasser von Texten wie dem meinen?

Die Verwendung des Buchstabens Z wird “Befürwortung eines Angriffskriegs” genannt. Diese Nutzung dieses Paragrafen ist der Endpunkt einer kompletten Verleugnung seines eigentlichen Ursprungs. Denn es war der Nürnberger Gerichtshof gewesen, der den Angriffskrieg zum ultimativen völkerrechtlichen Verbrechen erklärt hatte. Den Angriffskrieg Hitlerdeutschlands, unter anderem gegen die Sowjetunion. Diese Paragrafen zielten nicht auf Meinungen, sondern auf Handlungen und insbesondere auf jene Menschen, die solche Handlungen tatsächlich vornehmen können.

Als die Bundesrepublik Belgrad bombardierte, war das ein Angriffskrieg. Einer der strafrechtlich relevanten Befürworter hieß Joschka Fischer und war deutscher Außenminister. Schon damals war aber das deutsche Rechtssystem so weit auf den Hund gekommen und die Friedensbewegung so schwach, dass die Klage wegen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen die damalige Bundesregierung scheiterte. Die Begründung des Verfassungsgerichts lautete, nur die Vorbereitung, nicht die Führung eines Angriffskriegs sei strafbar …
Jetzt wird ein Paragraf, der sich auf Regierungshandeln bezieht, auf Meinungsäußerungen angewandt. Die Verwischung der Grenze zwischen Meinung und Handlung ist allerdings ein Merkmal, das die Nazijustiz ausgezeichnet hatte. Roland Freislers Volksgerichtshof hatte für Meinungen Todesurteile verhängt. Dass nun eine Rechtsfolge der Nürnberger Prozesse genutzt wird, um sich den Praktiken der dort ebenfalls verurteilten faschistischen Justiz anzunähern, zeigt, wo eine Verdrehung der Geschichte endet.

Es wird Nacht über Deutschland, aber ich will und werde mich dieser Dunkelheit nicht beugen. Doch meine Waffe ist das Wort; und hier wird versucht werden, sie mir und meinesgleichen aus der Hand zu nehmen. Andere widerstehen mit anderen Mitteln und treffen andere Entscheidungen, und ihre Aufgabe ist gewiss nicht leichter. Ich werde das Land verlassen. (...)

 


 

David Boos: Gespräch mit Fritz Vahrenholt: „Es gehört heute zur woken Position, die Industrieländer schuldig zu sprechen

Tichys Einblick: Sehr geehrter Herr Vahrenholt, die Journalistin Anja Reschke unterstellte Ihnen unlängst in ihrer Sendung Reschkefernsehen, Sie wären aufgrund Ihrer Verbundenheit mit dem Wirtschaftsrat der CDU, den sie im Dienste der fossilen Lobby verortete, ein „Klimaleugner“ und Sie würden „die Kompetenz des Weltklimarats ohne Belege infrage stellen.“ Was haben Sie diesen Unterstellungen entgegenzusetzen?

Fritz Vahrenholt: Erstens, ich stelle nicht in Frage, dass es wärmer geworden ist. Ich stelle auch nicht in Frage, dass CO2 ein Klimagas ist und Wärmestrahlung aufnehmen und auch wieder abgeben kann. Damit leistet es einen Beitrag zur Erwärmung. Doch darüber, wie hoch dieser Beitrag ist, streiten sich die Geister. Der Weltklimarat behauptet, dass die gesamte Erwärmung seit 1860 menschengemacht ist. Diese 100 % These stellen jedoch einige Wissenschaftler in Frage, zumal es eben in der Vergangenheit auch natürliche Klimaschwankungen gegeben hat. Denn 1860 ist als Ausgangspunkt für diese Temperaturentwicklung sehr fragwürdig. Es war eine der kältesten Zeiten, denn es war das Ende der kleinen Eiszeit, die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Ende ging. Nimmt man die Durchschnittstemperatur der letzten 2000 Jahre, dann ist diese 0,5 Grad höher als 1860 und entspricht ungefähr dem Jahr 1950. Meine Position ist also, dass ein Teil der Erwärmung, die wir gesehen haben, auch natürlichen Ursprungs sein kann. Es gibt natürliche Zyklen im Klima und ich habe in mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass gerade in den letzten 20 Jahren ein großer Teil der Erwärmung auch auf den Rückgang der Wolken zurückzuführen ist, das heißt durch die Interaktion von Sonne, Wolke und Erde. Das ist auch unbestritten, wird aber, jedenfalls nicht von Frau Reschke, nicht zur Kenntnis genommen.

In der Wissenschaft aber ist die Diskussion entbrannt, wie groß denn der Anteil der Natur an der Erwärmung ist. Sind es Null %, oder 50 %? Es gibt starke Hinweise darauf, dass die Ozeane wie der Atlantik in 60 Jahreszyklen erwärmen und wieder abkühlen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die durch CO2 bedingte Erwärmung der letzten 30 Jahre durch die Warmphase der atlantischen Oszillation verstärkt wurde. Und wenn das der Fall ist, dann werden wir auch in den nächsten 30 Jahren nicht einfach eine weitere Fortschreibung der Erwärmung bekommen, sondern sie wird durch den sich abkühlenden natürlichen atlantischen Zyklus abgebremst. Damit stehe ich übrigens nicht alleine da, es gibt eine ganze Reihe von Publikationen, die zeigen, dass wir in den nächsten 20-30 Jahren wohl mit einer geringeren Erwärmung des Atlantiks rechnen müssen. Das heißt wiederum, dass wir alles andere als in eine Klimakatastrophe rennen. An diesem Punkt betone ich, dass wir genügend Zeit haben, um die Dinge zu ordnen, um eine Energieversorgung aufzubauen. Wir müssen nicht in Panik und Angst Fehler machen. Aber das tun wir, indem wir glauben, wir müssten alleine bis 2030 oder 2045 den CO2-Ausstoß in Deutschland auf null bringen.

Dann gibt es eine 2. Diskussionsebene, die ich auch in meinem letzten Buch „Die große Energiekrise” beschreibe. Was bei allen Diskussionen und auch beim Bundesverfassungsgericht vergessen wurde, ist, dass die Natur einen großen Teil des CO2 wieder aufnehmen kann. Das wird vom Verfassungsgericht ja total verneint und im Gegenteil behauptet, das CO2 bleibe ewig in der Atmosphäre. Das ist wissenschaftlich falsch und das bestätigt auch der Weltklimarat. Der Weltklimarat hat selbst in der Langfassung des IPCC dargelegt, dass wenn sich die Dinge nicht ändern, es reichen würde, wenn man die CO2 Emissionen nur halbiert, da nämlich die Hälfte der Emissionen im Augenblick von den Ozeanen und Pflanzen aufgenommen würden. Und das ist natürlich von ganz entscheidender Bedeutung. Ist null CO2 wirklich „null“, oder sprechen wir von „Netto Null“? Netto Null sind 45 %, denn 55% des CO2 werden von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen. Wenn man den CO2 Gehalt in der Luft nicht weiter ansteigen lassen will, dann bräuchte es tatsächlich auch in Deutschland nur eine Halbierung und alles wäre in Ordnung. Das aber ist von entscheidender Bedeutung für die Energiestrategie. Muss ich wirklich bis 2045 auf null kommen, oder habe ich dafür auch Zeit bis 2060 oder 2070, so wie die Chinesen und Inder das machen? Entscheidend ist aber, wie sie es machen. Und ich bin ziemlich sicher, dass sie ihre fossilen Vorräte nutzen werden und das CO2 aus den Verbrennungsprozessen entfernen werden – Stichwort CCS. Daran knüpft jetzt sozusagen die neueste Debatte, die ich angestoßen habe, denn wir haben immer noch 50 Gigawatt Braunkohlekraftwerke und wenn wir wirklich was tun wollen, dann müssen wir das CO2 aus den Braunkohlekraftwerken rausholen. Das könnten wir auch wirklich sehr schnell hinbekommen, aber das macht niemand, obwohl es technisch machbar ist und sich wahrscheinlich auch wirtschaftlich rechnet. Darum stellt sich die Frage, die ich abgeleitet habe: Wie schnell und wie klug kann und muss man handeln? Man kann natürlich auch den Weg von Frau Reschke gehen, indem man sich mit der Sache gar nicht auseinandersetzen muss, weil man mich in eine Schublade „Klimaleugner“ gesteckt hat. Das wird aber nicht mehr so einfach funktionieren, da die Leute gemerkt haben, dass sie hinters Licht geführt werden.

Hierzu ein kleiner Auszug aus „Die große Energiekrise”:

Was auf jeden Fall in allen Klimapolitiken der EU, der USA oder Deutschlands bei der Formulierung eines Netto-Null-CO2- Ziels zu kurz kommt, ist die Berücksichtigung der natürlichen CO2-Senken unseres Planeten. Unsere Erde verzeiht uns nämlich so manche Überbeanspruchung durch CO2, indem sie es für uns wegpuffert. Wie das international anerkannte Global Carbon Project ermittelte, wurden 2019 31% des emittierten CO2 durch vornehmlich Pflanzen aufgenommen und 24% durch die Ozeane, zusammen also 55%.Im Pariser Klimaschutzabkommen wird im Artikel 4 als Ziel des Abkommens die Verringerung der Emissionen definiert, »um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken[…] herzustellen.

Die zusätzliche Aufnahme des CO2 durch Ozeane und Pflanzen verläuft proportional zur Konzentrationszunahme des CO2 in der Atmosphäre gegenüber dem Gleichgewichtszustand von 1860 (417ppm–280ppm=137ppm) und nicht proportional zur jährlichen Emission. Die Aufnahme steigt seit einigen Jahrzehnten stärker als die Emissionen, sodass heute schon 55% der jährlichen Emissionen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen werden.

Der IPCC stellt in seinem letzten Bericht in den häufig gestellten Fragen auf Seite 120 fest: »Falls die Emission und die Aufnahme von CO2 gleich sind, stabilisiert sich die CO2-Konzentration. Falls die CO2-Entfernung größer ist als die Emission, würde die Konzentration sinken.« Träfen diese Aussagen zu, würde die Halbierung der Emissionen ausreichen, um die Konzentration zu senken, denn die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen beträgt heute 2,7ppm, die Emission beträgt bei Halbierung 2,5ppm. Um diese so wichtige Erkenntnis nicht in der„Summary for Policy Makers“ aufnehmen zu müssen, verweist der IPCC auf Modellrechnungen, wonach bei weiterer Erwärmung die Aufnahmefähigkeit von Ozeanen und Pflanzen zurückgehen solle. Seit Jahrzehnten ist aber trotz Erwärmung das Gegenteil der Fall : Ozeane und Pflanzen nehmen immer mehr der gestiegenen CO2 Emissionen auf. Null wäre also nicht erforderlich, Netto Null ist etwas mehr als die Hälfte der Emission: das anzustreben reicht, um ein neues, stabiles, nachhaltiges Gleichgewicht zu erreichen.



 

 

 





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