Brief an Frau Dagdelen und die Fraktion Die LINKE

Ofterdingen, den 20.11. 2020

Frau Sevim Dagdelen
Deutscher Bundestag, MdB-Büro Sevim Dagdelen
Platz der Republik 1
D – 11011 Berlin

 

Dieses Schreiben geht auch an meine Abgeordnete Frau Heike Hänsel und an die Fraktion.

 

Sehr geehrte Frau Dagdelen,
Folgende Fragen haben mich schon längere Zeit bewegt und wir haben in unserem Aufstehen-Stammtisch und NDS-Gesprächskreis oft darüber gesprochen. Das Folgende ist meine Zusammenfassung unserer Gespräche. Auslöser für dieses Schreiben war jetzt Uli Gellermanns offener Brief an Sie und Ihre Antwort. Von Ihrer Antwort sind es zwei Absätze an denen man die Kritik an der LINKEN - also nicht nur an Sie persönlich - verdeutlichen kann. Hier das Zitat:

„Ich begrüße es ausdrücklich, wenn Grundrechtseinschränkungen auch den Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt werden. Ich finde es falsch und gefährlich, Kritikerinnen und Kritiker der Maßnahmen zur Corona-Eindämmung pauschal und unisono in die rechte Ecke zu stellen oder als „Covidioten“ zu diffamieren.

Wofür ich kein Verständnis habe, wogegen ich mich entschieden ausspreche und was ich auch verurteile,     sind gemeinsame Proteste mit Neonazis und Reichsbürgern, wie sie bei vielen Aktionen im Zusammenhang mit der Corona-Krise leider zu beobachten sind. Ich finde es nach wie vor wichtig und richtig, dass Linke und Demokraten an der Abgrenzung gegen rechts festhalten. Neonazis und Reichsbürger haben in unseren Reihen nichts zu suchen - und Linke und Demokraten nichts an ihrer Seite.

Hier meine Sicht und Kritik an der Partei DIE LINKE:

► Der zweite Absatz des Zitats entwertet die Beteuerung im ersten. Die Forderung zur Abgrenzung „gegen Rechts“ ist eine Zwickmühle, die man gegen JEDE Demonstration ins Feld führen und unmöglich machen kann. Jede breite Bewegung aus dem Volk besteht zwangsläufig aus einem Spektrum, das einen linken und einen rechten Rand hat, egal an welcher Stelle man Grenzen definiert. Die Reden über den „Kampf gegen Rechts“ und auch Ihr Schreiben definieren das „Rechte“ nirgends klar. Zwischendurch ist die Rede von Reichsbürgern und Nazis - aber auch AfD-Mitglieder wurden oft schon pauschal Nazis genannt. Man kann rechte Leute vom Mikrofon fernhalten, aber nicht als Mitläufer in der Menge. Die Dienste, zu deren Aufgaben die Zersetzung regierungskritischer Opposition gehört, haben es leicht, einen Dummkopf zu engagieren, der vor der Kamera den Arm zum Hitlergruß hebt oder eine Reichsflagge schwingt.

Die Scheinheiligkeit der Forderung nach Abgrenzung „gegen Rechts“sieht man auch daran, dass sie nicht konsequent erhoben wird: Noch nie hat man eine Abgrenzung gegen Leute gefordert, die NATO-Kriege befürwortet haben oder mit ihrer Stimme im Bundestag Millionen von Menschen in die Altersarmut schickten – im Gegenteil: Ein Teil der LINKEN strebt eine Regierungskoalition mit denen an.

Die „Erstürmung des Reichstags“ ging von einer anderen Demo aus, die von anderen Leuten angemeldet (und nicht verboten) wurde. Die Querdenker haben sich davon distanziert. Trotzdem halten ALLE alten Medien und ALLE alten Parteien an dem Nazi- und Reichsbürger-Narrativ der Regierung fest. Frau Dagdelen, Sie und ihre Parteifreunde kennen diese Manipulationsmethoden. Sie beteiligen sich damit bewusst an der Diffamierung der Querdenker-Bewegung und damit gegen Millionen von Bürgern, denen es um die Grundrechte geht und die nichts mit Nazis zu tun haben. Wenn Sie Inhalte von Reden oder Slogans kritisieren wollen, gerne! Dann tun Sie das mit konkreten Argumenten, wir sind ja lernbereit. Alles andere ist verlogene Polemik.

 

► Haltet den Dieb! – Die Parole „Kampf gegen Rechts“ mit Zielrichtung auf AfD, Reichsbürger usw. dient als Ablenkung von rechtem Regierungshandeln, z.B. wenn aufgerüstet und in anderen Ländern Krieg geführt wird, wenn Gemeineigentum („der Reichtum des kleinen Mannes“ H. Schmidt) gestohlen wird durch „Finanzialisierung“ fast aller Bereiche des Lebens, wenn der Zensur das Wort geredet wird, wenn Politiker die Unverletzlichkeit der Wohnung aufheben wollen, wenn sie Impfzwang fordern usw. 

Richtig verstanden ist „Kampf gegen Rechts“ notwendig – die Parole wird aber missbraucht und ins Gegenteil verkehrt, indem mit ihr neue Bürgerproteste zu Unrecht diffamiert und dadurch die realexistierenden und regierenden Rechten aus dem Blick gerückt werden, also ausgerechnet diejenigen, die tatsächlich rechts handeln und Unheil anrichten. Mit Blick auf die AfD heißt es oft recht naiv: „Wehret den Anfängen!“ – mit Blick auf die Regierungen der vergangenen 25 Jahre muss man antworten: „Es hat schon lange angefangen und schreitet immer schneller fort!“

 

► Reaktionen auf neue Bürgerbewegungen, die NICHT von den LINKEN kommen, werden von ihr grundsätzlich mit ätzendem Misstrauen empfangen. Beispiele: Mahnwachen bei der Ukraine-Krise 2014, Demos gegen Ramstein 2016 ff., Gelbwesten in Frankreich und Aufstehen 2018, Grundrechts-Demos, Querdenker 2020. Immer gebärdet sich die LINKE in diesen Fällen als staatstragende Kraft, die mit Schlechtreden über Zersetzung bis zur brutalen Gewalt (siehe Antifa-Indymedia) gegen alle aufkeimenden Widerstandsbewegungen vorgeht – die eigentlich zum Kern der LINKEN gehören.

 

► Wie steht die LINKE zur Rechtfertigung von Gewalt durch Teile der Antifa?
Zitat aus Indymedia vom 27.05.2020:

„Es geht uns mit körperlichen Angriffen darum, das öffentliche Auftreten der Faschisten soweit wiecmöglich zu unterbinden. Wir treiben den gesundheitlichen, organisatorischen und materiellen Preis dafür in die Höhe. Sie sollen mit Schmerzen, Stress und Sachschaden rechnen und dadurch möglichst isoliert, gehemmt, desorganisiert und abgeschreckt werden. Außerdem zeigen sie oft genug selbst, wieviel ihre angebliche „Kameradschaft“ zählt, wenn es mal ernst wird. Dieser Wirkungsgrad politischer Gewalt erfordert keine gezielten schweren/tödlichen Verletzungen hat sich in der Vergangenheit immer wieder als wirkungsvoll erwiesen.“   https://de.indymedia.org/node/84673

Angesichts dieses klaren Bekenntnisses zur Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung einer Gruppierung, die gemeinhin als „links“ eingestuft wird, fordere ich von der PdL eine klare Abgrenzung gegen Gewalt. Unter Gewalt verstehe ich auch die Versuche, Veranstaltungen zu verhindern, bei denen Leute auftreten, die den Linken nicht passen. Meinungsfreiheit gilt für alle, wenn sie nicht gegen ein Gesetz verstoßen. Es existiert z.B. kein Gesetz, das zu sagen verbietet, dass WTC 7 gesprengt wurde. Proteste gegen Zensur sind unglaubwürdig, wenn man der Antifa oder einem Kulturbürgermeister politisch genehme Zensurmaßnahmen durchgehen lässt. “Cancel culture” und andere Formen des Mobbings gegen Andersdenkende vergiften das geistige Klima, die Gesprächskultur und verbreiten Angst.

 

► Corona: Wie der Teufel das Weihwasser vermeidet die LINKE eine Positionierung zur Kritik von Fachleuten an der Panikmache durch das RKI. Die außerparlamentarische Opposition um die Querdenker, Ärzte und Juristen für Aufklärung u.a. fußt vor allem auf Aussagen der Wissenschaftler Wodarg, Bhakdi, Johanidis, Mölling, Köhnlein u.v.a.m. Irren die sich? Welche Aussagen halten Sie für falsch? Auf welcher Grundlage? Ich erwarte von der LINKEN, dass sie sich für Debatten einsetzt, mit verschiedenen Positionen nach vernünftigem wissenschaftlichem Brauch. Übrigens stuft inzwischen auch die WHO die Gefährlichkeit des Corona-Virus ähnlich ein wie eine Influenza. Dies müsste eigentlich Konsequenzen haben für das Angstszenario, das über der Bevölkerung aufgespannt wird. Auch dazu erwarte ich eine klare Stellungnahme durch die Partei.

 

► Corona: Sind Sie überzeugt davon, dass es der Regierung nur um unsere Gesundheit geht? Oder dient die Panikmache einem anderen Zweck … The Great Reset, zum Beispiel? (Kommen Sie jetzt bloß nicht mit „Verschwörungstheorie“! Natürlich ist es eine! Wir müssen doch mehrere Möglichkeiten im Auge behalten. Oder wie Walter van Rossum sagt: „Ich weiß gar nicht, wie Sie ohne Verschwörungstheorie auskommen wollen.“)

 

► Corona: Standhaft diffuse Informationspolitik durch das RKI: Apropos Verschwörungstheorie: Trotz vielfacher Hinweise auf die Vernebelung durch unklare Begriffe wie „Fallzahlen“ (Sind das Test-Positive? Infizierte? Erkrankte?) oder mangelnde Bezugsgrößen (Anzahl der Tests), an (oder mit?) dem Virus Verstorbene usw. weigert sich das RKI seit Monaten dieser Kritik abzuhelfen. Es ist also nicht gerechtfertigt, Mitbürgern das schreckliche V-Wort entgegenzuschleudern, wenn sie sich Gedanken darüber machen, was die Regierung mit diesem Verwirrspiel tatsächlich beabsichtigt, und wenn sie dabei verschiedene Theorien bilden. Diesen kruden Kampfbegriff sollte man wieder in die untere Schublade für Schmutzwäsche zurücklegen.

 

► Andrej Hunkos Auftritt in Aachen und der Geist der Inquisition: Hunkos Rede war umrankt von Abgrenzungen gegen Rechts; man spürte, wie er sich vor unsichtbaren Gesinnungspolizisten rechtfertigte. Es nützte nichts: Schimpf und Schande folgten seinem Auftritt, sogar Rücktrittsforderungen und Rufe nach Parteiausschluss waren zu hören. Ich erwarte von der LINKEN, dass sie sich im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Orthodoxie klar zur Meinungsfreiheit bekennt und auch die Mitglieder dazu anhält sich entsprechend zu verhalten. Dazu gehört auch die Ächtung von Kontaktschuld-Vorwürfen („… hat Ken Jebsen ein Interview gegeben“). Ich wünsche mir von der LINKEN eine Praxis der Offenheit und Freiheit – mindestens der Art von Voltaire, der (sinngemäß) gesagt haben soll: „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich werde mich dafür verreißen, dass Sie sie äußern können.“

 

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Meyer

 

PS.: Eben lese ich in den NDS ein Zitat von Ken Jebsen (Gespräch mit Julia Szarvasy): 

„Es wird der Tag kommen […] da werden diese dunklen Zeiten beendet sein. […] Dann wird man später die Frage stellen: […] Habt ihr das denn alles nicht gewusst, gab es da keine Anzeichen? Da möchte ich sagen können: Die Anzeichen waren aber so was von dick, das waren solche Elefantenspuren und man hätte sich positionieren können, hat man aber nicht, weil man einfach feige ist. Das möchte ich meinen Enkelkindern gerne mal sagen.”