Gedanken zu Jan Josef Liefers: 
Verzweifeln Sie ruhig. Aber zweifeln Sie nicht!


Die Aktion Jan Josef Liefers und der anderen Schauspieler der Aktion „allesdichtmachen“ finde ich großartig, wenn auch reichlich spät. 

Schade finde ich allerdings Jan Josef Liefers' „Disclaimer“, seine Distanzierung von bestimmten Personengruppen und Parteien. Es geht mir dabei nicht um diese Parteien oder Gruppierungen. Es geht um die Distanzierung selbst. Denn damit unterwirft er sich einer Meinungsdiktatur, gegen die die ganze Aktion eigentlich gerichtet ist. Mit dem Disclaimer bestätigt er die Gut-Böse-Dichotomie, die das heutige Diskursklima prägt. Was er damit sagt ist: „Hier stehe ich mit meiner Meinung. Aber da gibt es Leute, die zwar in der Corona-Frage das gleiche meinen wie ich, aber die werden trotzdem dermaleinst in der Hölle schmoren, weil sie in der AfD sind oder Querdenker. Mit denen habe ich nichts zu tun, weil ich ein Guter bin und in fast allem die richtige Haltung vertrete, die mich in den Himmel führt.“ 

Ja: Himmel und Hölle. Das Meinungsklima trägt heute die Züge von längst vergangenen Zeiten. Ketzer-Verfolgung, Hexenprozesse, Scheiterhaufen und Bücherverbrennungen scheinen am Horizont auf. Warum wird das nicht wahrgenommen? Weil die Hexenjäger heute keine Kutten tragen oder braune Hemden? Fällt denn niemanden auf, dass einige Gewalt-Aktionen der Antifa Züge der SA tragen? Dass die SPD-Chefin Saskia Esken oder der Bundespräsident Verdammungspredigten gegen Andersdenkende halten? Dass abweichende Meinungen im Rundfunk und den „führenden“ Medien kaum mehr vorkommen? Dass Zensur wieder auflebt? Dass Journalisten, die unerwünschte Themen anfassen, als „mutig“ bezeichnet werden und dass sie alsbald keine Aufträge mehr bekommen? Dass die Mehrzahl der anscheinend Mutigen schon pensioniert sind? 

Indem ich dies feststelle, muss ich Jan Josef Liefers' Disclaimer jetzt doch auch mit mehr Verständnis sehen. Verständnis für einen Mann, der noch mitten im Berufsleben steht und eine Karriere verlieren kann. Ich nehme die Kritik von seinen Schultern und lege sie auf die Schultern all derjenigen, die diesen katastrophalen uralten Geist aus der Gruft hervorgezogen haben, der alle Freiheiten nach und nach verätzt. Das sind die alten Parteien, die bei allem brav mitspielen und offenbar nix merken, das sind medial präsente Intellektuelle, für die das selbe gilt und das sind die alten, angeblich „seriösen“ Medien. 

Und hiermit distanziere ich mich von allem, insbesondere von dem oben Gesagten...

Nachtrag 24.04.2021: Inzwischen haben auch einige andere Künstler sich „distanziert“ oder sich entschuldigt bei den empörten Menschen, die die Aktion „nicht richtig verstanden“ haben. Einige Videos sind bei youtube gelöscht oder von der Künstlerin selbst zurückgenommen worden (z.B. Heike Makatsch). Von den ursprünglich 53 Videos, sind inzwischen nur noch 41 zugänglich. 

Schade? - Nein, das alles  bestätigt nur die Aussage der Aktion, dass wir in einer furchtbaren Verwirrung, einem geistigen und gesellschaftlichen Chaos leben. Vermutlich ganz so, wie es die Verursacher  hinter den Kulissen geplant haben. Allmählich sind wir genügend weich gekocht für die kommenden Zumutungen.

Nachtrag 25.04.2021: Dietrich Brüggemann: „Die Videos verhöhnen nicht die Opfer der Corona-Pandemie und auch nicht das medizinische Personal, sondern: Euch. Und Publikumsbeschimpfung ist die erste Aufgabe der Kunst. Die Reaktion zeigt: Es hat funktioniert.“  — Ein Mitinitiator von #allesdichtmachen rechnet mit Kritikern ab.

Nachtrag 26.04.2021:  ... da waren's nur noch 32 ...  und: Ulrich Tukur

Jörg Phil Friedrich: Warum überhaupt der Aufschrei? 
„Der wunde Punkt, den diese Aktion getroffen hat, ist ein anderer: Uns, die wir uns an die Regeln halten, auch wenn sie absurd sind, die wir brav tun, was die Regierung verordnet, die wir einigen Experten an den Lippen hängen und andere beschimpfen, weil sie etwas anderes sagen, die wir dem unkritischen Journalismus ebenso unkritisch lauschen, wird der satirische Zerrspiegel vorgehalten. Es gibt wohl nur wenige, die die Fähigkeit besitzen, sogleich zu sagen: „Ok, das ist ein bisschen oder ganz schön übertrieben, aber hier und da ist da was Wahres dran, ich muss da mein eigenes Verhalten kritisch überdenken“. Ganz natürlich ist es, auf ein solches – zudem satirisch verfremdetes – Spiegelbild mit Ablehnung zu reagieren. Der Aufschrei ist also verständlich, und die hier dargestellten Mechanismen der Zurückweisung sind es auch. Bleibt zu hoffen, dass es nicht dabei bleibt, dass die, die sich heute noch empören nach ein paar Tagen noch mal auf die Videos schauen können und mit etwas Gelassenheit fragen, was denn Wahres dran ist an diesen Karikaturen, und warum man da überhaupt so aggressiv reagiert hat.“