Vom Schulhofschläger zum Tyrann

Ich habe neulich in einem Leserbrief das Verhalten der USA plus NATO-Vasallen mit einem Schulhofschläger verglichen. Eine Entgegnung warf mir vor, dass meine Sichtweise von russischer Propaganda beeinflusst sei. Mag sein, dass es so ist. Meine Begründung für den Schulhofschläger-Vergleich waren die zahllosen illegalen Kriege, mit denen die USA mit oder ohne NATO in vielen Ländern Verwüstung angerichtet hat. Die Kriege sind Tatsachen, die man nicht als Propaganda-Erfindung wegzaubern kann. Und inzwischen wird offensichtlich, dass die Menschen in immer mehr Ländern der Erde es genauso sehen und sogar noch härter formulieren, wie zum Beispiel der chinesische Artikel zeigt, der heute im Wochenrückblick der NachDenkSeiten erschienen ist:

„So plündert der „amerikanische Tyrann“ die Dorfbewohner aus
Es gibt ein Dorf, in dem der reichste Dorftyrann nicht nur in die Häuser der Armen einbricht, sondern auch ihren Besitz stiehlt. Das Dorf heißt Global Village und der Dorftyrann heißt Amerika.“

Noch immer halten sich die Menschen im „Westen“ für den Nabel der Welt, der den anderen sagen kann, wo es lang geht. Der Westen ist auf der Welt aber eine Minderheit und die meisten Länder sehen uns aus ihrer Perspektive ganz anders. 

Ein Perspektivwechsel könnte erhellend sein: Dass man zum Beispiel in die Schuhe von Russen steigt, an deren Landesgrenze die NATO Raketenbasen baut, mit denen man Moskau in 5 Minuten oder weniger zerstören kann, oder in die Schuhe eines afrikanischen Bauern, der durch die Einfuhr von subventionierten Hühnerfleisch aus der EU ruiniert wurde, oder eben in die Schuhe eines Syrers, der sieht, wie amerikanische GIs syrisches Öl stehlen. Ein solcher Perspektivwechsel, zu dem empathische Menschen fähig sind, ist aber politisch nicht gewünscht. Schnell wird man mit Schlägerworten wie „Putinversteher“ ins Abseits gestellt oder neuerdings sogar strafrechtlich verfolgt, weil man „Putins Krieg legitimiert oder relativiert“ 
(siehe Alina Lipp). 

Immer rabiater versuchen Staatsorgane Kritik an den Verhältnissen und am Regierungshandeln zu unterbinden, indem sie alle verfügbaren Sprachgeschosse auffahren: Verschwörungsgläubige, Esoteriker, Rassisten, Rechtsradikale, Antisemiten. Nancy Faeser (BMI) hat neulich ein beredtes Beispiel in ihrem „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ dafür abgeliefert; die Verbindung mit „Verschwörung-“ kommt darin 9 mal vor.
Wie soll man in diesem Klima sachlich, korrekt und kritisch die Lage beurteilen und gar einen Perspektivwechsel vollziehen?

Man kann nur hoffen, dass diese Hysterie-Blase bald platzt und sich nicht in einen dystopischen Dauerzustand aushärtet.