Lesefrüchte

Juni 2021

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Sergej Lawrow: „Das Gesetz, die Rechte und die Regeln“  
Simone Hörrlein:
Die Verschwörungsleugner

DWN im Interview
mit dem Münchener Wirtschaftsethiker Christop Lütge
Paul Schreyer: Oppositionsmedien unter Feuer


 

Sergej Lawrow: „Das Gesetz, die Rechte und die Regeln“  
Auszug aus einer Rede des russischen Außenministers 
(...)
Die Politik, dass sich die Russische Föderation eigenständig, unabhängig und unter Wahrung der nationalen Interessen entwickelt und gleichzeitig offen ist für Vereinbarungen mit ausländischen Partnern auf gleicher Augenhöhe, steht seit langem im Mittelpunkt aller Positionspapiere zur Außenpolitik, nationalen Sicherheit und Verteidigung. Nach den praktischen Schritten zu urteilen, die der Westen in den letzten Jahren unternommen hat, dachte er jedoch wahrscheinlich, dass Russland es nicht wirklich ernst meint, was es predigt, als ob es nicht die Absicht hätte, diese Prinzipien zu befolgen. Dazu gehört auch die hysterische Reaktion auf Moskaus Bemühungen, sich für die Rechte der Russen nach dem blutigen Regierungsputsch in der Ukraine 2014 einzusetzen, der von den USA, der NATO und der EU unterstützt wurde. Sie dachten, wenn sie etwas mehr Druck auf die Eliten ausübten und ihre Interessen ins Visier nahmen, während sie persönliche, finanzielle und andere sektorale Sanktionen ausweiteten, würde Moskau zur Vernunft kommen und erkennen, dass es auf seinem Entwicklungspfad mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert würde, solange es nicht „sein Verhalten ändert“, was bedeutet, dem Westen zu gehorchen. Selbst als Russland deutlich machte, dass wir diese Politik der USA und Europas als neue Realität betrachten und in wirtschaftlichen und anderen Fragen von der Prämisse ausgehen werden, dass wir uns nicht auf unzuverlässige Partner verlassen können, beharrte der Westen darauf, dass Moskau am Ende des Tages „zur Vernunft kommen“ und um der finanziellen Belohnung willen die erforderlichen Zugeständnisse machen wird. Lassen Sie mich betonen, was Präsident Wladimir Putin bei mehreren Gelegenheiten gesagt hat: Es hat seit den späten 1990er Jahren keine einseitigen Zugeständnisse gegeben und es wird sie auch nie geben. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, verlorene Gewinne und den Ruf von Unternehmen wiederherstellen wollen, lassen Sie uns zusammensitzen und uns auf Wege einigen, wie wir einander auf halbem Weg entgegenkommen können, um faire Lösungen und Kompromisse zu finden.

Es ist wichtig, dass der Westen versteht, dass dies eine fest verwurzelte Weltanschauung der Menschen in Russland ist, die die Haltung der überwältigenden Mehrheit hier widerspiegelt. Die „unversöhnlichen“ Gegner der russischen Regierung, die auf den Westen setzen und glauben, dass alle Probleme Russlands von seiner antiwestlichen Haltung herrühren, befürworten einseitige Zugeständnisse, um die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen und hypothetische finanzielle Vorteile zu erhalten. Aber sie sind in der russischen Gesellschaft völlig marginal. Während seiner Pressekonferenz am 16. Juni 2021 in Genf machte Wladimir Putin überdeutlich, worauf der Westen aus ist, wenn er diese marginalen Kräfte unterstützt.

Das sind störende Bestrebungen, soweit es die Geschichte betrifft, während die Russen immer Reife, Sinn für Selbstachtung, Würde und Nationalstolz bewiesen haben und die Fähigkeit, unabhängig zu denken, besonders in schwierigen Zeiten, während sie dem Rest der Welt gegenüber offen bleiben, aber nur auf einer gleichberechtigten, gegenseitig vorteilhaften Basis. Nachdem wir die Wirren und das Chaos der 1990er Jahre hinter uns gelassen haben, wurden diese Werte zum Fundament des außenpolitischen Konzepts Russlands im 21. Jahrhundert. Das russische Volk kann selbst entscheiden, wie es die Handlungen seiner Regierung beurteilt, ohne Aufforderungen aus dem Ausland zu erhalten.

Was die Frage betrifft, wie man auf der internationalen Bühne vorgehen soll, so werden die Staatsoberhäupter zweifelsohne immer eine wichtige Rolle spielen, aber sie müssen ihre Autorität bekräftigen, neue Ideen anbieten und durch Überzeugung und nicht durch Ultimaten führen. Die Gruppe der Zwanzig ist unter anderem eine natürliche Plattform für die Ausarbeitung von für beide Seiten akzeptablen Vereinbarungen. Sie bringt die führenden Volkswirtschaften zusammen, junge und alte, einschließlich der G7, sowie die BRICS und ihre gleichgesinnten Länder. Russlands Initiative zur Bildung einer „Greater Eurasian Partnership“ durch die Koordinierung der Bemühungen von Ländern und Organisationen auf dem gesamten Kontinent birgt ein starkes Konsolidierungspotenzial.

Für das Streben zur Erleichterung eines ehrlichen Gesprächs über die wichtigsten Fragen der globalen Stabilität schlug Präsident Wladimir Putin vor, ein Gipfeltreffen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats einzuberufen, die eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Stabilität auf dem Planeten haben.

Ungeachtet aller Ambitionen und Drohungen bleibt unser Land einer souveränen und unabhängigen Außenpolitik verpflichtet und gleichzeitig bereit, eine einigende Agenda in internationalen Angelegenheiten anzubieten, die der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt in der heutigen Welt gebührend Rechnung trägt. Konfrontation ist nicht unsere Wahl, egal aus welchen Gründen. Am 22. Juni 2021 veröffentlichte Wladimir Putin einen Artikel „Offen sein, trotz der Vergangenheit“, in dem er betonte: „Wir können es uns einfach nicht leisten, die Last vergangener Missverständnisse, harter Gefühle, Konflikte und Fehler zu tragen.“ Er sprach auch über die Notwendigkeit, Sicherheit ohne Trennlinien, einen gemeinsamen Raum für gerechte Zusammenarbeit und inklusive Entwicklung zu gewährleisten. Dieser Ansatz stützt sich auf die tausendjährige Geschichte Russlands und entspricht voll und ganz dem gegenwärtigen Stadium seiner Entwicklung. Wir werden weiterhin das Entstehen einer Kultur der internationalen Beziehungen fördern, die auf den höchsten Werten der Gerechtigkeit beruht und allen Ländern, ob groß oder klein, eine Entwicklung in Frieden und Freiheit ermöglicht. Wir werden immer offen bleiben für einen ehrlichen Dialog mit jedem, der die gegenseitige Bereitschaft zeigt, einen Interessenausgleich zu finden, der fest im Völkerrecht verankert ist. Das sind die Regeln, an die wir uns halten.

 


 

Simone Hörrlein: Die Verschwörungsleugner
(...)
Die Superclass und der Davos-Mann
Doch Quigley, Sutton und Talbot sind nicht die Einzigen, die von einer Machtelite sprechen, welche die Geschicke unserer Welt lenkt. Auch David Rothkopf, ein langjähriger Gast des Weltwirtschaftsforums (WEF) im schweizerischen Davos, spricht in seinem 2008 erschienenen Bestseller „Superclass — The Global Power Elite And The World They Are Making“ (7) davon, dass eine relativ kleine Gruppe globaler Finanzeliten hinter den Kulissen unsere Welt kontrolliert.

Auch Rothkopf ist weit entfernt davon, ein Verschwörungstheoretiker zu sein, er war, unter anderem, Geschäftsführer bei Kissinger Associates, einer internationalen Beratungsfirma, gegründet vom früheren US-Außenminister Henry Kissinger. Außerdem war er Mitglied im elitären Club des „Council on Foreign Relations”, der schon 1974 das Dokument „The Hard Road to World Order” publiziert hat.

Laut Rothkopf verfolgen etwa 6.000 Menschen, die alle auch dem illustren Club des WEF angehören, das Ziel, die Geschicke der Welt nach ihren Wünschen zu lenken. Diese globale Machtelite könnte traditionelle Regierungen obsolet machen, sie beabsichtige dies sogar, sagt Rothkopf. Das besondere an diesen Menschen, die davon überzeugt sind, eine „globale Elite“ zu sein, sei, dass sie tiefere Verbindungen zueinander entwickelt hätten als zu ihren Heimatländern und Regierungen.

Diese Leute gingen auf dieselben Schulen, säßen gemeinsam in den Vorständen globaler Unternehmen und gemeinnütziger Organisationen und plauderten regelmäßig auf Konferenzen wie dem WEF in Davos, außerdem machten sie ständig Geschäfte miteinander.

Dies alles stärke den Zusammenhalt und habe dazu geführt, dass diese Elite zu einer „Klasse ohne Land“ geworden sei und sich als die „neue Führungsklasse für unser Zeitalter“ sähe.

Den wichtigen Kern dieser Elite bilden laut Rothkopf finanzstarke Geschäftsleute, allen voran Hedgefonds-Manager, Technologieunternehmer und Private-Equity-Investoren. Aber auch der Papst sei ein Mitglied der Superklasse und Osama bin Laden gehörte ebenfalls dazu. Der russische illegale Waffenhändler Viktor „Merchant of Death“ Bout sei ein Mitglied, ebenso wie Rupert Murdoch und Bill Clinton. Letzterer sei zwar nicht mehr Oberbefehlshaber der Supermacht USA, übe seinen Einfluss aber durch die „Clinton Global Initiative“ aus.

Ähnlich wie Rothkopf sah auch der konservative Gelehrte Samuel Huntington den sogenannten „Davos-Mann“ (8):

Er ist ein Mensch, der „wenig Bedürfnis nach nationaler Loyalität hat, nationale Grenzen als Hindernisse betrachtet — die zum Glück verschwinden — und nationale Regierungen als Überbleibsel aus der Vergangenheit sieht, deren einzige nützliche Funktion darin besteht, die globalen Operationen der Elite zu erleichtern.“

Auch dem 2008 verstorbenen Huntington kann man nur schwer vorwerfen, er verbreite Verschwörungstheorien. Als Politikwissenschaftler verbrachte er mehr als ein halbes Jahrhundert an der Harvard University, wo er Direktor des „Harvard Center for International Affairs“ und „Albert J. Weatherhead III University Professor“ gewesen ist. Zudem war Huntington unter Jimmy Carter Koordinator für Sicherheitsplanung im Nationalen Sicherheitsrat.

Die Traumwelt der Verschwörungsleugner

Weshalb also ordnen Butter und seine Kollegen, trotz umfassender Literatur und zahlreichen offiziellen Dokumenten, Verschwörungen als Verschwörungstheorien ein? Weshalb verfassen „gebildete” Menschen einen „Leitfaden Verschwörungstheorien” (9), der an Ignoranz kaum mehr zu übertreffen ist. So ist die in diesem Leitfaden erwähnte Anti-Impf-Verschwörungstheorie eine Peinlichkeit und nicht mehr als Propaganda. Ziel dieser nicht besonders intelligenten Propaganda dürfte es sein, Menschen mit abweichenden Meinungen zu Impfungen, die in einer freien Gesellschaft völlig legitim sein sollten, in eine bestimmte Ecke zu drängen.

Im Leitfaden heißt es, dass ein vermeintlich profitorientiertes Komplott zwischen Regierung und Pharmaindustrie widerlegt werden müsse, anderenfalls hätte dies nicht nur signifikant negative Auswirkungen auf die Absicht, sich impfen zu lassen, sondern auch auf die generelle Einstellung der Bevölkerung zur Impfung.

Ein „vermeintlich profitorientiertes” Komplott? Dieser Unsinn treibt jedem, der die Pharmaindustrie und ihre Machenschaften von innen kennengelernt hat, vor Lachen die Tränen in die Augen. In der Pharmaindustrie geht es, wie auch in jedem anderen Unternehmen, ausschließlich um Profit. Pharmaunternehmen sind weder Wohltätigkeitsveranstaltungen, noch dienen sie unserer Gesundheit. Ihre Herren sind ihre Investoren und für die gilt es, möglichst hohe Renditen zu erzielen. Und was wäre wohl besser geeignet, die Profite in die Höhe zu treiben, als eine Ausweitung des Marktvolumens eines Produktes auf die gesamte Menschheit?

Wie, wenn nicht mit einem profitorientierten Komplott, ließe sich erklären, dass wir die finanziellen Mittel für die Impfung von sieben Milliarden Menschen aufbringen sollen für eine Erkrankung, die laut Professor John Ioannidis von der Stanford Universität nicht gefährlicher ist als die Grippe. Ist das nicht eine gigantische Goldgrube, wenn es gelänge, unter Berücksichtigung der jährlichen Coronavirus-Mutationen, der gesamten Menschen eine oder vielleicht auch zwei jährliche Impfungen zu verkaufen?

Für ein profitorientiertes Komplott spricht auch eine Pressemitteilung (10) des Bundesgesundheitsministeriums, in der eine Analyse von Professor Boris Augurzky und Professor Reinhard Busse vorgestellt wird. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2020 im Jahresdurchschnitt lediglich 4 Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt gewesen sind.

Sieht so eine gefährliche Pandemie aus? Muss deswegen von Amts wegen die gesamte mittelständische Wirtschaft gegen die Wand gefahren werden?

Nein, nicht die sogenannten Verschwörungstheoretiker, die Verschwörungsleugner leben in einer Traumwelt. Menschen, die den Einfluss globaler Machteliten auf die Geschehnisse der Welt vehement verneinen und hinter jeder Ecke einen Verschwörungstheoretiker vermuten, leben in einer Illusion, in einer idealen Welt, die es leider nur im Märchen gibt. Wie unsere Welt wirklich ist, zeigen immer wieder auch Whistleblower wie der Amerikaner John Perkins.

Die Economic Hit Men ... (weiterlesen)

 


 

Paul Schreyer: Oppositionsmedien unter Feuer

Immer mehr Journalisten und Medien wird derzeit das Bankkonto gekündigt oder dies angedroht, darunter Boris Reitschuster, KenFM, Oval Media oder dem deutschen Ableger des russischen Nachrichtenportals RT. Auch Vereine sind betroffen, so etwa der von Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg geleitete Zusammenschluss „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“. Allen Fällen gemeinsam ist, dass es sich um Regierungskritiker handelt und die Banken ihre Kündigungen nicht begründen. Was geht hier vor?

Es sind Nachrichten, wie man sie sonst nur aus Diktaturen kennt: Oppositionelle Journalisten geraten unter Druck, ihre Veröffentlichungen werden von den großen Portalen willkürlich gelöscht, staatliche Behörden beginnen damit, redaktionelle Inhalte zu überprüfen und Banken kündigen die Konten. Steigern ließe sich diese Entwicklung allenfalls noch durch Verhaftungen und Anklagen wegen staatsgefährdender Hetze. Undenkbar erscheint inzwischen auch das nicht mehr.

Der Fall RT ...
Der Fall MWGFD ...
Der Fall Reitschuster ...
Der Fall KenFM ...

Der Fall Oval Media
Die etwa 50 Mitarbeiter zählende Filmproduktionsfirma Oval Media filmt unter anderem die Sitzungen des Corona-Ausschusses, wo seit Sommer 2020 bis heute auf der Grundlage von Zeugenaussagen fachkundiger Experten das Handeln der Regierung in der Corona-Krise in Frage gestellt wird. Der Corona-Ausschuss hat mithilfe der von Oval Media produzierten Videos eine große Reichweite im deutschsprachigen Raum.

Im April wurde das Konto der Firma bei der Volksbank Beckum-Lippstadt gekündigt. Firmenchef und Filmemacher Robert Cibis pendelt seit vielen Jahre zwischen Paris, Köln und Berlin, führt aber aus alter Verbundenheit bis heute das Firmen- und Spendenkonto seines Unternehmens bei dieser kleinen lokalen Volksbank aus seiner Heimatstadt. Die Kündigung behindert nun die Finanzierung der laufenden Projekte des Unternehmens, da diese zum großen Teil von kontinuierlichen Spenden der Zuschauer abhängen.

In einem demnächst erscheinenden Artikel von Richard Richter zu dieser Kündigung, der Multipolar vorliegt, wird auf einen wesentlichen, übergreifenden Aspekt hingewiesen: Das Problem der Politisierung der alltäglichen Bankgeschäfte der Bürger. So schreibt Richter:

„Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als Republik. Es gehört zum Wesen einer republikanischen Ordnung, dass die politische Auseinandersetzung in ihr auf bestimmte Sphären eingegrenzt wird. Diese sind im Wesentlichen das Parlament, die Presse, die Gerichte, Verbände und Vereine und nicht zuletzt auch 'die Straße', nämlich in Form von Demonstrationen, Öffentlichkeitsarbeit etc. (…) Dieser politischen Sphäre der Republik steht eine unpolitische Sphäre gegenüber, die für ihren Erhalt mindestens ebenso wichtig ist. (…)

Diese unpolitische Sphäre wird von den zur Erhaltung der Gesellschaft notwendigen Institutionen bestimmt, also den Schulen, den Krankenhäusern, den Geschäften, der Strom- und Wasserversorgung und den Banken. Die Supermärkte zum Beispiel sind für alle Menschen geöffnet, auch für die Wähler extrem rechter oder extrem linker Parteien. Das Gleiche gilt für die Strom- und Wasserversorgung, den Zugang zu Schulen und Krankenhäusern usw. Die Herausnahme bestimmter gesellschaftlicher Institutionen aus der politischen Auseinandersetzung stiftet überhaupt erst die Gemeinschaft, die dann zur Grundlage der politischen Auseinandersetzung werden kann. Indem darauf verzichtet wird, die alltäglichen Dienstleistungen des gesellschaftlichen Lebens zu politisieren, wird erst die Freiheit ermöglicht, deren genaue Bestimmung dann selbst zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung werden kann. (…)

Steuern wir auf eine Situation zu, in der kritische Journalisten, Publizisten und Filmemacher durch Kontensperrungen nicht länger ihrer Arbeit nachgehen können? Tatsächlich muss man bereits jetzt befürchten, dass nach dem Bankenausschluss womöglich die Stromversorgung oder sogar der Zugang zu Schulen und Kindergärten an politisches Wohlverhalten geknüpft werden könnte.“

Mit anderen Worten: Menschen und Institutionen, die Andersdenkende nicht mehr nur auf dem politischen Feld, sondern sozusagen in einem „totalen Krieg“ auf allen gesellschaftlichen Ebenen bekämpfen, zerstören damit die Grundordnung des Gemeinwesens. Es handelt sich bei diesen Versuchen einer vollständigen sozialen Ausgrenzung und wirtschaftlichen Vernichtung um nichts weniger als einen Angriff auf die verfassungsmäßige republikanische Ordnung.

(Ergänzung 30.5.: Der zitierte Artikel von Richard Richter ist mittlerweile erschienen.)

 


 

DWN im Interview mit dem Münchener Wirtschaftsethiker Christop Lütge

Im Interview mit den DWN berichtet der Münchener Wirtschaftsethiker Christoph Lütge, wie er aufgrund seiner Kritik an den Corona-Maßnahmen vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder geschasst wurde, und welche Gefahren er für die Freiheit in unserer Gesellschaft sieht.
(...)
Christoph Lütge: Wenn kritische Stimmen mundtot gemacht werden, wie es in dieser Republik zunehmend geschieht, befinden wir uns auf einem gefährlichen Weg.
(...)
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Stimmt es, dass Sie dem Virologen Christian Drosten eine unverantwortliche Angst-Rhetorik vorgeworfen haben?

Christoph Lütge: Ja, das habe ich im Januar auf Twitter getan, als er vor bis zu 100.000 Corona-Fällen pro Tag im Sommer warnte. Drosten schürt Panik, und das entspricht nicht den wissenschaftlichen Gepflogenheiten. In die Riege der Angstmacher reiht sich auch Otto Kölbl ein, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Lausanne und Co-Autor des sogenannten „Panikpapiers“, das im Auftrag des Innenministeriums erstellt worden ist. Die Frage ist: Treiben Leute wie Drosten die Politik vor sich her? Oder dienen deren Äußerungen der Politik als Vorwand, um genau die Entscheidungen durchzusetzen, die sie ohnehin durchsetzen will?

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In den Augen der Öffentlichkeit gilt Christian Drosten als seriöser Wissenschaftler, und immer wieder ist zu hören, die Bürger mögen doch „der Wissenschaft“ vertrauen. Wie definieren Sie denn „Wissenschaft“, und gibt es überhaupt die eine Wissenschaft?

Christoph Lütge: Es gibt natürlich bewährte wissenschaftliche Erkenntnisse, die vielen empirischen Prüfungen standgehalten haben – aber es gibt in vielen Bereichen nicht einfach die eine Wissenschaft. Wissenschaft lebt vom Wettbewerb der Ideen. Ein guter Wissenschaftler ist immer auch bereit, seine Ergebnisse im Lichte neuer Erkenntnisse zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verwerfen. Wissenschaft ist ein Prozess, der wohl nie an ein Ende kommt.
Denn je mehr die Wissenschaft entdeckt, desto mehr Fragen wirft sie auf. Der Wissenschaftler ist, wenn Sie so wollen, auf der Suche nach der Wahrheit, der Priester verkündet sie. Wenn Wissenschaft zum Dogma erstarrt – und leider kann ich eine solche Tendenz bezüglich der aktuellen Corona-Debatte erkennen – verliert sie ihre Wissenschaftlichkeit. Der Aufruf von Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, nichts zu hinterfragen, ist insofern zutiefst unwissenschaftlich. Wenn wir in der aktuellen Corona-Debatte nichts mehr hinterfragen und alles schlucken, was uns von offizieller Seite verkündet wird, wechseln wir in das Feld der Religion, eines Kultes. Und wir machen Leute wie beispielsweise Drosten zu Hohepriestern in weißen Kitteln. Einer aufgeklärten Gesellschaft ist dies nicht würdig.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: In Ihrem Buch „Und die Freiheit?“ rufen Sie zu einer Rückkehr zur Freiheit auf. Was bedeutet für Sie Freiheit, und wie lassen sich das Bedürfnis nach Freiheit und das nach Sicherheit am besten austarieren?

Christoph Lütge: „Austarieren“ ist vielleicht das falsche Wort, denn es suggeriert, dass ich, wenn ich von dem einen mehr aufgebe, von dem anderen mehr bekomme. Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten, wird ja das Zitat in den Mund gelegt: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ Die Originalquelle liest sich übrigens ein wenig differenzierter: „Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.“ Hier ist also sogar von der Aufgabe grundlegender Freiheit gegen ein wenig vorübergehende Sicherheit die Rede. So oder so: Auch ich gehe davon aus, dass dies kein Nullsummenspiel ist und dass sich absolute Sicherheit nicht durch die Aufgabe essentieller Freiheiten erkaufen lässt. Dies wäre ein Trugschluss, der uns in den Totalitarismus führen würde.






 

 

 





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