Lesefrüchte

November 2024

 

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Lesefrüchte im vergangenen Monat   
Dirk Pohlmann: ... schlechthin konstituierend für Demokratie
Hauke Ritz:
Niedergang des Westens und Europas
Diagnose:Funk: Deutungshoheit zu Risiken der Mobilfunkstrahlung
Wolfgang Bittner:
„Niemand soll hungern ohne zu frieren“

Thomas Röper:
Wenn Israels Vorgehen in Gaza kein Völkermord ist, ...


 

Hier präsentieren wir mal den kompletten Leitartikel von Free21 (5/2024), weil er als Ganzes, einschließlich des Spendenaufrufs für CJ. Hopkins, wirken soll. 

Dirk Pohlmann: ... schlechthin konstituierend für Demokratie

Liebe Leserinnen, liebe Leser, 

In dieser Ausgabe von Free 21 geht es um den fortschreitenden Verfall der westlichen Demokratien. „Der freie Westen“ ist ein Begriff, der bei vielen Menschen nur noch Sarkasmus hervorruft. Seine angeblichen Werte provozieren Ein-Wort- Antworten. 

Meinungs und Pressefreiheit? Julian Assange! Internetzensur! Senderverbote! 
Menschenrechte? Guantanamo! Gaza- Krieg! 
Rechtsstaatlichkeit? COVID-Maßnahmenstaat! Patriot Act! 

Es ist sicher richtig, dass der Staat nicht nur in totalitären Diktaturen oder autokratisch regierten Ländern allzeit bereit zu Übergriffen ist. Das liegt in seiner Natur. Deswegen sind nach schweren Kämpfen Mechanismen wie die Gewaltenteilung oder „Checks and Balances“ eingeführt worden, durch Revolutionen, Umstürze oder verlorene Kriege. 

Aber während sich der freie Westen einst, im Kalten Krieg, über seine Freiheitsrechte definierte, sie sogar zum artbildenden Unterschied gegenüber dem „kommunistischen Ostblock“ hochstilisierte, gibt er sich mittlerweile nicht einmal mehr Mühe, den Eindruck aufrechtzuerhalten, er sei im Wesen anders als eine beliebige Bananenrepublik der 50er Jahre. 

Der Staat und seine Organe lassen uns mit abgezirkelter Gewalt spüren, dass sie einfach nicht mehr so unsterblich in die Freiheit verknallt sind, wie sie Jahrzehnte behauptet haben. Mittlerweile ist im Umgang des Staates mit seinen Bürgern sozusagen häusliche Gewalt unter Alkoholeinfluss an der Tagesordnung. 

Von der Rechtslehre her sind alle Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat. Die flächendeckend eingerissene Idee, dass ausgerechnet der Staat die Demokratie mit Geldgeschenken an ihn genehme Gruppen fördert und Demonstrationen organisieren sollte, um die Demokratie zu schützen, klingt nicht nur „sowjetisch“, sie ist es auch. 

Wir haben es im Westen zunehmend mit Regierungen zu tun, die sich selbst mit der Demokratie verwechseln. Der Schutz der herrschenden Regierung durch staatliche Maßnahmen ist keine Demokratie, sondern das Gegenteil davon.

„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus precieux de 1‘homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsord- -nung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).“ 

Mit diesem Urteil aus dem Jahr 1958, in dem das deutsche Bundesverfassungsgericht einen US-Bundesrichter und einen Haupttext der Aufklärung zitiert, hat es Rechtsgeschichte geschrieben. Jeder Jurastudent muss es kennen. Jeder demokratisch gesonnene Bürger sollte es als Wirklichkeit erleben können . 

Als Geste gegenüber dem jetzt in Deutschland gerade erneut und ohne Berufungsmöglichkeit verurteilten US-Satiriker CJ Hopkins, der sich aus Liebe zur Berliner Freiheit vor etwa 30 Jahren hier niederließ, bitten wir um Spenden für seinen Versuch, den Fall vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. (Christopher Hopkins IBAN: DE39 1007 0024 0111 9254 00 BIC/SWIFT: DEUTDEDBBE, Deutsche Bank Berlin) 
Und wir bitten um Ihren Widerstandsgeist zum Wohle einer Demokratie, die ihren Namen verdient. 

Dirk Pohlmann, Chefredakteur Free21

 


 

Hauke Ritz: Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas

Wir geben hier als Appetithappen einen Teil des Kapitels 1.1 wieder:

1.1 Eine Kinderfrage 
»Warum hasst der Westen Russland so sehr?« (...)
Was wie eine Kinderfrage anmutet, öffnet doch die Tür zu den tiefsten Geheimnissen unserer gegenwärtigen Epoche. Wer oder was ist die westliche Welt, dass sie sich nach zwei Weltkriegen und einem Kalten Krieg erneut in einem kriegerischen Konflikt mit Russland befindet? Wäre es unter Umständen möglich, gerade mittels dieser Frage einige Rätsel der Gegenwart zu lüften? Und vielleicht verhilft uns gerade diese Frage zu einer neuen Orientierung in dieser schwer verständlichen Zeit. Warum also hasst der Westen Russland so sehr? Auf den folgenden Seiten soll ein Versuch unternommen werden, diese Frage einer polnischen Youtuberin zu beantworten. 

Der Zweite Weltkrieg wurde vom faschistischen Deutschland als Vernichtungskrieg geführt. Das Kriegsziel bestand in einer Ausdünnung der russischen Bevölkerung sowie der Versklavung der Überlebenden. Praktisch bedeutete dies, dass während des Russlandfeldzugs Tausende von Dörfern samt ihren Bewohnern ausgelöscht wurden, dass Millionen von Kriegsgefangenen erschossen oder dem Tod durch Hunger und Zwangsarbeit preisgegeben wurden. Während der Genozid an den europäischen Juden mittlerweile aufgearbeitet und zum Teil einer Erinnerungskultur geworden ist, ist das Verbrechen der Nazis an den slawischen Völkern und insbesondere den Russen bis heute kaum in die kollektive Erinnerung eingegangen. Wie real dieser Vernichtungskrieg gegen die sowjetische Bevölkerung erfolgte, ist schon an den Zahlen ersichtlich. Die Sowjetunion verlor im Zweiten Weltkrieg ca. 15 Prozent ihrer Bevölkerung, nämlich 27 Millionen Menschen, von denen ungefähr 16 Millionen Zivilisten waren. 

Doch diesem ungeheuren Verbrechen waren Jahrhunderte intensiver Beziehungen zwischen Deutschland und Russland vorangegangen. Zwischen der Zeit Peter des Großen zu Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur Amtszeit Bismarcks am Ende des 19. Jahrhunderts bestand sogar eine Deutsch-Russische Allianz, die sich durch einen engen Handels- und Kulturaustausch, militärische Allianzen sowie die Auswanderung von Hunderttausenden von Deutschen nach Russland manifestierte. In dieser Zeit hat Russland einen großen Teil seiner Modernisierung in Kooperation mit deutschen Wissenschaftlern, Kaufleuten, Handwerkern und Diplomaten erfahren. In vielen russischen Regierungskabinetten arbeiteten Deutsche als Minister, dreimal waren Deutsche in Russland Kanzler und in Gestalt Katharina der Großen sogar einmal Zarin. 

Es war diese Vergangenheit, die schließlich die Erfahrung des von Deutschland initiierten Vernichtungskrieges überwog und dazu führte, dass sich die Sowjetunion nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges allmählich wieder Deutschland zu wandte. Zunächst der DDR, dann ab den 1979er Jahren auch Westdeutschland, dessen Entspannungspolitik neues Vertrauen schuf und schließlich im Gas-Röhrengeschäft sogar zu einer wirtschaftlichen Kooperation führte. Ab den späten 1980er Jahren ging die Sowjetunion sogar so weit, gegenüber Deutschland die Möglichkeit einer Wiedervereinigung anzusprechen und voranzu treiben. Denn so sehr der deutsche Vernichtungskrieg in Vergessenheit geraten ist, so sehr ist auch vergessen worden, dass Deutschland seine Wiedervereinigung im Wesentlichen der Sowjetunion zu verdanken hat. Frankreich und Großbritannien lehnten die Idee einer deutschen Vereinigung zunächst ab und die USA war nur unter der Bedingung fortgesetzter NATO-Mitgliedschaft und amerikanischer Truppenpräsenz (einschließlich der Atomwaffen) dazu bereit. Letztlich war es die Sowjetunion, die durch Erfüllung der amerikanischen Bedingungen den Weg zur deutschen Einheit freimachte und zudem noch ihre Truppen aus dem gesamten sowjetischen Einflussbereich Osteuropas abzog. Hinter dieser großen Geste stand letztlich der Wunsch der russischen Gesellschaft, wieder ein Teil Europas zu sein und erneut intensive Beziehungen zu Deutschland zu entwickeln, das man trotz des Zweiten Weltkrieges achtete. Nie zuvor hat ein Imperium so viel Macht so schnell - lediglich für das Versprechen der Freundschaft - aufgegeben. Und doch quellen unsere Zeitungen, Fernseh- und Radiosender heute nur so über vor Ablehnung von allem Russischen. Die Frage »Warum hasst der Westen Russland so sehr?« ist von höchster Aktualität. Und man muss ergänzend fragen: »Warum beteiligt sich Deutschland daran?« 

Sicherlich spielen die Geographie Russlands und die gewaltigen Rohstoffe des Landes hierbei eine Rolle. Wer so viel besitzt, der weckt Begehrlichkeiten. Sicherlich geht es wie so oft in der Weltgeschichte um Macht- und Geopolitik. Aber Ania K. hätte die Frage dennoch nicht gestellt, wenn es nur darum gehen würde. Denn man kann förmlich spüren, dass in dem Hass, den Hunderte von Artikeln und Fernsehbeiträgen jeden Tag über Russland ausschütten, Kräfte am Werk sind, die mit Macht- und Interessenpolitik alleine nicht mehr erklärt werden können. Wenn der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter in der Talkshow bei Markus Lanz die Bombardierung russischer Regierungsgebäude fordert, wenn russischen Bürgern bei der Einreise in die EU ihre Autos, Handys und Reisekoffer entwendet werden, weil diese angeblich gegen die Sanktionen verstoßen, wenn russische Kunst, Literatur aus den Lehrplänen der Universitäten gestrichen werden, wenn russische Athleten gezwungen sind, ohne Fahne und ohne Hymne an den Olympischen Spielen teilzunehmen, wenn ein fast hundertjähriger Angehöriger der Waffen- SS, der im Verdacht steht, an Massenhinrichtungen beteiligt gewesen zu sein, im kanadischen Parlament dafür beklatscht wird, gegen Russland gekämpft zu haben, dann geht es um mehr als nur geopolitische Konkurrenz. 

Nun lässt sich die Gegnerschaft zu Russland schon Jahrhunderte zurückverfolgen. Sie strukturierte nicht nur den Kalten Krieg, den Vernichtungskrieg der Nazis und den Krim-Krieg im 19. Jahrhundert. Die ersten Zuschreibungen, die Russland als asiatische Macht beschrieben und somit orientalisierten, finden sich im 16. Jahrhundert, lange bevor Russland die Grenze zu Asien überschritten hatte. War es anfänglich die orthodoxe Identität, die als Triebfeder der Feindschaft fungierte, so wurde es im 19. Jahrhundert Russlands Rolle in der Heiligen Allianz, das Bündnis der fünf großen europäischen Mächte und deren Bekenntnis zur Monarchie, durch die Russland als Gegenpol aller liberalen Kräfte wahrgenommen wurde. Im 20. Jahrhundert kehrt sich dies jedoch um, nun ist Russland zu revolutionär und zu fortschrittlich und wird aus diesem Grund aus Europa ausgeschlossen. Die Zurückweisung Russlands scheint so alt zu sein wie Russland selbst, wobei die konkreten Anlässe wechseln. Russland wird augenscheinlich für das gehasst, was es ist. Doch was verbindet das Zarenreich, die Sowjetunion und das heutige Russland, außer dass sie alle an der Tiefe und Vieldeutigkeit der russischen Identität partizipiert haben? Und was ist der Westen, dass er dieses so schwer auf den Begriff zu bringende Russland hassen muss? 

 


 

Diagnose:Funk hat einen neuen „Brennpunkt“ herausgebracht: 

„Auseinandersetzung  um die Deutungshoheit zu Risiken der Mobilfunkstrahlung“

Wir geben hier die letzen beiden Abschnitte aus der Einleitung wieder:

EU-Gremien fordern Strahlenschutz
Dass aus EU-Gremien seit 2020 Forderungen nach einer Schutzpolitik kommen, führte bei Industrie und BfS wohl zu besonderer Nervosität. Im März 2022 veröffentlichte der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union (EWSA) im Amtsblatt der EU (04.03.2022) eine Stellungnahme (14), in der aus der Studienlage und der Debatte darum Konsequenzen gezogen werden, mit folgenden Forderungen: 

◆ Schutz vor elektromagnetischer Verschmutzung, vor allem vor 5G, 
◆ Anerkennung der Kritik der Bürgerinitiativen, 
◆ Anerkennung der Ergebnisse der unabhängigen Forschung, 
◆ Anerkennung der Elektrohypersensibilität als Krankheit, 
◆ Überprüfung und Ersetzung der untauglichen ICNIRP -Richtlinien für Grenzwerte durch neue Richtlinien, die von einem unabhängigen Gremium erarbeitet werden, 
◆  die Einhaltung des Vorsorgeprinzips, 
◆ die Anerkennung der ökologischen Umweltrisiken und der Risiken für die Datensicherheit. 

Insbesondere das Hauptbollwerk der Industrie, der ICNIRPGrenzwert, ist vor dem Einsturz. Der EWSA fordert neue Grenzwerte und die Grenzwertkommission ICBE-EMF (International Commission on the Biological Effects of EMF) weist in ihrer Grenzwertkritik „Wissenschaftliche Erkenntnisse entkräften gesundheitliche Annahmen, die den FCC (Federal Communication Commission, USA) und ICNIRP-Grenzwertbestimmungen für Hochfrequenzstrahlung zugrunde liegen: Folgen für 5G“ nach, dass die ICNIRP-Grenzwerte wissenschaftlich unhaltbar und ohne Schutzfunktion sind. Die ICBEEMF Grenzwertkritik hat diagnose:funk als Brennpunkt publiziert. 

Medienoffensive aus Erklärungsnot 
(...) Diese Studienlage führte auch dazu, dass landesweit Bürgerinitiativen entstehen, die sich mit fundierten Argumenten gegen den Aufbau von Mobilfunkmasten wehren. Die Umfragen des Bitkom und des BfS ergaben, dass unter der Bevölkerung weiterhin eine große Besorgnis über Strahlungsrisiken vorhanden ist (15). 
Mit einer Medienoffensive wurde ab Anfang 2022 auf diese zwei Faktoren - zunehmend beweiskräftigere Studienergebnisse und Bürgerprotest - reagiert, um v.a. auf die Zielgruppen Eltern, Ärzte und Politiker einzuwirken. Die Entwarnungsmeldungen wurden fast flächendeckend von den Medien übernommen, auch von großen Medizinportalen. Mit Fehlinterpretationen der Studienergebnisse sollte der Weg für die reibungslose Vermarktung der Produkte der Mobilfunkindustrie geebnet werden. 

Diese Reaktion zeigt die wichtige Rolle von diagnose:funk durch seine Dokumentation der Forschung und der Auseinandersetzung mit den Versuchen, Forschungsergebnisse zu ignorieren oder falsch darzustellen. diagnose:funk setzte sich mit dieser Propagandawelle ausführlich auseinander. Die gesamte Auseinandersetzung ist dokumentiert auf unserer Homepage: www.diagnose-funk.org/1866

Die Auseinandersetzungen mit den Verfälschungen und der Entwarnungskampagne 2022 sind auch ein Lehrbeispiel über die Taktik der Industrie. Der Soziologe Ulrich Beck definiert in seinem Buch „Weltrisikogesellschaft“ (2007) den modernen Staat als „Legitimationsorgan" von Industrieinteressen, in dem die Gefahren für Gesundheit und Umwelt „im Legitimationszirkel von Verwaltung, Politik, Recht und Management normalisiert werden und ins unkontrollierbar Globale wachsen (S. 172).“ Er bringt diese Politik mit dem Begriff "organisierte Unverantwortlichkeit“ (S.345) auf den Punkt und schreibt: „Die Formen von Allianzen, die der neoliberale Staat eingegangen ist, instrumentalisieren den Staat … um die Interessen des Kapitals weltweit zu optimieren und zu legitimieren" (S. 128). Mit einer solchen Allianz zwischen Staat und Industrie sollen die Interessen der Mobilfunkindustrie mit koordinierten Medienkampagnen abgesichert werden. Dieser Brennpunkt dokumentiert dieses Vorgehen in fünf Analysen: 

1. Die Abwertung der Ergebnisse der STOA-Studie 
2. Die Fehlinterpretation der MOBI-Kids Studie 
3. Die Fehlinterpretation der UK-Million Women Studie 
4. Die Desinformation der Ärzteschaft durch den 5G-Artikel des ICNIRP-Vertreters Prof. M. Röösli 
5. Die Taktiken der Industriepropaganda

Diesen Brennpunkt kann man hier als PDF herunterladen. 

 


 

Wolfgang Bittner: „Niemand soll hungern ohne zu frieren“,

Vorbemerkung des Autors:

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die materielle Lage der deutschen Bevölkerung, insbesondere durch die mangelhafte Versorgung mit Lebensmitteln, von Jahr zu Jahr prekärer. Um die größte Not zu lindern, sammelte das von der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt gegründete „Winterhilfswerk des deutschen Volkes“ Sach- und Geldspenden. Dazu hielt Adolf Hitler im Oktober 1943, wie jedes Jahr, eine Rede, in der er die nationale Solidarität rühmte und beschwor. Der Slogan lautete: „Keiner soll hungern, keiner soll frieren!“ Im Volksmund wurde daraus bald die Verballhornung: „Keiner soll hungern, ohne zu frieren!“

Es folgt eine Schilderung der Verhältnisse in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Wir beschränken uns hier auf den Schluss, seine Beschreibung der gegenwärtigen Lage.

Zurzeit sehen wir, wie sich vieles, was wir überwunden glaubten, wiederholt. Ökonomisch geht es bergab, ganz zu schweigen von der Kultur. Inzwischen stehen in den Städten die Schaufenster ganzer Straßenzeilen leer, die Infrastruktur ist marode, der Zustrom von Asylsuchenden und Wirtschaftsflüchtlingen in das Sozialsystem steigt ins Unermessliche, etwa 20 Millionen Menschen – das ist ein Viertel der deutschen Bevölkerung – leben am Rande oder unterhalb des Existenzminimums. Die Rente reicht nicht, Kranken- und Altersversorgung liegen im Argen, Lebensmittelpreise, Mieten und Heizkosten steigen, Menschen verzweifeln. Zehntausende leben in einem Land, indem es zahlreiche Milliardäre und Multimillionäre gibt, auf der Straße, während die „Volksvertreter“ empörende Reden halten, sich den Vorgaben aus Washington unterwerfen und sich an Kriegen beteiligen. Hinzu kommt eine unmäßige Digitalisierung, Registrierung, Überwachung und obrigkeitliche Bevormundung. 

Kritik, die sich gegen die offiziellen Verlautbarungen richtet, kann sanktioniert werden. Da finden Hausdurchsuchungen sogar bei Wissenschaftlern, Ärzten und Richtern statt, die sich der Gefolgschaft widersetzen. Und sowohl der Organisator der Berliner Großdemonstrationen gegen die restriktiven Corona-Maßnahmen, der Unternehmer Michael Ballweg, als auch der Mitbegründer des Corona-Ausschusses, Rechtsanwalt Dr. Reiner Füllmich, saßen monatelang in Untersuchungshaft, obwohl die Beschuldigungen gegen sie von vornherein fragwürdig waren.

Die deutsche Gesellschaft ist gespalten und chaotisiert, es herrscht akute selbstverschuldete Kriegsgefahr, und die Wirtschaft wird – offenbar aus Konkurrenzgründen – ruiniert. Für Soziales, Kultur und Bildung fehlt es an Geld, das zu Milliarden für Aufrüstung und den Ukraine-Krieg ausgegeben wird. Verpulvertes Geld, vergeudetes Vermögen. Und es hat den Anschein, dass die Berliner Regierung unfähig ist, den Weg in die Katastrophe zu beenden. Deutschland, bis vor Kurzem noch in der ersten Reihe der Industrienationen, treibt in die Bedeutungslosigkeit.

Aufgrund der aus ideologischen, ökonomischen und strategischen Gründen von den USA durchgesetzten Sanktionspolitik und der Sperrung der russischen Gas- und Öllieferungen für Deutschland müssen mittelständische Unternehmer ihre Betriebe an ausländische Investoren verkaufen oder Insolvenz anmelden – wegen zu hoher Energiepreise, fehlender Produktionsmaterialien und mangelnder Aufträge. Nicht wenige Konzerne verlagern ihre Standorte in die USA, wo ihnen vorteilhafte Angebote gemacht werden. Dass die dortige Regierung die Energieknappheit in Deutschland letztlich zu verantworten hat, wird nicht thematisiert, ebenso wenig die katastrophale geopolitische Lage.

Auch die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten seit 1945 zahlreiche Interventionskriege geführt, Regime Changes orchestriert, Krisen verursacht und die Welt chaotisiert haben, ist in den Ländern des Westens ein Tabu. Ebenso die weltweite Bespitzelung durch NSA (National Security Agency) und CIA (Central Intelligence Agency), die mit Zehntausenden von Mitarbeitern für zumeist illegitime Interessen Washingtons tätig sind. Stattdessen wird gegen Russland, China, Iran, Syrien, Venezuela, Nordkorea, Myanmar, Kuba und weitere Länder, die sich nicht unterwerfen, gehetzt und intrigiert. In der Ukraine findet ein Stellvertreterkrieg statt und in Palästina ein Völkermord. Die Welt steht kopf.

Aber viele Staaten des sogenannten Globalen Südens lassen sich die Bevormundung und Unterdrückung durch die USA nicht mehr gefallen. Global zeichnet sich eine tektonische Verschiebung ab, was große Gefahren zur Folge hat. Denn die USA besitzen die größte Streitmacht der Welt, und es ist absehbar, dass sie sich nicht ohne Gegenwehr in den Bankrott treiben lassen werden.

So ist die Lage, und sie sieht nicht gut aus. Das lässt sich beim besten Willen nicht beschönigen. Zu hoffen ist, dass es nicht erneut zu einem großen Krieg kommt, der alles zunichte machen würde.

 


 

Thomas Röper: Wenn Israels Vorgehen in Gaza kein Völkermord ist, was ist dann Völkermord?
15 UNO-Organisationen und private Helfer haben in einem gemeinsamen Brandbrief erklärt, die Lage in Nordgaza sei "apokalyptisch" und die gesamte Bevölkerung in Nordgaza sei "unmittelbar" vom Tod bedroht. Wenn das kein Völkermord ist, was ist dann eigentlich Völkermord?

Am Ende seines Artikels bietet Röper eine Übersetzung des „Brandbriefs“, den wir hier komplett wiedergeben:

Erklärung der Direktoren des Ständigen Interinstitutionellen Ausschusses - Stoppt die Angriffe auf die Palästinenser in Gaza und auf diejenigen, die versuchen, ihnen zu helfen

Wir, die Leiter von 15 Organisationen der Vereinten Nationen und humanitären Organisationen, fordern erneut alle im Gazastreifen kämpfenden Parteien auf, die Zivilbevölkerung zu schützen, und appellieren an den Staat Israel, seine Angriffe auf den Gazastreifen und auf die humanitären Helfer, die zu helfen versuchen, einzustellen.

Die Situation, die sich im nördlichen Gazastreifen abspielt, ist apokalyptisch. Das Gebiet wird seit fast einem Monat belagert, wobei grundlegende Hilfe und lebensrettende Güter verweigert werden, während Bombardierungen und andere Angriffe andauern. Allein in den letzten Tagen wurden Hunderte von Palästinensern getötet, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, und Tausende wurden erneut zwangsweise vertrieben.

Krankenhäuser sind fast vollständig von der Versorgung abgeschnitten und wurden angegriffen, wobei Patienten getötet, lebenswichtige Geräte zerstört und lebensrettende Dienste unterbrochen wurden. Gesundheitspersonal und Patienten wurden in Gewahrsam genommen. Auch in Krankenhäusern wurden Kämpfe gemeldet.

Dutzende von Schulen, die als Notunterkünfte dienen, wurden bombardiert oder zwangsevakuiert. Zelte, in denen vertriebene Familien untergebracht sind, wurden beschossen und Menschen bei lebendigem Leib verbrannt.

Rettungsteams wurden gezielt angegriffen und bei ihren Versuchen, die unter den Trümmern ihrer Häuser begrabenen Menschen zu bergen, behindert.

Die Bedürfnisse der Frauen und Mädchen sind überwältigend und werden täglich größer. Wir haben den Kontakt zu denen verloren, die wir unterstützen, und zu denen, die lebenswichtige Dienste im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der geschlechtsspezifischen Gewalt anbieten.

Und wir haben Berichte erhalten, dass Zivilisten angegriffen werden, wenn sie versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, und dass Männer und Jungen verhaftet und an unbekannte Orte gebracht werden, um dort festgehalten zu werden.

Auch das Vieh stirbt, Anbauflächen wurden zerstört, Bäume niedergebrannt und die Infrastruktur der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelversorgung wurde dezimiert.

Die gesamte palästinensische Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen ist in unmittelbarer Gefahr, an Krankheiten, Hunger und Gewalt zu sterben.

Die humanitäre Hilfe kann aufgrund der Zugangsbeschränkungen nicht mit dem Ausmaß des Bedarfs Schritt halten. Grundlegende, lebensrettende Güter sind nicht verfügbar. Die humanitären Helfer können ihre Arbeit nicht sicher verrichten und werden von den israelischen Streitkräften und durch die Unsicherheit daran gehindert, die Menschen in Not zu erreichen.

Ein weiterer Schlag für die humanitäre Hilfe ist, dass sich die Polio-Impfkampagne aufgrund der Kämpfe verzögert hat, wodurch das Leben der Kinder in der Region gefährdet ist.

Und diese Woche hat das israelische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das das UNRWA verbieten und seine Vorrechte und Immunitäten aufheben würde. Würden solche Maßnahmen umgesetzt, wäre das eine Katastrophe für die humanitäre Hilfe im Gazastreifen, würde der Charta der Vereinten Nationen diametral entgegenstehen, hätte möglicherweise schwerwiegende Auswirkungen auf die Menschenrechte von Millionen Palästinensern, die auf die Hilfe des UNRWA angewiesen sind, und würde gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels verstoßen.

Lassen Sie es uns ganz klar sagen: Es gibt keine Alternative zum UNRWA.

Die eklatante Missachtung grundlegender Menschlichkeit und der Gesetze über Krieg muss aufhören.

Das humanitäre Völkerrecht, einschließlich der Regeln der Unterscheidung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorsichtsmaßnahmen, muss beachtet werden. Die Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts hängen nicht von Gegenseitigkeit ab. Keine Verletzung durch eine Partei entbindet die andere Partei von ihren rechtlichen Verpflichtungen.

Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die Überreste der zivilen Infrastruktur in Gaza müssen aufhören.

Die humanitäre Hilfe muss erleichtert werden, und wir fordern alle Parteien auf, den betroffenen Menschen ungehinderten Zugang zu gewähren. Außerdem muss die Einfuhr von Handelsgütern in den Gazastreifen ermöglicht werden.

Die Verwundeten und Kranken müssen die notwendige Versorgung erhalten. Medizinisches Personal und Krankenhäuser müssen geschont werden. Krankenhäuser dürfen sich nicht in Schlachtfelder verwandeln.

Unrechtmäßig inhaftierte Palästinenser müssen freigelassen werden.

Israel muss den vorläufigen Anordnungen und Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs nachkommen.

Die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen müssen die Geiseln unverzüglich und bedingungslos freilassen und sich an das humanitäre Völkerrecht halten.

Die Mitgliedstaaten müssen ihr Druckmittel einsetzen, um die Einhaltung des Völkerrechts zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Zurückhaltung des Transfers von Waffen, wenn eindeutig die Gefahr besteht, dass diese Waffen unter Verletzung des Völkerrechts eingesetzt werden.

Die gesamte Region befindet sich am Rande eines Abgrunds. Eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und ein dauerhafter, bedingungsloser Waffenstillstand sind längst überfällig.

Unterzeichner:
Ms. Joyce Msuya, Acting Emergency Relief Coordinator and Under-Secretary-General for Humanitarian Affairs (OCHA)
Ms. Nimo Hassan, MBE, Chair, International Council of Voluntary Agencies (ICVA)
Mr. Jamie Munn, Executive Director, International Council of Voluntary Agencies (ICVA)
Ms. Amy E. Pope, Director General, International Organization for Migration (IOM)
Mr. Volker Türk, United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR)
Ms. Abby Maxman, President and Chief Executive Officer, Oxfam
Ms. Paula Gaviria Betancur, United Nations Special Rapporteur on the Human Rights of Internally Displaced Persons (SR on HR of IDPs)
Mr. Achim Steiner, Administrator, United Nations Development Programme (UNDP)
Ms. Anacláudia Rossbach, Executive Director, United Nations Human Settlement Programme (UN-Habitat)
Mr. Filippo Grandi, United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)
Dr. Natalia Kanem, Executive Director, United Nations Population Fund (UNFPA)
Ms. Catherine Russell, Executive Director, UN Children’s Fund (UNICEF)
Ms. Sima Bahous, Under-Secretary-General and Executive Director, UN Women
Ms. Cindy McCain, Executive Director, World Food Programme (WFP)
Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Director-General, World Health Organization (WHO) 

 

 





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