Lesefrüchte
Oktober 2021
Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.
Lesefrüchte im vergangenen Monat
Infosperber: «Statt zu terrorisieren ein humanitäres Programm starten»
Marcus Staiger: "Das ist ein Marathon und kein
Sprint"
Giorgio Agamben bei Michael Klonovsky: „… in einer schlechteren Lage...
Klaus Hartmann: Ein Kessel Hetze - gegen „Alles auf den Tisch!“
Ole Skambraks: Ich kann nicht mehr
Werner Rügemer: Die Ausbeutung von Arbeitskräften ist das große Tabu der EU
Thomas Ribi: Fakten können jederzeit zu Irrtümern
werden
Infosperber: «Statt zu terrorisieren ein humanitäres Programm starten»
Der Artikel übersetzt ein längeres Interview des Jacobin Magazine mit Noam Chomsky, hier ein Ausschnitt:
(Red.) Noam Chomsky ist emeritierter Professor an der weltberühmten US-University MIT, ist Autor zahlreicher Bücher über die Politik, speziell auch über die Aussenpolitik der USA. Er ist einer der wenigen prominenten Publizisten, die sich weigern, sich dem US-amerikanischen Mainstream-Denken – die Welt soll so leben, wie es die USA vorgeben – zu unterwerfen. In einem ersten Teil anwortete Chomsky im linken US-amerikanischen «Jacobin Magazine» auf Fragen zu Afghanistan. In diesem zweiten Teil zeigt Chomsky auf, dass die USA stets im Krieg waren und erörtert die Rolle der Antikriegsbewegung. (cm)
(...)
Die Medien umgehen die Namen der Kriegsverbrecher
Noam Chomsky: Was ist mit Henry Kissinger? Er wird geehrt, obwohl er einer der schlimmsten Kriegsverbrecher der modernen Geschichte ist. Im Jahr 1970 folgte Kissinger loyal seinem Herrn Richard Nixon und übermittelte Befehle, die meines Erachtens in der Geschichte so vorher nie aufgetaucht sind. Die Befehle an die amerikanische Luftwaffe lauteten: «Massive Bombenkampagne in Kambodscha. Alles, was fliegt, gegen alles, was sich bewegt.»
Schauen Sie, ob Sie in den historischen Aufzeichnungen eine Entsprechung dazu finden – bei den Nazis, bei irgendjemandem. Und es waren nicht nur Worte. Es führte zu einer entsetzlichen, grausamen Bombenkampagne. Oder gehen Sie nach Indien. Henry Kissinger unterstützte die pakistanische Zerstörung von Ostbengalen. Eine gigantische Anzahl von Menschen wurde getötet, vielleicht eine Million oder sogar mehr. Und Kissinger drohte Indien mit Bestrafung, falls es wagen sollte, das Gemetzel zu stoppen. Was waren die Gründe dafür? Kissinger hatte einen Fototermin mit Mao Zedong in China geplant. Sie wollten sich treffen, die Hände schütteln und die Entspannung verkünden. Doch um dorthin zu gelangen, musste Kissinger Pakistan durchqueren. Und dieses ganze Gemetzel hat seinen Fototermin unterminiert.
Und was ist mit Chile? Kissinger war der Mann, der sich für den Sturz der Regierung von Salvador Allende stark machte. Dabei ging er zweigleisig vor: Ein Weg war reine Gewalt – ein Militärputsch. Dann gab es eine sanfte Schiene: «Lasst die Wirtschaft aufschreien!» – es den Menschen wirtschaftlich unmöglich machen, zu leben. Nun, die USA bekamen schliesslich, was sie wollten, und errichteten 1973 eine brutale Diktatur. Der militärisch inszenierte Putsch fand übrigens ebenfalls an einem 11. September statt, er war also das erste Ereignis «9/11». Was im Jahr 2001 geschah, war das zweite «9/11» – wobei das erste 9/11 in Chile in jeder Hinsicht viel schlimmer war. Umgerechnet auf die Pro-Kopf-Belastung wäre es so, als wären bei unserem 11. September im Jahr 2001 30’000 Menschen auf der Stelle getötet und weitere 500’000 gefoltert worden. Eine Regierung wurde gestürzt, eine brutale Diktatur wurde errichtet, und Terror, Folter und Schrecken waren an der Tagesordnung. Und die USA feierten. Sie unterstützten die neue Diktatur mit Geldern. Verschiedene internationale Organisationen, die Allende Gelder vorenthalten hatten, taten dies nun ebenfalls. Die Neoliberalen, die in den letzten vierzig Jahren die Welt regiert haben, waren begeistert. Sie zogen in Chile ein, um die neue Regierung zu beraten. Selbst Friedrich Hayek, der moralische Führer des Neoliberalismus (und 1974 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet, Red.) kam 1981 zu Besuch und sagte, er sei von der Freiheit unter Augusto Pinochet beeindruckt und könne keinen einzigen Menschen in Chile finden, der nicht der Meinung sei, dass es unter der Pinochet-Diktatur mehr Freiheit gebe als unter Allende. Offensichtlich konnte er die Schmerzensschreie aus der Via Grimaldi und anderen Folterkammern nicht hören. (Hayek besuchte Chile 1977 und 1981 und traf den Diktator General Augusto Pinochet persönlich. In einem Interview in der Zeitung «El Mercurio» vom 4.4.1981 verteidigte der Nobelpreisträger das System der Diktatur ausdrücklich, wenn sie zur Einführung einer «liberalen» Wirtschaftsordnung notwendig sei. Anm. der Red.) – Das war die Reaktion auf den ersten 9/11.
Ich bin sicher, dass es Dschihadisten gibt, die den zweiten 11/9, jenen im Jahr 2001, gefeiert haben. Wir halten sie deshalb für schrecklich. Aber wir selbst sind noch viel schlimmer. Hat irgendjemand am Jahrestag von 9/11 über 9/11 im Jahr 1973 gesprochen? Der erste 11/9 war viel schlimmer als das, was im September 2001 geschah.
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Marcus Staiger: "Das ist ein Marathon und kein Sprint": Der Weg zum kommunistischen Wahlsieg in Graz
Ein Gespräch mit dem frisch gewählten KPÖ-Gemeinderat Max Zirngast – über Politik auf Augenhöhe mit der Bevölkerung, vertrauensbildende Maßnahmen und Lehren aus der Türkei
Der Erfolg der KPÖ in Graz ist in aller Munde. Fast 29 Prozent erreichte die Kommunistische Partei Österreichs am 26. September in der steirischen Landeshauptstadt. Die Linksparteien Europas schauen voller Bewunderung und Neid auf Graz, während konservative Medien über die roten Socken ätzen. Vor allem Kritiker:innen aus diesem Lager sprechen vom sogenannten "Kahr-Effekt", der darauf abzielt, der Erfolg der KPÖ sei allein auf ihre Spitzenkandidatin Elke Kahr zurückzuführen. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht, allerdings greift dies Kritik auch wieder zu kurz, da derselbe Effekt schon ihrem Vorgänger Ernest Kaltenegger zugeschrieben wurde, der denselben Politikstil pflegte.
Irgendwie muss es da also eine Kontinuität geben - und vermutlich hat es auch damit zu tun, dass alle Mandatsträger der KPÖ in der Steiermark zwei Drittel ihrer Gehälter in einen Sozialfond einzahlen, um damit unbürokratisch Menschen in Notlagen zu helfen. Stimmenkauf, heißt es da aus den Reihen der politischen Gegner. Praktische politische Arbeit kontert die KPÖ, wobei es Elke Kahr in einem Interview ganz kurz und knapp auf den Punkt bringt: Wir sind nicht in die Politik gegangen, um damit reich zu werden.
Die jahrzehntelange Basisarbeit zahlt sich nun offensichtlich aus. So hat Elke Kahr gute Chancen, in einer Koalition mit der SPÖ und den Grünen zur ersten kommunistischen Bürgermeisterin einer österreichischen Großstadt gewählt zu werden und mit drei Ressorts in der Grazer Stadtregierung zu sitzen. Dass die Partei auch in den letzten Jahren mit einem bis zwei Ressorts dort vertreten war, liegt daran, dass in Graz alle Parteien gemäß ihres Stimmanteils an der Regierung beteiligt sind, wobei aber die Ressortverteilung in den Händen des amtierenden Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin liegt.
Ein Umstand, der es der KPÖ in den letzten Jahren etwas schwerer gemacht hat, da ihr nach der Wahl 2017 das Wohnungsressort entzogen wurde, ein Bereich, in dem sich die KPÖ in den letzten Jahrzehnten stark profilieren konnte. Stattdessen wurde sie mit dem scheinbar unwichtigen Gesundheits- und Pflegeressort, sowie dem extrem undankbaren Verkehrsressort abgespeist. Dem Erfolg der KPÖ hat dies allerdings nicht geschadet, denn selbst wenn man im Bereich Verkehr eigentlich nur Fehler machen kann, gelang es Kahr auch hier, durch ihren offenen und kommunikativen Politikstil die schlimmsten Klippen zu umschiffen. In der Corona-Krise konnte sich auch Robert Krotzer als Stadtrat für Gesundheit und Pflege einen Namen machen.
Insofern ist der Erfolg der KPÖ eben keine Einzelleistung, sondern das Werk einer starken Bewegung mit langem Atem. Wie sie genau funktioniert, das wollten wir von Max Zirngast wissen, der seit März 2021 in der Bezirksleitung der Partei arbeitet.
Herr Zirngast, Sie sind dadurch bekannt geworden, weil Sie in der Türkei inhaftiert waren und sich journalistisch mit der Situation im Nahen Osten beschäftigen. Sie halten Vorträge über die Situation in der Türkei, Sie geben Interviews und gelten allgemein als Experte. Nun kommen Sie also zurück von diesem geopolitischen Parkett und werden Gemeinderat in der Steiermark. Wie passt das zusammen?
Giorgio Agamben bei Michael Klonovsky: „… in einer schlechteren Lage als die Bürger der Sowjetunion unter Stalin”
In einer Rede über den „Grünen Pass”, gerichtet an den Senat in Rom, erklärte der italienische Philosoph Giorgio Agamben am 7. Oktober 2021:
„Ich möchte mich nur auf zwei Punkte konzentrieren, die ich den Abgeordneten zur Kenntnis bringen möchte, die sich zur Umwandlung der Verordnung über den grünen Pass in ein Gesetz äußern müssen.
Der erste ist die offensichtliche Widersprüchlichkeit des betreffenden Dekrets. Sie wissen, dass die Regierung sich mit einem speziellen Dekret von jeglicher Haftung für durch den Impfstoff verursachte Schäden befreit hat. Und die Schwere dieser Schäden ergibt sich aus der Tatsache, dass in Artikel 3 des Dekrets ausdrücklich die Artikel 589 und 590 des Strafgesetzbuches erwähnt werden, die sich auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Verletzungen beziehen.
Wie maßgebliche Juristen festgestellt haben, bedeutet dies, dass der Staat nicht bereit ist, die Verantwortung für einen Impfstoff zu übernehmen, der seine Testphase noch nicht abgeschlossen hat. Gleichzeitig versucht er mit allen Mitteln, die Bürger zur Impfung zu zwingen, indem er sie andernfalls aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließt und nun mit dem neuen Dekret, das Sie bestätigen sollen, ihnen sogar die Arbeitsmöglichkeit nehmen will.
Ist es möglich, frage ich, sich eine rechtlich und moralisch anormalere Situation vorzustellen? Wie kann der Staat diejenigen, die sich entscheiden, sich nicht impfen zu lassen, der Verantwortungslosigkeit bezichtigen, wenn derselbe Staat formell jegliche Verantwortung für mögliche schwerwiegende Folgen ablehnt?
Ich möchte, dass die Abgeordneten über diese Widersprüchlichkeit nachdenken, die meiner Meinung nach eine juristische Ungeheuerlichkeit darstellt.
Der zweite Punkt, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, betrifft nicht das medizinische Problem des Impfstoffs, sondern das politische Problem des Gesundheitspasses, das nicht mit dem ersten zu verwechseln ist. Wissenschaftler und Ärzte haben gesagt, dass der Gesundheitspass an sich keine medizinische Bedeutung hat, sondern dazu dient, Menschen zur Impfung zu zwingen.
Ich glaube eher das Gegenteil: Das heißt, der Impfstoff ist ein Mittel, um die Menschen zu einem Gesundheitspass zu zwingen, nämlich zu einem Instrument der Kontrolle und Verfolgung sämtlicher Bewegungen der Personen – eine bisher beispiellose Maßnahme. Politologen wissen seit langem, dass sich unsere Gesellschaften vom früheren Modell der ‚Disziplingesellschaft’ zu einer ‚Kontrollgesellschaft’ entwickelt haben; mit einer nahezu unbegrenzten digitalen Kontrolle einzelner Verhaltensweisen, die auf diese Weise quantifizierbar werden.
Wir sind dabei, uns an diese Kontrollinstrumente zu gewöhnen, aber ich frage Sie: Bis zu welchem Punkt können wir diese Kontrolle akzeptieren? Ist es möglich, dass die Bürger einer vermeintlich demokratischen Gesellschaft in einer schlechteren Lage sind als die Bürger der Sowjetunion unter Stalin? Sie wissen vielleicht, dass die Sowjetbürger gezwungen waren, einen Passierschein für jede Reise von einem Ort zum anderen vorzulegen. Wir hingegen müssen den Pass zeigen, um ins Restaurant, ins Museum oder ins Kino zu gehen. Und jetzt sollen wir ihn sogar zeigen, um arbeiten zu gehen!
Wie kann man akzeptieren, dass, zum ersten Mal in der Geschichte Italiens nach den faschistischen Gesetzen von 1938 für Nicht-Arier, jetzt Bürger zweiter Klasse geschaffen werden, die aus rein rechtlicher Sicht den gleichen Beschränkungen unterliegen wie einst die Nicht-Arier?
Alles deutet darauf hin, dass die aufeinander folgenden Dekrete in einen Prozess der Transformation von Institutionen und Paradigmen der Regierung eingeschrieben werden sollen. Eine Umwandlung, die umso heimtückischer ist, als sie, wie im Faschismus, ohne Änderungen des Verfassungstextes stattfindet, also heimlich. So wird das Modell der parlamentarischen Demokratien mit ihren Rechten, ihren verfassungsmäßigen Garantien, ausgehöhlt und ausgelöscht. An ihre Stelle tritt ein Regierungsparadigma, das im Namen von Biosicherheit und Kontrolle die individuellen Freiheiten zunehmend einschränkt.
Die ausschließliche Fokussierung auf Infektion und Gesundheit scheint mir zu verhindern, dass wir die Bedeutung dieses großen Wandels der politischen Sphäre wahrnehmen und erkennen, dass Sicherheit und Notfall keine vorübergehenden Phänomene sind, sondern die neue Form der Regierbarkeit darstellen. Ich glaube, dass es unter diesem Gesichtspunkt für die Parlamentarier dringender denn je ist, sich mit dem laufenden politischen Wandel auseinanderzusetzen, der übrigens auf lange Sicht dazu bestimmt ist, dass das Parlament seine Befugnisse verliert und sich darauf beschränkt, im Namen der Biosicherheit Dekrete zu verabschieden, die von Organisationen und Personen stammen, die mit dem Parlament nur wenig zu tun haben.”
Klaus Hartmann: Ein Kessel Hetze - gegen „Alles auf den Tisch!“
Über eines können sich die über 100 Schauspieler, Künstler und Wissenschaftler der Aktion „#allesaufdentisch“ nicht beklagen: über zu wenig mediale Aufmerksamkeit. 91 TV- und Radiostationen sowie überregionale und regionale Zeitungen (Stand 03.10.2021) haben berichtet und kommentiert (Nachricht und Kommentar meist unauflöslich vermischt). Über zu wenig Häme und Tadel können sie allerdings auch nicht klagen, das wird heutzutage „Hatespeech“, Hassrede genannt, aber nur, wenn es die „anderen“ machen. Die Hohepriester der „Qualitätsmedien“ haben diesbezüglich Narren- und Straffreiheit.
Zwischenfrage: Gehört das Wort „schwurbeln“ oder „Geschwurbel“ eigentlich zu Ihrem normalen Sprachschatz? Nein? Dann ist es höchste Zeit, das zu ändern. Lt. Duden steht es abwertend für Unsinn reden, verworren, und diese Wörter haben in den letzten Monaten eine regelrechte Blitzkarriere hingelegt. Sie sind als Ergänzung gedacht und im Einsatz für die hinlänglich bekannte „Verschwörungstheorie“, die direkt von der CIA stammende Diffamierungsvokabel für alle, die sich trauen, Fragen zu stellen oder gar zu kritisieren. Zwar wurden auch hier, wie beim Virus, neue Varianten entdeckt: Verschwörungsmythos, Verschwörungserzählung, und aus der medialen Geisterbahn tönt es: krude, kruhuhuuude Verschwörungstheorie! Doch mit deren Dauereinsatz kommen unvermeidlich auch die Abnutzungserscheinungen, und so wurde es höchste Zeit fürs Schwurbeln.
Das Schwurbeln hat eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit mit der Hassrede: Es sind immer nur die anderen, die Andersdenkenden, die an den Pranger gestellt werden. Kein „Qualitätsmedium“ würde sich oder seinesgleichen jemals der Schwurbelei bezichtigen, und natürlich auch Merkel, Maas, Söder oder Kramp-Karrenbauer nicht. Und besonders immun gegen das Schwurbeln sind der Chefvirologe Prof. Drosten, der Bankkaufmann Spahn, der Tierarzt Prof. Wieler und Kassandra Lauterbach. Hingegen diejenigen, die diesen „Experten“ widersprechen: alles Schwurbler!
Stilbildend berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30.09.2021 über die neue Aktion „Alles auf den Tisch!“ unter der fetten Überschrift: „Ein Kessel Schwurbel“. Sie unterstellt, die Intention dieser Leute in den Videos sei es, „das Vertrauen in wissenschaftliche Kompetenzen grundsätzlich zu erschüttern“. Im selben Tonfall nennt die Süddeutsche Zeitung die Video-Serie „hochgefährliche Querdenker-Folklore“. So geht Framing heute: „Querdenker“ … da wissen wir endlich Bescheid – oder auch nicht: es soll wohl nur das Ressentiment gestreichelt werden. Spöttisch schreibt die „linksliberale“ Zeitung über „Aufklärer bezüglich vermeintlich unbequemer Wahrheiten“ – und da dies überwiegend Schauspieler sind, tun sie das, was sie am Besten können: sich „in Szene zu setzen“. Apropos Schauspielerei, da reitet der SZ-Kommentator Nils Minkmar doch gerne weiter auf dem Genre rum: „Man sollte sich die Videoreihe ‚Alles auf den Tisch‘ als zweite Staffel der Querdenkerserie ‚Alles dichtmachen‘ vorstellen.“ Den Mitwirkenden attestiert er sogleich ein „besorgniserregendes Selbstdarstellungsbedürfnis“. Schließlich geht es den nur „vermeintlich“ unbequemen Wahrheiten an den Kragen – die sind nämlich plötzlich „gefährliche Unwahrheiten zum Thema Corona“.
Die Frankfurter Rundschau verkündet am 02.10.2021: „Hier lesen Sie, was sich die CoronaKritiker:innen in ihren Videos zurechtschwurbeln.“ Beruhigend: Die Kritiker:außen schwurbeln offenbar nicht. Die Redakteurin Katja Thorwart nimmt dem Schauspieler Wotan Wilke Möhring übel, dass der von „Zensur“, von „delegitimierten“ und „praktisch verbotenen Diskursen“ spricht. Thorwarts Antwort macht sprachlos: „Erstens wurde kein Diskurs verboten, auch wenn das immer wieder aus der Ecke der selbsternannten ‚Querdenker‘ kolportiert wird. Wäre er ‚praktisch‘ verboten, wären die 50 Filmchen längst gelöscht.“ Liest die begabte Redakteurin ihr eigenes Blatt nicht? Am 29.09.2021 hätte sie gefunden: „Wegen Corona-Desinformationen hat Youtube den Putin-Kanal RT DE gelöscht“.
Unbedingt hier weiterlesen
Ole Skambraks: Ich kann nicht mehr
In einem offenen Brief äußert sich ein ARD-Mitarbeiter kritisch zu anderthalb Jahren Corona-Berichterstattung: Ole Skambraks arbeitet seit 12 Jahren als redaktioneller Mitarbeiter und Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Der ganze Artikel ist auf Multipolar lesenswert; hier zitieren wir nur den letzten Teil
(...)
Fehlendes journalistisches Grundverständnis
Der von Politik und Medien propagierte Weg aus der Pandemie entpuppt sich als Dauerimpfabonnement. Wissenschaftlerinnen, die einen anderen Umgang mit Corona fordern, bekommen immer noch keine adäquate Bühne bei den öffentlich-rechtlichen Medien, wie die zum Teil diffamierende Berichterstattung zur Aktion #allesaufdentisch wieder gezeigt hat. Anstatt mit den Beteiligten über die Inhalte der Videos zu diskutieren, hat man sich Experten gesucht, die die Kampagne diskreditieren. Damit begehen die Öffentlich-Rechtlichen genau den Fehler, den sie #allesaufdentisch vorwerfen.
Der Spiegel-Journalist Anton Rainer sagte im SWR-Interview über die Videoaktion, es handle sich nicht um Interviews im klassischen Sinne: „Im Prinzip sieht man jeweils zwei Menschen, die sich gegenseitig Recht geben.“ Ich hatte Bauschmerzen, nachdem ich mir die Berichterstattung meines Senders angehört hatte, und war vollkommen irritiert vom fehlenden journalistischen Grundverständnis auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen. (9) Meine Bedenken habe ich den Beteiligten und der Redaktionsleitung per Mail mitgeteilt.
Ein klassischer Spruch ist in Konferenzen, dass ein Thema „schon gemacht“ sei. So zum Beispiel, als ich die sehr wahrscheinliche Untererfassung von Impfkomplikationen angesprochen habe. Ja, richtig, das Thema wurde erörtert mit dem hauseigenen Experten, der – es wundert wenig – zu dem Schluss gekommen ist, dass es keine Untererfassung gibt. „Die andere Seite“ wird zwar hier und da erwähnt, doch bekommt sie sehr selten Gesicht in der Form, dass tatsächlich mit den Menschen gesprochen wird, die kritische Standpunkte einnehmen.
Kritiker unter Druck
Die deutlichsten Kritikerinnen müssen mit Hausdurchsuchungen, Strafverfolgung, Kontosperrung, Versetzung oder Entlassung rechnen, bis hin zur Einweisung in die Psychiatrie. Auch wenn es sich um Meinungen handelt, deren Positionen man nicht teilt – in einem Rechtsstaat darf es so etwas nicht geben.
In den USA wird schon diskutiert, ob Wissenschaftskritik als „hate crime“ (Verbrechen aus Hass) gelabelt werden sollte. Die Rockefeller Foundation hat 13,5 Millionen Dollar für die Zensur von Fehlinformationen im Gesundheitsbereich ausgelobt.
WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat erklärt „Fakten sind Fakten, die stehen fest“. Wenn das so wäre, wie ist es dann möglich, dass hinter verschlossenen Türen sich Wissenschaftlerinnen unentwegt streiten und sich sogar in einigen recht grundlegenden Fragen zutiefst uneinig sind? So lange wir uns das nicht klar machen, führt jede Annahme einer vermeintlichen Objektivität in eine Sackgasse. Wir können uns „Realität“ immer nur annähern – und das geht nur in einem offenen Diskurs der Meinungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Was gerade stattfindet, ist kein aufrichtiger Kampf gegen „fake news“. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass jegliche Informationen, Beweise oder Diskussionen, die im Gegensatz zum offiziellen Narrativ stehen, unterbunden werden.
Ein aktuelles Beispiel ist das sachliche und wissenschaftlich transparente Video des Informatikers Marcel Barz. Bei einer Rohdatenanalyse stellt Barz erstaunt fest, dass weder die Zahlen zur Übersterblichkeit noch zur Bettenbelegung oder zum Infektionsgeschehen dem entsprechen, was wir seit anderthalb Jahren von Medien und der Politik zu lesen oder hören bekommen. Er zeigt auch, wie man mit diesen Daten durchaus eine Pandemie darstellen kann, und erklärt, warum dies für ihn unredlich ist. Das Video wurde von You Tube bei 145.000 Klicks nach drei Tagen gelöscht (und erst nach Einspruch von Barz und viel Protest wieder zugänglich gemacht). Der angegebene Grund: „medizinische Fehlinformationen“. Auch hier die Frage: Wer hat auf welcher Grundlage so entschieden?
Die Faktenchecker vom Volksverpetzer diskreditieren Marcel Barz als Fake. Das Urteil von Correctiv ist ein bisschen milder (Barz hat darauf öffentlich und ausführlich geantwortet). Das für das Bundesgesundheitsministerium erstellte Gutachten, dem zu entnehmen ist, dass die Auslastung der Krankenhäuser im Jahr 2020 durch Covid-19-Patienten nur 2 % betragen hat, gibt ihm recht. Barz hat mit seiner Analyse die Presse kontaktiert, doch keine Aufmerksamkeit bekommen. In einem funktionierenden Diskurs würden unsere Medien ihn zum Streitgespräch einladen.
Millionenfach werden Inhalte zu Corona-Themen mittlerweile gelöscht, wie die Journalistin Laurie Clarke im British Medical Journal zeigt. Facebook und Co. sind private Unternehmen und können deshalb entscheiden, was auf ihren Plattformen publiziert wird. Aber dürfen sie damit auch den Diskurs steuern?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte einen wichtigen Ausgleich schaffen, indem er einen offenen Meinungsaustausch gewährleistet. Doch leider Fehlanzeige!
Digitale Impfpässe und Überwachung
Die Gates- und Rockefellerstiftungen haben die WHO-Richtlinien für die digitalen Impfpässe entworfen und finanziert. Weltweit werden sie mittlerweile eingeführt. Nur mit ihnen soll das öffentliche Leben möglich sein – egal, ob es darum geht, Straßenbahn zu fahren, einen Kaffee zu trinken oder eine medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel aus Frankreich zeigt, das dieser digitale Ausweis auch nach Beendigung der Pandemie bestehen bleiben soll. Die Abgeordnete Emanuelle Ménard hat folgenden Zusatz im Gesetzestext gefordert: Der digitale Impfpass „endet, wenn die Verbreitung des Virus keine ausreichende Gefahr mehr darstellt, um seine Anwendung zu rechtfertigen.“ Ihr Änderungsvorschlag wurde abgelehnt. Damit ist der Schritt hin zur globalen Bevölkerungskontrolle oder gar zum Überwachungsstaat durch Projekte wie ID2020 sehr klein.
Australien testet mittlerweile eine Gesichtserkennungsapp, um sicher zu stellen, das Menschen in Quarantäne zu Hause bleiben. Israel benutzt dafür elektronische Armbänder. In einer italienischen Stadt werden Drohnen zur Temperaturmessung von Strandbesuchern getestet und in Frankreich wird gerade das Gesetz geändert, um Drohnenüberwachung großflächig möglich zu machen.
All diese Themen brauchen einen intensiven und kritischen Austausch innerhalb der Gesellschaft. Doch er findet nicht zur Genüge in der Berichterstattung unserer Rundfunkanstalten statt und war auch nicht Wahlkampfthema.
Verengter Blickwinkel
Die Art und Weise, wie der Blickwinkel des Diskurses verengt wird, ist bezeichnend für die „Gatekeeper der Information“. Ein aktuelles Beispiel liefert Jan Böhmermann mit seiner Forderung, dem Virologen Hendrik Streeck und Professor Alexander S. Kekulé keine Bühne mehr zu geben, da sie nicht kompetent seien.
Abgesehen davon, dass die beiden Mediziner eine äußerst respektable Vita haben, hat Böhmermann damit die Scheuklappen neu justiert. Sollen jetzt nicht einmal mehr die Menschen gehört werden, die ihre Kritik am Regierungskurs mit Samthandschuhen präsentieren?
Die Einschränkung des Diskurses geht mittlerweile so weit, dass der Bayerische Rundfunk mehrfach bei der Übertragung von Parlamentsdebatten des Landtags die Reden von Abgeordneten, die kritisch zu den Maßnahmen stehen, nicht ausgestrahlt hat.
Sieht so das neue Demokratieverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus? Alternative Medienplattformen florieren zuallererst, weil die Etablierten ihren Aufgaben als demokratisches Korrektiv nicht mehr nachkommen.
Es ist etwas schiefgelaufen
Lange Zeit konnte ich mit Stolz und Freude sagen, dass ich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeite. Viele herausragende Recherchen, Formate und Inhalte kommen von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio. Die Qualitätsstandards sind extrem hoch und tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten auch unter erhöhtem Kostendruck und Sparvorgaben hervorragende Arbeit. Doch bei Corona ist etwas schiefgelaufen. Plötzlich nehme ich einen Tunnelblick und Scheuklappen wahr und einen vermeintlichen Konsens, der nicht mehr hinterfragt wird. (10)
Dass es sehr wohl anders geht, zeigt der österreichische Sender Servus TV. In der Sendung „Corona-Quartett“ kommen Befürworterinnen und Kritiker gleichermaßen zu Wort. Warum soll das im deutschen Fernsehen nicht möglich sein? (11) „Man darf nicht jedem Spinner eine Bühne geben“, lautet die schnelle Antwort. Die false balance, der Umstand, dass seriöse wie auch unseriöse Meinungen gleichermaßen gehört werden, müsse vermieden werden. – Ein Totschlagargument, das zudem unwissenschaftlich ist. Das Grundprinzip der Wissenschaft ist das Anzweifeln, das Hinterfragen, das Überprüfen. Wenn das nicht mehr stattfindet, wird Wissenschaft zur Religion.
Ja, es gibt tatsächlich eine false balance. Es ist der blinde Fleck, der in unseren Köpfen eingekehrt ist, der keine wahrhaftige Auseinandersetzung mehr zulässt. Wir werfen uns scheinbare Fakten um die Ohren, aber können uns nicht mehr zuhören. Verachtung tritt an die Stelle von Verständnis, das Bekämpfen der anderen Meinung ersetzt Toleranz. Grundwerte unserer Gesellschaft werden hopladihop über Bord geworfen. Hier sagt man: Menschen, die sich nicht impfen wollen, seien bekloppt, dort heißt es: „Schande über die Schlafschafe“.
Während wir streiten, merken wir nicht, dass sich die Welt um uns herum in rasender Geschwindigkeit ändert. So gut wie alle Bereiche unseres Lebens befinden sich in einer Transformation. Wie diese verläuft, liegt maßgeblich an unserer Fähigkeit der Kooperation, des Mitgefühls und des Bewusstseins von uns selbst und unseren Worten und Taten. Für unsere geistige Gesundheit täten wir gut daran, den Debattenraum zu öffnen – in Achtsamkeit, Respekt und Verständnis für unterschiedliche Perspektiven. (,,,)
Werner Rügemer: Die Ausbeutung von Arbeitskräften ist das grosse Tabu der EU
Bei der Pflege, Landwirtschaft, Prostitution, Logistik oder im Bau: Ohne Arbeitsmigranten läuft in den reichen EU-Staaten wenig. In der EU werden Arbeits- und Sozialrechte, die in der Universellen Erklärung der Menschenrechte begründet sind, sowie die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO massiv verletzt und verdrängt. Die EU kennt vor allem keine kollektiven Arbeitsrechte. Mit besonderer Schärfe zeigt sich dies bei den immer zahlreicheren Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten. Widerstand ist verbreitet, aber noch gering, und wird zudem politisch und medial verdrängt.
Deutschland – führender Arbeits-Unrechtsstaat in der EU
Mit der Agenda 2010 förderte die Regierung Schröder/Fischer aus SPD und Grünen in den Jahren 1998 bis 2005 das steuerbegünstigte Eindringen vor allem der neuen, unregulierten US-Investoren wie Blackstone, KKR, BlackRock, Vanguard – und gleichzeitig wurde für sie mit den vier Hartz-Arbeitsgesetzen der grösste Niedriglohn-Sektor in der EU geschaffen. Dazu gehörten die erweiterte Leiharbeit, Mini-Jobs, befristete und Teilzeit-Jobs sowie die Disziplinierung und Verarmung der Arbeitslosen.
Die Folge-Regierungen unter Bundeskanzlerin Angela Merkel/CDU haben die Praktiken bis 2021 verschärft und erweitert und mit der „Ost-Erweiterung“ der EU auch den Umfang und die Vielfältigkeit migrantischer Arbeit. Sie ist meist zeitlich begrenzt und wird zudem vielfach halblegal oder illegal verrichtet:
• Seit Jahren arbeiten etwa 600‘000 osteuropäische Frauen in der häuslichen Krankenpflege: Sie werden nach Mindestlohn von etwa 10 Euro für 30 Stunden pro Woche entlohnt, müssen aber 24 Stunden in Bereitschaft sein, haben keinen bezahlten Urlaub und keinen Kündigungsschutz.
• Fleischzerleger werden auch nach einer „Reform“ im Pandemiejahr immer noch gezielt aus Osteuropa angeworben und ohne Familie in Massenunterkünften untergebracht.
• Im Pandemiejahr 2021 wurde die unversicherte migrantische Saisonarbeit bei Spargelstechen und Erdbeerpflücken von drei auf vier Monate erweitert.
• Auch während der Pandemie warb das deutsche Gesundheitsministerium osteuropäische Pfleger und Ärzte an. In Polen, Ungarn, Kroatien, Bosnien und dem Kosovo verlottern die öffentlichen Gesundheitssysteme, sie bleiben unterfinanziert. Die Monatsgehälter für Ärzte und Pfleger liegen dort zwischen 400 und 1‘200 Euro – bei ähnlich hohen Lebenshaltungskosten wie in den reichen EU-Staaten.
• Deutschland wurde unter weiblicher Kanzlerschaft mit mehreren hunderttausend jungen, allermeist nicht registrierten und mafiotisch vermittelten Frauen aus Osteuropa zum „Bordell Europas“.
Mit EU-Richtlinien wurde das deutsche Vorbild in anderen EU-Staaten übernommen, so in Frankreich, Italien, Spanien und Belgien.
(...)
Vielgestaltige Aufsplitterung der arbeitenden Klasse
Diese verrechtlichten Praktiken fördern die innere Aufsplitterung der abhängig arbeitenden Klasse: Vom (noch) gut entlohnten einheimischen Dauerbeschäftigten über viele Stufen hinunter zu extrem prekären und auch illegalen migrantischen Beschäftigten. Und diese offen und latent konfliktreiche Aufsplitterung ist verbunden mit der weiter gesteigerten Einkommens- und Vermögensungleichheit zugunsten der Privateigentümer. Diese wiederum alimentieren ein vielgestaltiges, gut dotiertes Hilfspersonal der Besser- und Bestverdiener, also Anwälte, Unternehmensberater, Wirtschafts“prüfer“, PR-Agenten sowie beamtete und unternehmerisch subventionierte Wissenschaftler.
Rechtsgerichtete Oligarchen wurden und werden bei der EU- und NATO-Ost-Erweiterung gefördert, so bekanntlich in Ungarn, Polen, Kroatien, Nordmazedonien, im Kosovo, in den baltischen Staaten, zugunsten westlicher Investoren, die mit Subventionen, Niedriglöhnerei, Militärstützpunkten und geduldeter Steuerflucht begünstigt werden. Ähnliches findet in der Ukraine statt.
Dies hat wesentlich zur politischen Frustration, ja Lähmung unter den abhängig Beschäftigten und Teilen der traditionellen middle classes geführt und ist verantwortlich für die politische Rechtsentwicklung – übrigens bis hinein in die Mitgliedschaft der etablierten Gewerkschaften, die in Brüssel ihre Vertretung unterhalten und die menschenrechtswidrige Grundkonstruktion der Arbeitsverhältnisse tolerieren.
Formen des Widerstands
Die immer wieder aufkommenden Streiks etwa von Ärzten und Pflegern in Polen und Kroatien dürften den EU-Gremien bekannt sein, werden aber offiziell nicht gehört. Aber für die Entwicklung des neuen, den gegenwärtigen Verhältnissen angemessenen Widerstands lohnt es sich, die Erfahrungen solcher Gewerkschaften einzubeziehen, die in wichtigen Fragen vom Mainstream abweichen.
Das sind etwa die grösste Gewerkschaft der Schweiz, UNIA (2004 gegründet), der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB mit dem Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB), die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF), in Deutschland die Lokführergewerkschaft GDL und die internationalistischen, von verdi unterstützten Aktivitäten bei Amazon in Polen, aber auch die nachhaltigen Kämpfe im staatlichen, aber durchprivatisierten grössten Universitätsklinikum Europas, der Berliner Charité.
Vielfältige, zerstreute, nicht dauerhaft organisierte Ansätze finden sich bei spontanen Streiks in ost- und südosteuropäischen Staaten und bei der Selbstorganisation bei Fahrradkurieren, Plantagenarbeitern in Spanien, bei Textilarbeiterinnen in Nordmazedonien sowie nicht zuletzt die mit Gewerkschaften und Linksparteien vernetzten „Gelbwesten“ in Frankreich.
Thomas Ribi: Fakten können jederzeit zu Irrtümern werden: Wer Zweifler ignoriert, leistet der Wahrheit keinen Dienst
Die neue Chefin der Nachrichtenagentur Associated Press will über bestimmte «Fakten» nicht mehr diskutieren. Doch geht es dabei um Fakten oder um Thesen?
Es gebe Dinge, über die man nicht mehr reden müsse, sagt Julie Pace. Zum Beispiel darüber, ob die Impfstoffe gegen Covid-19 sicher seien, ob es einen Klimawandel gebe oder ob es bei den US-Wahlen im vergangenen Jahr zu größeren Betrügereien gekommen sei. Schließlich gebe es Fakten. Genügend Fakten. Und die seien so klar, dass sich jede Diskussion erübrige.
Julie Pace weiß, wovon sie spricht. Oder sie müsste es zumindest wissen. Die 39-Jährige ist eine erfahrene Journalistin. Sie war längere Zeit Korrespondentin im Weißen Haus, und seit ein paar Wochen ist sie Chefredaktorin der größten Nachrichtenagentur der Welt: Associated Press, kurz AP. Ein Unternehmen mit zweihundertfünfzig Büros auf allen Kontinenten, eine Institution, die aus dem Medienalltag nicht mehr wegzudenken ist. Tausende von Zeitungen und Newsportalen verlassen sich täglich auf ihren Service.
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Keine Fragen mehr
Die Verpflichtung auf Tatsachen, sagt Julie Pace, bedeute für Associated Press auch, dass in bestimmten Fällen nicht zwingend alle Meinungen in der Berichterstattung zu Wort kommen müssten, zumal wenn sich diese Meinungen gegen etablierte Positionen richteten. Fragen zu stellen, wo es keine Fragen mehr gibt, würde nur dazu führen, die Tatsachen zu verwischen. Beliebigkeit statt Orientierung also.
(...)
Fakten erklären nichts
Aber verstehen möchte man sie eben doch. Und wenn man sich an Fakten halten kann, hat man zumindest den Eindruck, man verstehe sie. Ob das zutrifft, ist eine andere Frage. Fakten erklären nichts. Genauso wie Daten noch keine Informationen sind. Fakten müssen erklärt, vertieft, eingeordnet und interpretiert werden, damit man sie verstehen kann. Das zu leisten, ist Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten. Und sie wird immer wichtiger. Fakten sind heute so leicht verfügbar wie noch nie. Aber es wird immer schwieriger, zu verstehen, was sie bedeuten.
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Julie Pace’ Statement geht darüber hinaus, und es zielt letztlich in eine gefährliche Richtung. Dass Fakten unumstößlich sind, ist das erste Gebot im Journalismus. Aber es ist untrennbar mit dem Gebot verknüpft, Fakten als das zu verstehen, was sie sind: Sachverhalte, die mit Tatsachen belegt werden können. Das heißt aber auch: Man muss damit rechnen, dass sie widerlegt werden.
Die Irrtümer von morgen
Fakten sind Fakten. Aber mehr nicht. Das heißt: Sie sind nicht unantastbar. Weil sie jederzeit zu Irrtümern werden können. Durch neue Erkenntnisse, neue Erfahrungsdaten oder eine schlüssigere Interpretation von bekannten Daten. Oder dadurch, dass neue Fakten entdeckt werden, die das Bild verändern. Das gilt auch und besonders dort, wo es sich um wissenschaftliche Fakten handelt. Wenn die Corona-Pandemie eines gezeigt hat, dann das. Man muss nicht dauernd über alles diskutieren. Aber man darf die Diskussion auch nicht scheuen. Wer sich auf Fakten beruft, darf sie nicht für unverhandelbar erklären.
Außerdem kann man sich fragen, ob es Aufgabe einer Nachrichtenagentur ist, über bestimmte Positionen nicht zu berichten, nur weil sie nicht den Ansichten der Mehrheit entsprechen. Journalisten müssen die Welt abbilden – und auch über Dinge berichten, die ihnen nicht in den Kram passen. Menschen, welche die Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe anzweifeln, nicht ausschließen, dass es bei Trumps Abwahl zu Unstimmigkeiten gekommen sein könnte, und die gängigen Thesen zum Klimawandel nicht unhinterfragt nachbeten, vergehen sich weder an der Wahrheit, noch sind sie Staatsfeinde. Sie stellen Fragen. Das darf und muss sein. Je größer der Widerstand dagegen ist, umso mehr.
Der Hinweis auf diesen Artikel stammt von den NachDenkSeiten; dort steht auch folgender Kommentar:
Anmerkung Christian Reimann: Diese Haltung der neuen AP-Chefredakteurin ist auch charakteristisch für die deutschen Hauptmedien und die ganz große Corona-Koalition von FDP, Grünen, Linke, SPD und Unionsparteien. Sie spaltet die Gesellschaft. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut
Wieso wählen Hartz-IV-Empfänger, Billiglöhner, Rentner, Studentinnen, Wohnungssuchende
u.a.m. eine „bürgerliche Koalition“?