Lesefrüchte
März 2024
Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.
Lesefrüchte im vergangenen Monat
Alex Krainer: Der Ukrainekrieg und die fatalen Fehler des westlichen Systems
Roberto De Lapuente: Der Papst weiß, wovon er spricht
Dr. Peter F. Mayer: Überraschende Entlassung Victoria Nulands
Norbert Häring: Bei guter Führung Freigang aus Andricks „Moralgefängnis“
Felix Feistel: Die Rechtsextremisten sitzen in der Regierung
Alex Krainer: Der Ukrainekrieg und die fatalen Fehler des westlichen Systems
Das nicht diagnostizierte Malignom im Zentrum unseres Systems liegt jetzt offen zutage
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Der Westen kann 10 Mal so viel ausgeben wie Russland? Schön wär’s......
Eines der Hauptargumente, das bei den wahren Gläubigen des Westens die Runde macht, lautet, dass wir Russland bei den Militärausgaben um den Faktor 10 voraus sind. Das mag stimmen, aber was diese Ausgaben tatsächlich kaufen können, ist eine ganz andere Frage. In der Tat, wir müssten zehn mal mehr ausgeben als Russland, nur um - gerade so - Schritt zu halten. Zum Beispiel ist eines der größten Probleme der westlichen Militärs ihre Munitionsbeschaffung.
Wie die New York Times letzten September berichtete, produziert Russland mindestens sieben mal mehr Munition als die USA und die westlichen Alliierten zusammen, und das zu Kosten, die in Zehntel der westlichen Hersteller betragen. So kostet eine russische 152mm Granate etwa $600, die NATO muss für jede 155mm Granate zwischen $6.000 und $8.000 verbuchen.
Russland ist nicht nur in Bezug auf reine Produktionsvolumen weit vorne, sondern auch in Bezug auf Innovation, Qualität und allgemeiner Effektivität. Ihr Arsenal deckt ein sehr breites Spektrum an Waffen ab, von ultraschlauen, hochpräzisen Hyperschallraketen, den effektivesten Luftverteidigungssystemen der Welt und billigen, aber tödlichen Drohnen, bis zu alltäglichem Zeug wie Feldartillerie und reichlich Munition, um monatelang rund um die Uhr zu feuem.Gleichzeitig verlassen sich die USA und die NATO immer noch auf alte Waffensysteme, die in den 1990em modern waren, die aber heute zum großen Teil obsolet sind.
Zweck-gesteuerte und Profit-gesteuerte Systeme: Kein Vergleich
In einer superben und wichtigen Analyse, die die National Defense Industrial Strategy (NDIS) des US Verteidigungsministeriums erwähnt, zerlegt der ehemalige Marine und Militäranalyst Brian Berletic viele der Gründe, warum der kombinierte Westen nun eindeutig den Rüstungswettlauf verliert, nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China. Er weist auf den Schlüsselunterschied hin: Während Russlands Verteidigungsindustrie Zweck-gesteuert ist, so ist die des Westens
Profit-gesteuert.
Der militärisch-industrielle Komplex des Westens ist umfänglich auf Gewinnerzielung ausgelegt, was ein perverses System aus Anreizen erzeugt, das den Output auf mehr als eine Art ineffektiv macht. Zunächst einmal: Die privaten Rüstungsvertragspartner des Westens sind aggressiv auf Gewinn aus, was dazu fuhrt, dass die Bevorratung nötiger Materialien und Reserveproduktionskapazitäten jenseits der normalen Beschaffungsbedürfnisse eliminiert wurden. Das Ergebnis ist, dass sie keine Notkapazitäten haben, um die Produktion als Antwort auf dringliche Bedürfnisse „Nationaler Sicherheit“ hochzufahren.
Im Bett mit den „Feinden“
Profitmotive haben die westliche „Verteidigungsindustrie“ auch dazu gebracht, einen großen Teil der Produktion ihrer kritischen Komponenten in Länder zu verlagern, in denen die Arbeitskosten niedriger sind. In vielen Fällen sind diese Länder zufälligerweise Gegner der Vereinigten Staaten. Mit anderen Worten, die USA haben ihre „Nationale Sicherheit“ von ihren erklärten Feinden abhängig gemacht. Letztes gab der CEO von Raytheon, Greg Haynes, zu, dass sich Raytheon auf einige Tausend Lieferanten in China verlässt.
Ein Beispiel: Der Triebwerkslieferant Pratt & Whitney und der Spezialist für Avioniksysteme Collins Aerospace haben um die 2.000 direkte Angestellte in China. Haynes gab zu, dass „wenn wir aus China aussteigen müssten, dann würde es viele, viele Jahre dauern, um diese Kapazitäten ins Inland oder an befreundete Länder zu holen.“ Am wichtigsten vielleicht: Westliche Waffenproduzenten haben ihre Belegschaften verringert und Investitionen in ihre Ausbildung und Bildung zusammengestrichen.
Die nicht diagnostizierte Bösartigkeit
Ich wiederhole: Das sind keine kleinen, unwichtigen Fragen: Es steht sehr viel auf dem Spiel! Auch wenn sie danach streben, ihre dominante geostrategische Position in der Welt zu halten, haben die westlichen Mächte ihre eigenen Fähigkeiten kannibalisiert, um diese Position durchzusetzen und zu verteidigen. Die unausweichliche Schlussfolgerung ist, dass es im westlichen Regierungsmodell einen tiefen und systemischen Fehler gibt.
Generationenlang wurden wir alle erzogen, am Altar des privaten Kapitals zu beten, dem ungezügelten Gewinnstreben für das größere Wohl der Aktieninhaber, wie Milton Friedman in seinem Aufsatz von 1970 mit dem Titel „The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“ argumentierte. Keine andere Betrachtungsweise darf die Entwicklung der Produktion und die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen formen, sonst schreit jemand „Sozialismus!“ Schlimmer noch, man hat uns davon überzeugt, dass das ungezügelte Streben der Individuen zu ihren eigenen Interessen irgendwie automatisch und magisch zum besten Ergebnis für die gesamte Gesellschaft führt.
Wie sich herausstellt, waren diese Gedanken die egoistischen Wahngebilde der besitzende Klasse, und sie haben den fatalen Fehler in ihrem eigenen System ausgebrütet und sie zerbrechlich und schwach gemacht. Dieser Makel hat sich zu einer nicht diagnostizierten Bösartigkeit entwickelt, denn es hat jene Interessen, die unseren militärisch-industriellen Komplex und andere Schlüsselindustrien besitzen (die großen Banken, Big Tech, das Agro-Business und Big Pharma), extrem reich werden lassen. Und sie haben sich tief in die Machtnetzwerke der Gesellschaft eingegraben. Und so sind sie gewachsen und völlig resistent gegen jede Einschränkung ihrer außergewöhnlichen Privilegien, selbst wenn klar wird, dass sie ihre Länder in die Zerstörung treiben.
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Roberto De Lapuente: Der Papst weiß, wovon er spricht
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Sie wollen einen Papst, der des Teufels ist
Die üblichen Freunde des Abschlachtens nahmen den Papst in die Mangel. Roderich Kiesewetter unterstellte Franziskus gar, sich auf »die Seite des Aggressors« zu stellen. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen plädiere dafür, dass es Frieden nur geben könne, wenn er gerecht sei. Das spiegelt die Haltung all derer wider, die des Papstes Worte als Affront betrachten. Sie wollen Gerechtigkeit – in Anbetracht der geostrategischen Entwicklungen der letzten Woche muss man aber festhalten: Nach einem Weltkrieg wird der Rest der Menschheit wohl der Ansicht sein, dass auch ein ungerechter Frieden besser gewesen wäre als das, was danach kam.
Um nicht weniger als darum geht es nun. Wer die Schuld trägt, wer anfing: Solche Fragen leistet man sich, wenn die Gefahr nicht unmittelbar ist, wenn es noch andere Auswege gibt. Aber die potenziellen Exit-Strategien sind in den letzten Tagen mehr und mehr verbaut worden. Alles spitzt sich zu: Wer jetzt noch moralisiert, den trifft der Bombenhagel. Dass Russlands Kriegsführung gegen die übermächtige NATO kein »konventioneller Krieg« sein könnte: Man kann es erahnen.
Die Außenministerin saß gestern Abend bei Caren Miosga und sollte Stichwortkarten beantworten. Fassungslos sei sie, dass der Papst ein Ende des Blutvergießens fordere. Vielleicht sei es angeraten, dass Franziskus mal in die Ukraine reise, um vor Ort zu sehen, dass sein Vorschlag nicht geboten erscheine. Was soll der Papst in der Ukraine sehen? Zerstörte Häuser, Waisen, Massengräber? Die würde er wahrlich zu sehen bekommen. Und was soll er dann denken und schlussfolgern? Etwa dass man so weitermachen soll? Jetzt erst recht? Auch für diese Ministerin muss man sich schämen – nicht nur als Katholik.
Die Kritiker des Papstes tun nun so, als habe das Kirchenoberhaupt eine unglaubliche Verfehlung begangen, als habe er christliche Lehren ad absurdum geführt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Auf die Vernunft zu bauen, nach Lösungen zu streben, nicht sinnlos Blut zu vergießen und eben auch nicht sinnlos zu bluten: Das sind katholische Einsichten par excellence. Klammern wir die objektive Frage nach der Kriegsschuld mal aus, folgen wir dem Narrativ, dass Putin die alleinige Schuld trägt: Selbst dann wäre es im katholischen Kontext als geboten zu betrachten, einen modus vivdendi zu finden. Seine Feinde zu lieben wie sich selbst: Das ist schwierig, nicht immer möglich – aber diese Parole ist ein Anspruch, der immer wieder verdeutlicht: Bedenke, der Andere, dein Feind, auch er ist ein Mensch. Einer von unserer Gattung.
Die Forderung des Papstes ist also nichts, wofür sich ein Katholik schämen müsste. Im Gegenteil, sie ist katholisch nachvollziehbar. Ja, in ihr wirkt der Katholizismus in Reinkultur. Wenn sich gewisse Katholiken nun schämen, zeigt das letztlich nur, dass sie sich von ihrer eigenen Konfession entfernt haben. In ihren Bekundungen steckt der Wunsch nach einem Papst, der dem Krieg das Wort redet. Sie bestellen damit, christlich ausgedrückt, das Werk des Teufels.
Weiterlesen ist dringend empfohlen. Im Folgenden nimmt Lapuente sich die Reaktionen der evangelischen Bischöfe vor.
Dr. Peter F. Mayer: Überraschende Entlassung der schärfsten Kriegstreiberin Victoria Nuland als stellvertretende US-Außenministerin
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Der stellvertretende Finanzminister der Regierung Ronald Reagan, Paul Craig
Roberts, analysiert in seinem Blog weitere Implikationen des Rücktritts:
Im israelisch-palästinensischen Konflikt hat Nuland die Gelegenheit gesehen, den Konflikt auf einen Angriff auf den Iran auszuweiten, was schon lange auf der Agenda der Neokonservativen steht. Der Krieg hat sich bereits auf den Jemen ausgeweitet, und es gibt Berichte, dass Israel beabsichtigt, den Krieg auf den Libanon gegen die Hisbollah, einen Verbündeten des Iran, auszuweiten.
Warum sollte ein Neokonservativer in einer einflussreichen und mächtigen Position, die kurz vor der Verwirklichung neokonservativer Ziele steht, zurücktreten?
Ein weiteres Rätsel ist die Rücktrittsankündigung Blinkens. Es wird kein Grund genannt. Die Ankündigung ist voll des Lobes für Nuland, aber es gibt keinen Ausdruck des Bedauerns über ihr Ausscheiden. Stattdessen gibt es nur dies: „Wir sind so dankbar für Torias Dienst“ (Toria ist Victorias Spitzname).
Meine Erfahrung aus einem Vierteljahrhundert in Washington sagt mir, dass Blinken Nuland gerade mitgeteilt hat, dass sie gefeuert ist.
Ich habe keine US-Nachrichtenberichte über Nulands Rücktritt/Entlassung gesehen. Das ist erstaunlich. Die Hauptarchitektin der aggressiven Außenpolitik Washingtons gegenüber Russland und dem Iran wird ohne Erklärung aus einem mächtigen Amt entfernt, und die Presse schweigt?
Ich denke, es ist zu viel erhofft, dass die Demokraten, eine Ansammlung von Vogelhirnen, erkannt haben, dass Nuland das Gesicht der Kriegspartei ist und dass die Demokraten dieses Gesicht bei den kommenden Wahlen nicht überleben können. Wie kann man nach der jahrelangen Dämonisierung Putins, Russlands und des Irans plötzlich die Wirkung einer solchen Dämonisierung abrufen?
Ein weiteres Rätsel ist das Fehlen von Berichten über Blinkens Ankündigung des Rücktritts von Nuland in den etablierten Medien. RT erwähnte ihn und Gilbert Doctorow auf seiner persönlichen Website. Offensichtlich ist die offizielle Darstellung noch nicht vorbereitet und den Medienvertretern übergeben worden.
Norbert Häring: Bei guter Führung winkt Freigang aus Michael Andricks „Moralgefängnis“
Der Titel ist vielversprechend: „Im Moralgefängnis – Spaltung verstehen und überwinden“. Der Autor, Michael Andrick, ist als origineller, und unerschrockener Denker bekannt. Und doch ist ihm das Buch missglückt.
Michael Andrick schreibt furchtlose Kolumnen in der Berliner Zeitung, zu Themen wie Corona, Gendern und Ukraine, bei denen man sich leicht die Finger verbrennen kann. Deshalb will ich ihm gern nur die besten Absichten mit seinem Buch unterstellen, so wie wir das laut eben diesem Buch generell bei unseren Mitmenschen tun sollen. Die Forderung, in dieser Generalität aufgestellt, wird sich allerdings noch als Teil des Problems des Buches erweisen.
Ich persönlich habe mir durchdachte Anregungen dafür versprochen, wie man als Publizist diesseits der feinen Linie bleibt, zwischen notwendiger Kritik an den Verantwortlichen für Misstände und kontraproduktivem Moralisieren, also dem Einteilen der Menschen in Gut und Böse.
Ich persönlich habe mir durchdachte Anregungen dafür versprochen, wie man als Publizist diesseits der feinen Linie bleibt, zwischen notwendiger Kritik an den Verantwortlichen für Misstände und kontraproduktivem Moralisieren, also dem Einteilen der Menschen in Gut und Böse.
Andricks Buch beginnt vielversprechend. Er erklärt aggressives und intolerantes Verhalten während der Corona-Krise damit, dass Menschen unter Stress „dümmer und böser“ würden als sonst. Das heißt, sie differenzieren weniger, verlieren Einfühlungsvermögen, fassen Handeln anderer leichter als Aggression auf und werden selber aggressiv. Wenn ich die, leider zu vielen Episoden Revue passieren lasse, in denen das auf mich zutraf, so waren es fast immer Episoden, in denen ich unter starkem oder länger anhaltendem Stress stand.
Diffuse, allgegenwärtige Angst, wie sie etwa während der Corona-Krise vorherrschte, stellt einen starken Stressfaktor dar. Vor allem weil so schwer damit umzugehen ist. Wenn dann bestimmte, konkrete Furchtobjekte angeboten werden, oder sich anbieten, wie etwa unmaskierte oder ungeimpfte Mitmenschen, ist die Neigung um so größer, sich mit Entschiedenheit an die Eliminierung dieses Risikos zu machen und diejenigen, die dabei nicht mitmachen, als Aggressoren zu betrachten.
Andrick ruft mit einer Zwischenüberschrift zu „Verstehen, nicht verurteilen“ auf, und darunter zur Frage, Welchen Beitrag habe ich zu Spaltung und Entfremdung geleistet?
Ab hier fängt er an, meine Bereitschaft, ihm zu folgen, zu verlieren. Nicht wegen der Forderung, die ich voll und ganz teile. Auch ich halte die Einteilung in Gut und Böse, die Vorstellung, man müsse und könne das Böse und die Bösen besiegen, und dann würde die Welt besser, für eines der größten Probleme und kollektiven Irrtümer unserer Gesellschaft.
Mein Widerspruch bezieht sich darauf, dass Andrick – erkennbar bewusst – darauf verzichtet, Aspekte wie Propaganda und bewusste psychologsiche Manipulation der Massen mit zu beleuchten. Er konzentriert sich ausschließlich auf den gegenseitigen Umgang der Gestressten und gegeneinander in Stellung gebrachten Gruppen. Er ruft die Insassen des Moralgefängnisses zu guter Führung auf, damit sie – allesamt – vorzeitig daraus entlassen werden. Wer sie für welches Vergehen in dieses Gefängnis gesteckt hat, bleibt dabei außen vor.
Moralkrankenhaus oder Moralgefängnis
Um dieser Frage zu entkommen, greift Andrick auf das Bild des Virus zurück, des Moralin-Virus, der die Gesellschaft infiziert, und sich mit jeder moralisierenden Abwertung eines Mitmenschen weiter verbreitet. Um konsequent zu sein, hätte er im Titel eigentlich vom „Moralkrankenhaus“ sprechen müssen.
Aber Moralgefängnis klingt nicht nur besser, es ist auch tatsächlich passender, denn wir wurden in dieses Gefängnis gesteckt. Dass Andrick die Frage nach denen, die uns eingewiesen haben, bewusst auslässt, scheint an verschiedenen Stellen auf. So schreibt er:
„Politiker und internationale Akteure hatten und haben in den angstpolitischen Krisen der letzten Jahrzehnte einen gewaltig großen, gelegentlich auch strafrechtlich relevanten Anteil am entgleisten Geschehen.“
Die nähere Erläuterung dazu versteckt er in einer Endnote 11:
„Es kann ebenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass die weltweit eigenartig koordiniert und gleichförmig ausfallenden Reaktionen der Regierungen auf die Ausrufung des Virus-Notstands langfristig vorausgeplant und über Jahre hinweg mehrfach regelrecht einstudiert worden sind. Vgl. dazu Paul Schreyers Recherchen in Chronik einer angekündigten Krise, Frankfurt a.nbsp;M. 2020.“
Das hätte in den Haupttext gehört, zusammen mit einem Hinweis auf das berüchtigte Strategiepapier aus dem Innenministerium, das die Parole ausgab, der Bevölkerung massiv Angst einzuflößen, damit sie alles mitmacht, was zur Pandemiebekämpfung von ihr verlangt wird. Auch die vielfältigen Initiativen von WHO, Regierungen und Geheimdiensten, die öffentliche Meinung zu manipulieren und Menschen mit vom offiziellen Narrativ abweichende Ansichten als Hasser und Hetzer zu diskreditieren, hätten erwähnt werden können.
Aber dann hätte Andrick kaum seine Entscheidung begründen können, die Herkunft von Stress und Angst und damit unserer Einweisung ins Moralgefängnis nicht zu thematisieren.
Stattdessen lässt er die kurze Andeutung im Haupttext schnell wieder fallen, mit dem Argument:
„Nur hilft uns diese berechtigte Feststellung im Alltag fast überhaupt nicht dabei, zu entscheiden, wie wir im direkten Umfeld etwas zur Heilung der Verhältnisse beitragen können.“
Wenn es stimmen würde, dass die Wiederverständigung nach der Spaltung unabhängig von der spalterischen Rolle der Mächtigen stattfinden kann, könnte man ihm als Autor problemlos zubilligen, dass er entscheidet, worauf er sich mit seinem Buch konzentrieren will. Weil es aber nicht stimmt, ist diese Selbstbeschneidung aus meiner Sicht ein grober Fehler, der erhebliche Schwächen in der Argumentation nach sich zieht.
Felix Feistel: Die Rechtsextremisten sitzen in der Regierung
Der Wirbel um den aufgebauschten Correctiv-Bericht über das angebliche Geheimtreffen, bei dem Mitglieder von AfD und CDU angeblich über die Abschiebung von Millionen von Menschen nachgedacht hätten, hat sich etwas gelegt. Dennoch wähnt sich Deutschland im Kampf gegen den Rechtsextremismus, Tausende Menschen gingen über Wochen hinweg auf die Straße, um gegen die AfD und den Rechtsextremismus zu protestieren, der nun hinter jeder Ecke zu lauern scheint. Parallel dazu drängt Innenministerin Nancy Faeser auf ein Demokratiefördergesetz, um vermeintlich den Rechtsextremismus besser bekämpfen zu können. Dieses Gesetz war bereits im vergangenen Jahr in den Bundestag eingebracht worden, Faeser jedoch möchte die Verabschiedung nun beschleunigen.
Ziel des Gesetzes ist die Förderung von Organisationen, die sich für die Demokratie einsetzen. Sie sollen finanziell unterstützt werden, damit sie sich gegen Rechtsextremismus stellen können. Nun ist die Definition des Begriffes Demokratie in den vergangenen Jahren ja extrem schwammig geworden. So diente es dem Schutz der Demokratie, Menschen, die gegen die Coronapolitik auf die Straße gingen zu diffamieren, sie zu bekämpfen und juristisch verfolgen zu lassen. Es wurden Grundrechte bis zu Unkenntlichkeit verstümmelt, die Menschen wurden rechtswidrig eingesperrt, und mit Masken und Impfspritzen zwangsbeglückt, die auch mal zum Tode führten, womit der Staat zum Mörder geworden ist. Während der Staat mittels Notstandsgesetzgebung regierte, und Milliarden an Euro an Steuergeldern in die Taschen von Konzernen und Oligarchen umverteilte, wurden diejenigen verfolgt, die diesen Umstand kritisierten. Bedenkt man nun, dass all das auf einer reinen Erfindung einer angeblichen Pandemie beruhte, die nur ausgerufen wurde, gerade um totalitäre Maßnahmen zu verhängen und die Umverteilungsmaschinerie in Gang zu setzen, bekommt diese Demokratie doch einen faden Beigeschmack.
Diese Demokratie ist es nun also, die weiter gefördert werden soll. Das sollte jeden kritischen Geist aufschrecken lassen. Ebenso, wie die regelmäßigen Erklärungen der Innenministerin, die immer wieder ihr Verständnis von Rechtsstaatlichkeit durchblicken lassen. So erklärte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden des Bundesverfassungsschutzes Haldenwang:
„Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz in der Bekämpfung von Rechtsextremisten. Ich möchte rechtsextremistische Netzwerke genauso behandeln wie Gruppierungen der organisierten Kriminalität. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen. Das bedeutet, jeden Rechtsverstoß konsequent zu verfolgen und zu ahnden. Das kann nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch die Ordnungsbehörden wie die Gaststätten- oder Gewerbeaufsicht geschehen. Bei Rechtsextremisten jeden Stein umzudrehen, das muss der Ansatz sein.“
Zunächst sollten wir uns daran erinnern, wer in der jüngeren Vergangenheit als rechts und rechtsextrem eingestuft wurde. Das waren nicht nur die Verschwörer der sogenannten Wannseekonferenz 2.0, sondern auch protestierende Bauern, Gegner der Coronamaßnahmen und jene, die sich für die Einhaltung von Grundrechten eingesetzt haben, Friedensaktivisten und Kriegsgegner. Rechts und rechtsextrem, das ist alles, was der Regierung gerade nicht in den Kram passt, jede Opposition, die gegen den Staat und seine Verbrechen Widerstand leistet oder auch nur eine abweichende Meinung vertritt.
Damit kündigt Nancy Faeser an, jede Opposition bekämpfen, sie finanziell austrocknen, und sie die ganze Härte des Staates spüren lassen zu wollen. Wenn es schon genügen soll den Staat zu verhöhnen, wie sie es ganz offen ausdrückt, dann gibt es in der Anwendung staatlicher Gewalt gegen Andersdenkende kein Halten mehr. Wir erinnern uns, dass der Verfassungsschutz schon seit einigen Jahren jede Opposition unter dem Stichwort der „Delegitimierung des Staates“ beobachtet. Delegitimierung und Verhöhnung sind doch recht ähnlich, und beides kann jedem angelastet werden, der es auch nur wagt, den Staat zu kritisieren. Besonders besorgniserregend dabei ist auch, dass Faeser bei den nun sogenannten Rechtsextremisten nicht nur jeden Stein umdrehen will, sondern die Sanktionen auch über Behörden wie den Ordnungsbehörden oder die Gewerbeaufsicht verhängen lassen will.
Das bedeutet: Nancy Faeser will jeden, der sich dem Staat gegenüber kritisch äußert wirtschaftlich vernichten. Sie sollen mit der organisierten Kriminalität gleichgestellt und ebenso behandelt werden. Das würde selbst die Teilnahme an einer Organisation wie Querdenken, oder auch nur an Protesten, bereits in den Bereich möglicher Kriminalisierung rücken. Denn künftig kann dann jede Bewegung oder Organisation als organisierte Kriminalität eingestuft werden, wenn diese sich gegen den Staat ausspricht, diesen kritisiert oder Proteste organisiert.
Erinnern wir uns auch daran, dass Nancy Faeser diejenige war, die es sich zum Ziel gemacht hatte, Staatsdiener aus ihren Ämtern zu entfernen, wenn auf sie auch nur der Verdacht der antidemokratischen Bestrebungen fällt. Nancy Faeser will damit einen Eckpfeiler des Strafrechts, nämlich die Unschuldsvermutung, einreißen und zudem eine Beweislastumkehrung vornehmen. Nicht der Staat muss dem Beschuldigten nachweisen, dass er ein Demokratiefeind sei, sondern der Beschuldigte selbst muss nachweisen, dass dem nicht so ist. Hier gilt auch: Man kann etwas, das nicht ist, auch nicht beweisen. Damit sägt die Innenministerin selbst an den Grundsätzen des Rechtsstaates und der Demokratie, und ebnet der Verdachtsverfolgung, der Kollektivstrafe und der staatlichen Willkür den Weg. Sie erfüllt dabei selbst einige Kriterien von Demokratiefeindlichkeit und Rechtsextremismus, und macht das auch in ihrem Auftreten deutlich. Wir erinnern uns an die One-Love-Armbinde, die sie während der Fußballweltmeisterschaft in Katar so betont zur Schau stellte. Deutsche mit Armbinden, das weckt unschöne Erinnerungen an eine finstere Vergangenheit, die leider unter anderen Vorzeichen in der Gegenwart wieder gesellschaftsfähig wird.
Denn die Gender-Agenda, die diese Armbinde so anschaulich zum Ausdruck bringt, kommt zwar unter dem Deckmantel der Toleranz und Offenheit daher, soll aber mit Verboten und Strafen durchgeprügelt werden. Per Gesetz will die Bundesregierung Eltern dazu zwingen, ihre Kinder mit einem vermeintlich anderen Geschlecht ansprechen zu müssen, sofern diese das wollen. Wollen Eltern ihren Kindern nicht die begehrte Geschlechtsoperation ermöglichen, so soll ihnen das Sorgerecht entzogen werden können. Und auch andere Menschen mit ihrem biologischen und offenkundigen Geschlecht und ihrem richtigen Namen anzusprechen soll unter Strafe gestellt werden. Alle, die sich gegen diese Agenda stellen, die an der Einteilung in nur zwei Geschlechter festhalten und diese verteidigen werden – man ahnt es bereits – rechts eingeordnet, was nun nach Faesers Vorstellungen den staatlichen Zugriff, und zwar mit der vollen Bandbreite der behördlichen Gewalt ermöglichen soll.
Diese soll, geht es nach Bundesverfassungsschutzpräsident Haldenwang, auch schon dann möglich sein, wenn die Schwelle zur Strafbarkeit noch lange nicht erreicht ist. So erklärte er auf derselben Pressekonferenz, auf der auch Nancy Faeser ihre antidemokratische Haltung darlegte, dass Gespräche über Remigration im privaten Bereich zwar keine Straftaten darstellten, diese aber dennoch staatswohlgefährdend seien. Daher solle es möglich sein, Maßnahmen gegen entsprechende Teilnehmer zu ergreifen, etwa Einreiseverbote zu verhängen. Staatliche Behörden behalten sich also das Recht vor, gegen Bürger, die ihre demokratischen Rechte, sich im privaten Umfeld zu treffen und ihre Meinungsfreiheit auszuleben wahrnehmen, mit Sanktionen zu belegen. Der an der sogenannten Wannseekonferenz 2.0 beteiligte Martin Sellner sah sich mit den Versuchen eines Einreiseverbotes konfrontiert, und wurde bei seiner erneuten Einreise in die Bundesrepublik von der Bundespolizei kontrolliert. Staatliche Gängelung gegen unliebsame Meinungen wird also wieder zur Selbstverständlichkeit.
Geht es nach der RND-Chefredakteurin Eva Quadbeck, dann genügt das aber noch nicht. Sie forderte in einer Talksendung bei Maybrit Illner ein härteres Vorgehen gegen Meinungsverbrechen. So solle es auf Social Media mehr Kontrolle geben über das, was sogenannte Rechtsextreme dort posten. Wer da verfassungswidrig agiere, für den müsse es eben ungemütlich werden. Dabei seien ihrer Meinung nach auch Razzien angemessen. (3) Dass es sich bei dem Grundgesetz um ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat und eine Vorgabe für die Organisation des Staates handelt, ein einzelner Bürger damit gar nicht verfassungsfeindlich handeln kann, sondern eben nur der Staat, das hat Frau Quadbeck wohl nicht wirklich verstanden.
Doch ihre Forderung deckt sich in erschreckender Weise mit den Tendenzen, die sich schon seit Jahren beobachten lassen. So hat das Landgericht Meiningen es bereits 2022 für gerechtfertigt gehalten, eine Hausdurchsuchung bei einem Nutzer einer Social Media Plattform durchzuführen, weil dieser einen Beitrag nicht selbst geschrieben, sondern lediglich mit einem like versehen hat. (4) Die Durchsuchung von Haus, Auto und elektronischen Geräten erfolgte zeitgleich mit mehreren anderen Durchsuchungen bei Menschen, denen man „Hasspostings“ vorwarf. Hier wird die Grenze der Meinungsfreiheit empfindlich verschoben, und das unter einem Schlagwort, das man beliebig weit ausdehnen kann. Denn, wir erinnern uns, auch den Gegnern der Coronamaßnahmen waren Hass und Hetze vorgeworfen worden, gegen die man dann a la Borsetti, beliebig hetzen konnte, indem man sie beispielsweise als Blinddarm der Gesellschaft oder als Terroristen diffamierte.
Es ist diese Demokratie, die Faeser fördern will, um alles, was sie rechts wähnt, zu bekämpfen. Dabei steht diese Regierung selbst so weit rechts, dass die dunkle Vergangenheit unter ihr als Zombie wiederaufersteht. Ein wesentliches Merkmal dieses rechts, oder, um es deutlicher zu sagen, des Faschismus, ist ja bekanntlich eine Gleichschaltung von Medien und eine Bündelung der Gesellschaft um einen einzigen Zweck, eine einzige Ideologie herum. Die gesellschaftliche Bündelung kann man deutlich auf dem Demonstrationen gegen die AfD beobachten. Staatlich angeordnete Demonstrationen gegen die Opposition ziehen tausende von Wohlfühlprotestlern an, die sich in moralischer Überlegenheit wähnend, gegen jedes Ziel aussprechen, das die Regierung gerade vorgibt. Staatliche angeordnete Zustimmung zur Regierung und Ablehnung jeder anderen Meinung, das kennt man aus totalitären und faschistischen Regimen.