Lesefrüchte

Juli 2024

 

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Lesefrüchte im vergangenen Monat   
Frank Blenz, Dr.med. Erich Freisleben: „Open Source“ 
Viktor Orbán:
Sinn der NATO ist Frieden, nicht endloser Krieg

Oskar Lafontaine:
Deutschlands demokratische Mitte ist rechtsextrem ...
Tom-Oliver Regenauer: Die sechste Dimension

Fassadenkratzer:
„Nicht wir haben den Krieg begonnen.“
Elisabeth Voß: Corona-Debatte im Lichte der 68er-Bewegung
 


Frank Blenz, Dr.med. Erich Freisleben: „Open Source“ - ein aufklärerisches Modell der Berliner Zeitung

Die Nachdenkseiten veröffentlichen einen Fragen-Katalog von Dr. med. Erich Freisleben, der im Open Source-Projekt der Berliner Zeitung erschienen ist (leider hinter einer Bezahlschranke). Es sind 27 Fragen zur Corona-Politik der Regierung, deren Beantwortung dringend geboten ist. Die Fragen machen jedoch auch deutlich, wie weit die Mainstream-Medien davon entfernt sind eine „vierte Gewalt“ zu sein und die Regierungspolitik kritisch zu begleiten und dem Leser zu zeigen, was alles daran des Fragens würdig ist.
Wir stellen hier einige Fragen vor und schließen wie die NachDenkSeiten mit einem Wunsch des Autors Erich Freisleben. (bm) 

 1. Gab es tatsächlich eine so außergewöhnliche Notsituation, die nicht anders als mit so massiven Grundrechtseinschränkungen und mit sozialer Diskriminierung Impfunwilliger zu bewältigen war?

 2. Wann war den Verantwortlichen klar, dass die Impfung keinen Infektionsschutz und keinen Übertragungsschutz bewirkte?

 3. Warum wurde die Impfkampagne nicht durch Studien begleitet, welche den Sicherheitsmangel der kurzenImpfstoffentwicklungszeit etwas ausgeglichen hätten?

 4. Warum wurde bei zeitnah nach der Impfung Erkrankten und Verstorbenen keine Diagnostik der Ursachen veranlasst?

 5. Warum gibt es keine Leitlinien zu Impfnebenwirkungen?

 6. Warum beziehen die Leitlinien zum Post-Covid-Syndrom nicht mit ein, dass bei Erkrankung von Geimpften immer auch die Frage der Impfnebenwirkung im Raum steht?

 7. Warum nutzen die Leitlinien für Post Covid nicht die umfangreichen Diagnostik- und Therapieerfahrungen aus der Behandlung von Impfnebenwirkungen?

 8. Warum gibt es keinen offenen wissenschaftlichen Austausch über die so ähnlichen Fragen zum Post-Covid- und Post-Vakzin-Syndrom?

 9. Warum haben nur wenige der über 400.000 berufstätigen Ärzte Kenntnisse über die genannten Syndrome und können sie mittels Laboruntersuchungen entsprechend zuordnen?

10. Warum wissen wir nicht, wie viele der Millionen Post-Covid-Fälle Impfschädigungen sind, obwohl beim Vorliegen von Spike-Proteinen im Blut und in den Immunzellen die saubere Unterscheidung mittels Massenspektrografie möglich ist?
...
24. Wer hatte in letzter Instanz das Sagen über die Mitteilungen des RKI an die Öffentlichkeit?

25. Warum wurden mit Generalinspekteur Carsten Breuer als Leiter des Corona-Krisenstabs und mit Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm als Leiter der neu geschaffenen Abteilung „Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit“ im Bundesministerium für Gesundheit zwei hochrangige Militärs zu Verantwortlichen für die Gesundheit der Zivilgesellschaft ernannt?

26. Wer haftet für die extremen Folgen einer nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Erhöhung der Risikoeinschätzung, die von einem Bundesinstitut in die Öffentlichkeit gegeben wurde?

27. Bestehen bei über achtzigprozentiger Finanzierung der WHO durch freiwillige und oft zweckgebundene Beiträge nicht zu große Interessenskollisionen? Zu den größten Geldgebern der WHO zählt die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung mit besten Beziehungen zur Impfstoffindustrie. Sollten wir also wirklich der WHO eine so große Entscheidungshoheit übertragen, gerade auch in Notsituationen?

„In Anbetracht der Ankündigungen drohender neuer Pandemien und dem Einsatz von weiteren im Schnellverfahren zugelassenen mRNA-Impfstoffen kann das Vertrauen in die staatliche und überstaatliche Sicherheitsarchitektur nur durch Transparenz bezüglich des bisherigen Geschehens wiederhergestellt werden. Ich wünsche mir, dass wir unsere gesellschaftliche Spaltung überwinden und gemeinsam nach der Wahrheit suchen.“  (Hervorhebung bm)

 


Viktor Orbán: Sinn der NATO ist Frieden, nicht endloser Krieg
Die NATO steht an einem Scheideweg. Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass das erfolgreichste Militärbündnis der Weltgeschichte als Friedensprojekt begann und dass sein künftiger Erfolg von seiner Fähigkeit abhängt, den Frieden zu erhalten. Doch heute steht nicht mehr Frieden, sondern Krieg auf der Tagesordnung, nicht mehr Verteidigung, sondern Angriff. All dies steht im Widerspruch zu den Gründungswerten der NATO. Die historische Erfahrung Ungarns zeigt, dass solche Veränderungen nie in die richtige Richtung führen. Heute muss es darum gehen, das Bündnis als Friedensprojekt zu erhalten.

Wenn es um die NATO geht, befindet sich Ungarn in einer besonderen Lage. Unser Beitritt zur NATO war das erste Mal seit mehreren Jahrhunderten, dass Ungarn freiwillig einem Militärbündnis beigetreten ist. Die Bedeutung unserer Mitgliedschaft wird erst im Kontext der ungarischen Geschichte wirklich deutlich.

Die Geschichte Ungarns im 20. Jahrhundert ist leider auch eine Geschichte der Niederlagen in Kriegen. Unsere kollektive Erfahrung ist die von Kriegen, die regelmäßig in Bündnissystemen ausgetragen wurden, denen wir ursprünglich nicht angehören wollten und die mit einer Art Eroberungsabsicht oder zumindest mit einem explizit militaristischen Ziel gegründet wurden. Wie sehr wir uns auch bemühten, uns aus den beiden Weltkriegen herauszuhalten, und wie sehr wir auch versuchten, die Länder, mit denen wir in Bündnisse gezwungen wurden, zu warnen, jedes Mal kam es zu einer Niederlage, die Ungarn fast von der Erde ausgelöscht hätte.

Das Schlimmste ist zwar nicht eingetreten, aber unsere Verluste waren dennoch kolossal. Durch diese Kriege hat Ungarn die Kontrolle über seine Zukunft verloren. Nach 1945 wurden wir unfreiwillig Teil des Sowjetblocks und damit auch des Warschauer Paktes, des damaligen Militärbündnisses des Ostblocks. Die Ungarn wehrten sich mit allen Kräften. Wir haben alles getan, um den Warschauer Pakt zu Fall zu bringen. 1956 schlug unsere Revolution den ersten Nagel in den Sarg des Kommunismus, und als dieses System schließlich gestürzt wurde, war unser damaliger Ministerpräsident der erste Führer des ehemaligen Ostblocks, der (in Moskau!) erklärte, dass der Warschauer Pakt aufgelöst werden müsse. Der Rest ist Geschichte. Das Militärbündnis, das uns aufgezwungen worden war, zerbrach fast augenblicklich, und nur wenige Tage nach diesem berühmten Treffen in Moskau war der ungarische Außenminister in Brüssel, um über den Beginn unseres Beitrittsprozesses zur NATO zu verhandeln.

Als die ungarische Nation der NATO beitrat, war sie seit langer Zeit – vielleicht seit fünfhundert Jahren – nicht mehr freiwillig Mitglied eines Militärbündnisses gewesen. Die Bedeutung dieser Tatsache kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Abgesehen von unserem natürlichen Wunsch, uns von der sowjetischen Vorherrschaft zu befreien und uns dem Westen anzuschließen, gab es noch einen weiteren Faktor, der die NATO für uns attraktiv machte: Endlich traten wir einem Militärbündnis bei, das sich nicht der Kriegführung, sondern der Friedenssicherung, nicht der offensiven Expansion, sondern der Verteidigung unserer selbst und anderer verschrieben hatte. Aus ungarischer Sicht hätten wir uns nichts Besseres wünschen können.

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Oskar Lafontaine: Deutschlands demokratische Mitte ist rechtsextrem und militaristisch 

Zur demokratischen Mitte in Deutschland gehören nach Meinung der staatstragenden Medien sie selbst sowie CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP. Allerdings ist diese selbsternannte demokratische Mitte, in der die Grünen mit ihrem Menschenrechtsbellizismus und ihrer Befürwortung grenzenloser Migration lange den Ton angaben, in Wahrheit eher rechtsextrem. Der renommierte amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs sagte kürzlich: «Die Grünen in Deutschland sind die militaristischste Partei und daher die wirklichen Rechtsextremen.» Sachs hat dankenswerterweise in Erinnerung gerufen, dass Aufrüstung, Waffenlieferungen und die Befürwortung von Kriegen als Mittel der Politik den Markenkern rechter Parteien bilden. Da CDU/CSU, SPD und FDP ebenfalls Aufrüstung, Waffenlieferungen und Krieg als Mittel der Politik befürworten, gilt für sie das Urteil des Columbia-Professors ebenso.

Blackrock-Kapitalismus
Als mildernder Umstand kann gelten, dass man der demokratischen Mitte eine rechtsextreme Eigenschaft nicht vorwerfen kann: den übersteigerten Nationalismus. Sie vertritt in erster Linie die Interessen der USA und der Machthaber der Ukraine. Der Wunsch der USA, billiges russisches Gas durch teures amerikanisches Fracking-Gas zu ersetzen, wurde erfüllt. Wenn der «amerikanische Freund» zur Durchsetzung dieses Vorhabens die wichtigste Gasversorgungsleitung Deutschlands sprengt oder sprengen lässt, dann wollen die Parteien der demokratischen Mitte nichts gesehen, nichts gehört haben. Das erklärte Ziel vieler US-Strategen, im Interesse der Vormachtstellung Washingtons alles zu tun, um ein Zusammengehen Russlands und Deutschlands zu verhindern, wurde zementiert. 
Das 2-Prozent-Ziel der Nato zur Steigerung der Profite der amerikanischen Waffenindustrie wird jetzt mehr als erfüllt. Dass die Nato im Vergleich zu Russland das Dreizehnfache für die Rüstung ausgibt, stört die demokratische Mitte nicht. Während in Deutschland das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, versichern die neuen Rechtsextremen den Verehrern des Judenmörders Stepan Bandera, sie würden die Ukraine auch in Zukunft mit Waffen und Milliarden unterstützen, «egal, was meine deutschen Wähler denken», wie Aussenministerin Annalena Baerbock versicherte. Und wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Deutschen Bundestag verkündet, der Krieg solle noch endlos weitergehen, «die Zeit für Kompromisse ist vorbei», dann feiern ihn die Abgeordneten der demokratischen Mitte mit Standing Ovations.

Gemeinsam ist den Parteien der demokratischen Mitte das Bekenntnis zu einem entfesselten Blackrock-Kapitalismus, in dem die Marktmacht weniger Grossunternehmen den fairen Wettbewerb untergräbt und der zu wachsender Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen führt. In Deutschland ist das Vermögen der 200 reichsten Familien fünfzehn Mal so gross wie das Vermögen der unteren Hälfte der Bevölkerung. Da Geld die Welt regiert, ist diese Ordnung mit der Demokratie unvereinbar. Das erkannte schon der frühere US-Präsident Jimmy Carter, der die USA «eine Oligarchie mit unbegrenzter politischer Korruption» nannte. Die selbsternannte demokratische Mitte Deutschlands glaubt allerdings, dass es so etwas nur in Russland gibt.

Totalitäre Staaten sind immer rechts, auch wenn in ihnen rote Fahnen flattern.
Die faschistoide Cancel-Culture ist in der demokratischen Mitte Deutschlands weit verbreitet. Intoleranz gegenüber der Meinung Andersdenkender kennzeichnet totalitäre Systeme. Und totalitäre Staaten sind immer rechts, auch wenn in ihnen rote Fahnen flattern. Das Massnahmenpaket, das Innenministerin Nancy Faeser zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorlegte, atmet den Geist des Autoritarismus. Man muss den Eindruck gewinnen, dass Andersdenkende als Feinde betrachtet werden. Eine «Früherkennungseinheit» soll Desinformationskampagnen rasch erkennen. «Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen», sagt Faeser, und man muss Sorge haben, dass Kabarettisten demnächst verhaftet werden. Wieder wird der Ruf laut, staatliche Stellen vor der Unterwanderung durch Extremisten zu schützen. (...)

Wenn so gehandelt wird, ist auch die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. Als Wissenschaftler einen offenen Brief schrieben, um das Recht auf Protest an deutschen Hochschulen zu verteidigen, wollte das Wissenschaftsministerium den Professoren, die diesen Brief verfasst hatten, die Fördermittel streichen. Die Staatssekretärin musste gehen, und die Ministerin hat angeblich von nichts gewusst. (...)

Wenn man die ganze Entwicklung sieht, so muss angesichts der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland der bekannte Zweizeiler «Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche» umgeschrieben werden:

Die schärfsten Kritiker der Elche  
sind heute selber welche.

 


 

Tom-Oliver Regenauer:Die sechste Dimension

»Die Gedanken sind frei« – im Mediazän ist diese hehre Vorstellung leider ein Axiom. Propaganda und Narrative bestimmen unser Denken. Dabei sind solch externe Einflüsse längst nicht mehr die primäre Bedrohung für unseren Geist. Denn die vierte industrielle Revolution führt nun mit Neuro- und Nanotechnologie invasivere Werkzeuge ins Feld, um sich mittels kognitiver Kriegsführung unseres Denkens zu bemächtigen. Es ist die finale Schlacht um das Gehirn. Um die Spezies Mensch.

Den ersten Schuss des Tages feuern die meisten Vertreter unserer Spezies kurz nach dem Aufstehen ab. On. Mit dem gedankenlosen Druck auf einen Button ihres Smartphones. Sobald die Netzverbindung steht, befinden sie sich im Krieg. Ohne sich dessen gewahr zu sein. Kurioserweise ist der unbedarfte Dopamin-Junkie in diesem Moment sowohl Täter als auch Opfer. Denn besagter Schuss ist nicht gegen einen Eindringling oder Kombattanten auf dem Schlachtfeld gerichtet, sondern gegen das eigene Gehirn. Denn der omnipräsente Taschenspion ist mitnichten nur ein praktisches Werkzeug, sondern in erster Linie eine vom militärisch-industriellen Komplex entwickelte Waffe. Die »News«, die über sein Display auf uns einprügeln, sind ein soziales Konstrukt. Soziale Medien Beschäftigungstherapie. Ein Werkzeug der Verhaltensökonomie. Einer Isolationswirtschaft. Dominiert von transgenerationalen Konzern-, Finanz- und Agentur-Kartellen. Die belanglosen Nachrichten, Social Media-Feeds und Buzzword-Blasen der durchs Dorf getriebenen Schweine haben praktisch keine Relevanz für unser persönliches Leben – aber ungeheuren Einfluss auf unseren Alltag. Unser Zeitmanagement. Unser Denken. Auf unser gesamtes Verständnis von Realität.

Selbiges beruht auf der Verinnerlichung von Narrativen. Auf Geschichten. Aus diesem Grunde war das obere Ende der gesellschaftlichen Hackordnung seit jeher bemüht, missliebige Information zu ächten. Schon König Karl II. (1630 - 1685) war als Tyrann auf Englands Thron darauf bedacht »False News« zu unterbinden. Per royaler Deklaration verbot er den Kolonien jenseits des großen Teiches 1672, Kritik an seiner Majestät, dem Staat, der Regierung oder ihren Vertretern zu äußern. Zunächst galt das Dekret nur für den öffentlichen Raum. Dann auch im Privaten. Zuwiderhandlungen waren mit empfindlichen Strafen belegt. Zuerst wurden diese nur kritischen Rednern und Publizisten auferlegt. Dann auch den Zuhörern und Lesern – außer, diese meldeten derart obrigkeitskritische »Hassrede« binnen 24 Stunden.

Parallelen zu »Cancel Culture« und Debattenraumbeschneidung der Postmoderne sind kein Zufall. Denn Geschichte wiederholt sich. Und Tyrannei funktioniert schon immer nur durch Täuschung, Manipulation und Lüge. Zeitigen Mittel wie »Nudging« oder »Softpower« nicht mehr die gewünschten Effekte, kommt die Gewalt. Wird diese zu exzessiv eingesetzt, lässt sich das herrschende System jedoch nur noch schwerlich als Pluralismus oder Demokratie vermarkten. Diese rote Linie wird das aktuelle System daher nur überschreiten, wenn es seine Existenz einer profunden Bedrohung ausgesetzt sieht.

So verwundert es kaum, dass es im Mediazän nicht mehr nur der lange Arm des kapriziösen Gesetzes ist, der die Bevölkerung im Schwitzkasten hält, sondern primär die Aufmerksamkeitsagitation der Herrschaftskaste. Multimedial serviert. Ohne Sendeschluss. Im Austausch gegen unser Geld, unsere Daten – unser Leben. Infolgedessen verschwenden wir weite Teile von dem, was wir abseits von Broterwerb und Schlaf als Freizeit definieren, unsere Energie, Gedanken und Kreativität, auf Denk- und Handlungsschablonen von der Stange. Wie Klone. Mit leicht divergierenden Interessen und Outfits. Und auch das ist kein Zufall, wie schon der Begründer der modernen Propaganda vor knapp 100 Jahren auf Seite eins seines Standardwerkes festhielt:

»Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Geist manipuliert, unser Geschmack geformt, unsere Ideen vorgeschlagen, größtenteils von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist eine logische Folge der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist.« (Bernays, Propaganda, 1928)

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Fassadenkratzer: 
„Nicht wir haben den Krieg begonnen.“ – Putin über die Bundesregierung

Herbert Ludwig / Thomas Röper

Der russische Präsident Putin hatte sich vor wenigen Wochen drei Stunden lang den Fragen von 15 Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen gestellt, darunter auch der deutschen dpa und führenden Agenturen aus Großbritannien, Frankreich und den USA. Dabei brachte der Chef der deutschen dpa eine Frage zur Politik der Bundesregierung vor, auf die Putin sehr ausführlich geantwortet hat. Wir bringen diese außerordentlich wichtige Antwort im vollen Wortlaut in der Übersetzung von Thomas Röper (Anti-Spiegel) 1, da sie in den westlichen Mainstream-Medien nicht erscheint.

Diese Veranstaltung ist schon deshalb bemerkenswert, wie Th. Röper bemerkt, weil es undenkbar sei, dass sich Biden (oder Scholz, Macron, etc.) drei Stunden den Fragen internationaler Nachrichtenagenturen, darunter russischen, chinesischen, syrischen, iranischen usw. stellen würden. Diese Ausführungen Putins können nicht einfach als Russische Propaganda abgetan werden. Ihre Richtigkeit kann detailliert überprüft werden. Ich habe dazu an einigen Stellen Anmerkungen eingefügt. (hl)

Beginn der Übersetzung:

Moderator: Nun hat ein Land das Wort, dem gegenüber Sie, Wladimir Wladimirowitsch, wahrscheinlich nie eine gleichgültige Haltung einnehmen werden – Deutschland. Wir haben den Leiter der Deutschen Presse-Agentur, Martin Romanczyk, bei uns. Martin Romanczyk kennt unser Land übrigens aus erster Hand, denn er hat in den 90er Jahren als DPA-Korrespondent in Moskau gearbeitet. Bitte, Herr Romanczyk, Ihre Frage.

Romanczyk: Guten Abend, Herr Präsident! Guten Abend, alle zusammen! 

Bundeskanzler Scholz hat sich bereit erklärt, Waffen an die Ukraine zu liefern. Sagen Sie mir bitte, wenn Scholz seine Meinung ändert, wie würden Sie das bewerten? Und was denken Sie, was auf Deutschland zukommt? Haben Sie den Herrn Bundeskanzler irgendwie gewarnt, ermahnt oder ihm gedroht, als er die Entscheidung traf, Waffen an die Ukraine zu liefern? 

Putin: Wie kommen Sie darauf, dass wir jemandem drohen? Wir drohen niemandem, schon gar nicht dem Oberhaupt eines anderen Staates. Das ist kein guter Ton. Wir haben in bestimmten Fragen unsere eigene Position. Wir kennen die Position der europäischen Staaten, auch die Position der Bundesrepublik, zu den Ereignissen in der Ukraine.

Alle meinen, dass Russland den Krieg in der Ukraine begonnen hat. Aber niemand, ich möchte das betonen, niemand im Westen, niemand in Europa will sich daran erinnern, wie diese Tragödie begann. Sie begann mit dem Staatsstreich in der Ukraine, dem verfassungswidrigen Staatsstreich. Das war der Beginn des Krieges. (2)

Aber trägt Russland die Schuld an diesem Staatsstreich? Haben diejenigen, die heute versuchen, Russland die Schuld in die Schuhe zu schieben, vergessen, dass die Außenminister Polens, Deutschlands und Frankreichs nach Kiew gekommen sind und das Dokument über die Beilegung der innenpolitischen Krise unterzeichnet haben, um zu garantieren, dass die Krise zu einem friedlichen und verfassungsmäßigen Ende gebracht werden soll?

Daran will man sich in Europa, auch in Deutschland, lieber nicht erinnern. Und wenn sie es doch tun, stellt sich die Frage: Warum haben die Führung der Bundesrepublik sowie die anderen Unterzeichner dieses Dokuments nicht gefordert, dass die Putschisten in der Ukraine in den verfassungsmäßigen Rechtsrahmen zurückkehren? Warum haben sie ihre Verpflichtungen als Garanten für die Vereinbarungen zwischen der Opposition und der damaligen Regierung nicht erfüllt? Sie tragen die Schuld an dem, was geschehen ist, zusammen mit den Kräften in den USA, die die verfassungswidrige Machtergreifung provoziert haben. (3)

Ist es etwa nicht bekannt, was dann folgte? Was folgte, war die Entscheidung der Bewohner der Krim, sich von der Ukraine abzuspalten. Was folgte, war die Entscheidung der Bewohner des Donbass, denen, die den Staatsstreich in Kiew durchgeführt haben, nicht zu gehorchen. Das war der Beginn dieses Konflikts.

Und dann bemühte sich Russland nach Kräften, eine Formel für eine friedliche Beilegung zu finden, und 2015 wurden in Minsk das sogenannte Minsker Abkommen unterzeichnet, das übrigens durch einen Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen konstituiert wurde. Das ist ein Dokument, das hätte umgesetzt werden müssen.

Nein, sie beschlossen, das Problem mit Waffen zu lösen. Sie begannen, Artillerie, Panzer und Flugzeuge gegen die Zivilbevölkerung im Südosten der Ukraine einzusetzen. Aus irgendeinem Grund will sich weder in Deutschland noch in den anderen europäischen Ländern oder in den USA – niemand, ich wiederhole, niemand – will sich daran erinnern. Nun gut.

Wir haben die Unterzeichnung des Minsker Abkommens ermöglicht, aber wie sich herausstellte, wollte niemand es umsetzen. Sowohl die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin als auch der ehemalige französische Präsident haben das öffentlich erklärt. (4)

Verehrter Herr Romanczyk, wie soll man das verstehen? Die haben öffentlich gesagt, dass sie das Minsker Abkommen nicht umsetzen wollten, sondern dass sie nur unterschrieben haben, um die Ukraine zu bewaffnen und Bedingungen für die Fortsetzung der Feindseligkeiten zu schaffen. Wir wurden einfach an der Nase herumgeführt. Ist das nicht so? Wie sonst kann man erklären, was passiert ist?

Seit acht Jahren versuchen wir, eine friedliche Lösung für dieses Problem zu finden. Acht Jahre!
Die ehemalige Bundeskanzlerin hat einmal zu mir gesagt: „Weißt du, im Kosovo, ja, da haben wir damals, da hat die NATO ohne Sicherheitsratsbeschluss gehandelt. Aber dort, im Kosovo, gab es acht Jahre Blutvergießen.“

Und hier, als das Blut russischer Menschen im Donbass vergossen wurde, war das etwa kein Blut, sondern Wasser? Keiner wollte darüber nachdenken oder es zur Kenntnis nehmen.

Wozu waren wir schließlich gezwungen, als die damalige ukrainische Regierung erklärte, dass ihr keine der Klauseln des Minsker Abkommens gefiel, und als der Außenminister sagte, dass sie sie nicht erfüllen würden?

Ist Ihnen klar, dass in diesen Gebieten sowohl der wirtschaftliche als auch der soziale Niedergang begann? Acht Jahre lang. Ich spreche noch nicht einmal von den Morden, dem ständigen Töten von Menschen: Frauen, Kindern und so weiter.

Wozu waren wir gezwungen? Wir mussten ihre Unabhängigkeit anerkennen. Wir haben ihre Unabhängigkeit fast acht Jahre lang nicht anerkannt. Wir haben gewartet, bis wir uns friedlich einigen und diese Frage lösen konnten. Acht Jahre! Was mussten wir tun, als bekannt wurde, dass niemand irgendein Friedensabkommen umsetzen würde? Wir mussten versuchen, sie mit bewaffneten Mitteln dazu zu zwingen.

Nicht wir haben diesen Krieg begonnen. Der Krieg begann 2014 nach dem Staatsstreich und dem Versuch, diejenigen, die mit dem Staatsstreich nicht einverstanden sind, mit Waffengewalt zu vernichten.

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Elisabeth Voß: Corona-Debatte im Lichte der 68er-Bewegung: Profit statt freier Wissenschaft?

„Follow the Science“ – während der Corona-Pandemie mutierte dieser Spruch zum Schlachtruf. Er suggerierte, dass „die Wissenschaft“ im Besitz „der Wahrheit“ sei, der man eben folgen müsse. Ein Blick in die Geschichte könnte helfen, sich zu vergegenwärtigen, dass „die Wissenschaft“ nicht immer und nicht zwangsläufig „der Wahrheit“ verpflichtet ist. Erst recht nicht die medizinische Wissenschaft.

So entwickelte sich beispielsweise während der Protestbewegung 1968 im Westen eine alternative Gesundheitsbewegung. Als Gegenveranstaltung zum Ärztetag der Bundesärztekammer fand im Mai 1980 in Berlin der erste alternative Gesundheitstag mit mehr als 10.000 Teilnehmenden statt. Hauptthema waren die NS-Verstrickungen von Ärztinnen und Ärzten – von Menschenversuchen bis hin zur Beteiligung an der effizienten Vernichtung. Während die Standesorganisationen beschwichtigten, wiesen Engagierte aus der Bewegung nach, dass die Täter auch nach 1945 weiterhin ungebrochen Karriere im Medizinbereich machen konnten.

Aber es ging nicht nur um die NS-Vergangenheit. Es wurde auch das gesamte Gesundheitssystem kritisiert: die Profitinteressen der Pharmaindustrie und die Apparatemedizin mit einem zunehmend technischen Verständnis, das den ganzen Menschen kaum noch wahrnehmen könne, sowie die Macht der „Halbgötter in Weiß“.

Bereits damals, vor 44 Jahren, wurde auf dem Gesundheitstag auf die Gefahren hingewiesen, wenn die Gesellschaft „die lebenswichtigen Entscheidungen kleinsten Gruppen von ‚Experten‘ überlässt, deren Funktionieren darauf fußt, dass das Gesamte für den Einzelnen nicht mehr überschaubar ist, damit der Wahnsinn einer auf Umweltvernichtung und Krieg ausgerichteten Politik nicht deutlich wird“.

In dieser Gesundheitsbewegung spielte die Frage nach den ökonomischen Interessen eine zentrale Rolle, die häufig doch sehr stark beeinflussen, was als „wahr“ und „wissenschaftlich“ gilt und was nicht.

Leider hatte diese Bewegung damit keinen nachhaltigen Erfolg. Die Hochschulen wurden inzwischen zu Wirtschaftsunternehmen transformiert. Selbst der Bund Freiheit der Wissenschaft – 1970 als Reaktion auf die vermeintliche Bedrohung der Wissenschaft durch revoltierende Studierende gegründet – konstatierte anlässlich seiner Auflösung 2015, dass die Freiheit der Wissenschaft heute durch Drittmittel-Einwerbung gefährdet sei. Wissenschaft werde „durch die Wünsche des Auftraggebers beeinflusst“, und diese „Unterwanderung“ habe verheerende Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Der eher linke Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) fragte schon 2011, wie viel „Freiheit in den durchökonomisierten Hochschulen von heute noch übrig“ bleibe und forderte, die Freiheit von Forschung und Lehre müsse „gegen den Versuch einer kompletten Unterwerfung unter die Interessen von Privatwirtschaft und Banken“ verteidigt werden.

Zu einer Corona-Aufarbeitung könnte also auch ein Blick in die Geschichte gehören und eine Revitalisierung vergessener, verdrängter oder zu Unrecht geschmähter Ideen und Konzepte.

Berliner Zeitung: Elisabeth Voß, Dipl. Betriebswirtin (FH), arbeitet publizistisch und beratend u.a. zu solidarischem Wirtschaften, Genossenschaften, Selbstorganisation und Digitalisierung.
Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

 


 

 

 





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