Gegendarstellung
Auf der Seite „abruesten.jetzt“ haben die Initiatoren Peter Brandt, Rainer Braun und Michael Müller folgenden Anzeigentext veröffentlicht: Zum 8. Mai – Tag der Befreiung: Nein zur Sprache der Gewalt, ja zu einer Kultur des Friedens. Diesen Anzeigentext finden wir vom Stammtisch-Aufstehen „nicht genügend“. Dr. Detlef Belau hat das für uns ausführlich begründet.
Dr. Detlef Belau: Gegendarstellung Zum Tag der Befreiung am 8. Mai
Am 8. Mai 1945 trat die Kapitulation der Wehrmacht in Kraft. Zum Gedenken an
diesen Tag ist im Lauf der Jahrzehnte viel geschrieben und diskutiert worden.
Was wir erinnern, ob als Nation, Staat oder Mensch, sagt viel darüber aus /Wer
man ist/, /Wohin mal will/ und /Was für einen Charakter/ man hat. Erwartungsvoll
liest der politisch interessierte Bürger den Aufruf „Zum Tag der Befreiung am 8.
Mai“, erschienen am 14. April 2020 auf der Website https://abruesten.jetzt
<https://abruesten.jetzt/>, unter anderem auf der „Sonnenseite“ von Franz Alt
oder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dupliziert.
In den ersten zwölf Zeilen des Textes ist dreimal von „Bedrohung“ die Rede. An
dessen Ende kollidiert „die schnell zusammengewachsene Welt“ mit der zunehmenden
„Gefahr militärischer Konflikte". Beklagt wird der Rüstungswettlauf. Das Militär löst keines unserer Probleme, heißt es. Autoren und Unterstützer streben nach der
„Zivilisierung von Konflikten“, ohne sich erkennbar auf das Völkerrecht zu stützen oder es anzumahnen. Mit letzter Kraft stößt
die bundesdeutsche Intelligenz-, Kultur- und Politikelite das Overton-Fenster ein kleines Stück auf und formuliert als Pendant zur „Sprache der Macht“ der Münchner
Sicherheitskonferenz ihr NEIN ZUR SPRACHE DER GEWALT und JA ZU EINER KULTUR DES FRIEDENS. Doch nirgends ein Angebot zur Freundschaft mit Russland. Nicht einmal
zum 75. Jahrestag des Sieges reicht bei den Linienrichtern des politischen Diskurses die moralische Kraft für ein paar Worte der Ehrung und Würdigung der Alliierten. Es ist nicht nur empörend, sondern fällt schwer, sagt Hannah Arendt, “nicht zu meinen, dass Verlogenheit und Lebenslüge zum integrierenden Bestandteil des deutschen Nationalcharakters gehören.“
Die westlichen Medien behandeln, wie Hannes Hofbauer (2016) beobachtete,
Russland ablehnend, lächerlich machend, eigeninteressen-gesteuert und
desintegrativ. Wer heute in Deutschland im Umgang mit Russland mehr Objektivität
fordert, erhält das Etikett „Putin-Versteher“ oder „Putins-Querflöte“.
Journalisten wie Gabriele Krone-Schmalz, Norbert Haering, KenFM/Ken Jebsen oder
die NachDenkSeiten von Albrecht Müller rennen dagegen an. Derweil tappst der
raubgierige Russische Bär weiter durch die deutschen Medien. Am 4. April 2019
lässt Moderator Klaus Kleber im /heute journal/ des Zweiten Deutschen Fernsehens
sozusagen probeweise die amerikanischen, deutschen und anderen europäischen
Verbündeten in Richtung Estland marschieren, „um die russischen Verbände
zurückzuschlagen“. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron geht im
November 2019 mit der Zeitschrift „The Economist“ einen anderen Weg, indem er
eine neue Sichtweise auf Russland einfordert. Allein der „Aufruf“ vom 14. April
2020 leistet zum Abbau des Feinbildes gegenüber Russland keinen Beitrag.
Die Matrix der deutschen Außenpolitik mit Sandwich-Angst (Klaus Mangold, Günther Oettinger), EU-Flugzeugträgern, der Eindämmung Chinas (Annegret Kramp-Karrenbauer) und wachsendem Rüstungsetat lässt nichts Gutes erwarten. Egal was in Europa passiert, durch die Installation des Kontroll- und
Führungszentrums zur Raketenabwehr in Ramstein seit 2012 wird Deutschland im Ernstfall zum Schlachtfeld. „Nato-Schutzschild“ nennen wir das.
Deutschland verdankt Russland, blickt man auf das Jahr 1866 oder 1870 zurück, so
Einiges. Und für die deutsche Einheit 1990 brauchten Politiker die Zustimmung
der Sowjetunion. Als Gegenleistung bekamen die Russen dafür die
Nato-Osterweiterung. Und die ganze Debatte dazu, ohne die Sicherheitsinteressen
Russlands kalkuliert, offenbart die löchrige Anständigkeit der deutschen
Politik. "Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des
Nato-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion
heran, wird es nicht geben“. War es vielleicht Außenminister Genscher, der am
31. Januar 1990 in Tutzing so sprach? Heute steht die Bundeswehr 100 Kilometer
entfernt vor der Russischen Grenze. Nicht in Sachen Nato-Osterweiterung, nur zur
„Bündnisverteidigung an der Ostflanke“, also, wie die Bundeswehr sagt, wegen der
Rolle Russlands auf der Krim und in der Ukraine. In keiner Weise hilft der
„Aufruf“ vom 14. April das Feindbild gegenüber Russland abzubauen und beschert
uns so die unheimliche Begegnung mit jenem „Nationalismus“, wie Gustav Wyneken
1913 in Verantwortung für die Jugend sagt, “der die Frage nach der Wahrheit, der
Gerechtigkeit und dem Guten überall da glaubt ausschalten zu dürfen, wo das
Interesse des eigenen Volkes“ in Frage kommt.
Der Überfall auf die Sowjetunion durch Deutschland 1941 zielte auf die
Vernichtung und Versklavung ihrer Völker. Im Aufruf zum 8. Mai versumpft diese
Wahrheit im Relativismus der Postmodernen. Das Empörungsmanagement der
Political-Correctnes-Brigade reicht gerade mal für ein „Ja zu einer Kultur des
Friedens“, aber ohne jede Empathie für die 27 Millionen Opfer der Sowjetunion.
Und dies zeigt einmal mehr was die Deutschen nicht verstehen sollen: Für
pодина-мать (Mutter-Heimat) widerstanden sie mit unsäglichen Kämpfen, Opfern und
Leiden den faschistischen Eroberern. Natürlich ist das schwer zu erfühlen, wenn der Blick durch Propaganda verzerrt wird. Russlandfeinde,
zum Beispiel Marieluise Beck und Rebecca Harms, sollten den Patriotismus wenigstens einrechnen.
Die Schmähungen Russlands offenbaren einen Geisteszustand Deutschlands, der dem nach dem Ersten Weltkrieg ähnelt, als die deutsche Öffentlichkeit mit dem Versailler Vertrag moralisch nicht umgehen konnte und unwillig war, die Kriegsschuld anzunehmen. Nur wenige, wie Theodor Lessing, Wilhelm Dittmann oder Hermann Kantorowicz bemühten sich um die Demobilisierung des Feindbildes, das Deutschland in den Krieg begleitete. Ihre Nachfolger sind gewiss nicht als Unterzeichner „Zum Tag der Befreiung am 8. Mai“ zu finden.
Dr. Detlef Belau
Fichtenstrasse 3
72116 Mössingen