Lesefrüchte
August 2024
Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.
Lesefrüchte im vergangenen Monat
Wolfgang Wodarg:
„Die das stört, müssen demaskiert werden“
Alexander Wendt: Die Affäre Correctiv – Anatomie einer politisch-medialen Operation
Wolfgang Kubicki: Zur Auswertung der RKI-Files
Jens Berger: Nauru – vom Paradies zur
Kraterlandschaft
Thomas Röper: Schon jetzt die schrecklichste Olympiade der Geschichte
„Die das stört, müssen demaskiert werden“
Wolfgang Wodarg im Gespräch mit Paul Schreyer (Multipolar)
Ein Auszug daraus über Aspekte der Aufarbeitung
(...)
Multipolar: Ein Untersuchungsausschuss ist ja aber ein anderes Instrument als eine Enquete-Kommission. Der wird direkt von der Opposition beauftragt. Wo sollte ein solcher Ausschuss aus Ihrer Sicht seinen Schwerpunkt setzen?
Wodarg: Ich denke, der sollte sich die Arbeit der Regierungsämter angucken. Die Regierung hat sich ja immer auf ihre Ämter berufen, das Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und sie berufen sich jetzt auf das Friedrich-Löffler-Institut, wenn es um die Vogelgrippe geht. Sie haben immer ihre Ämter und die sind weisungsabhängig, das heißt, es gibt da nicht nur eine Rechtsaufsicht, sondern es gibt eine Fachaufsicht, und das ist mir sehr wichtig, das auseinanderzuhalten. Als Amtsarzt war der Bürgermeister mein Vorgesetzter, der hatte eine Rechtsaufsicht über meine Arbeit. Wenn ich also etwas Ungesetzliches machen würde, könnte er sagen: „Nein, das darfst du nicht.“ Aber er hatte keine Fachaufsicht. Und da hat es Konflikte gegeben. Ich sollte Dinge sagen, die hat er sich gewünscht, die ich aber nicht gesagt habe. Da konnte er nichts machen. Ich konnte bei meiner Meinung bleiben, auch öffentlich. Und er musste sich dann damit auseinandersetzen und musste politisch begründen, weshalb er dem nicht nachkam. Aber bei der Zerschlagung des Bundesgesundheitsamtes, das hat Seehofer damals gemacht, ist eine Fachaufsicht ins Gesetz geschrieben worden. Das heißt, die Bundesregierung, der Gesundheitsminister hat fachliches Weisungsrecht über diese Ämter. Über das BfArM, das Arzneimitteln die Zulassung erteilt, über das Paul-Ehrlich-Institut, über all diese Institute.
Multipolar: Auch über das RKI.
Wodarg: Ja, natürlich. Das RKI kann nicht fachlich etwas sagen, wenn der vorgesetzte Minister das nicht will. Und genau das haben wir erlebt und das ist sehr deutlich geworden aus den Protokollen – das ist ja Ihr Verdienst, dass wir da jetzt mehr wissen. Vielen, vielen Dank dafür. Inhaltlich haben die Protokolle für mich nicht viel Neues gebracht. Ich habe diesen Widerspruch zwischen der wissenschaftlichen Arbeit an den Instituten und den Verlautbarungen der vorgesetzten Gesundheitsbehörde, also des Ministeriums, immer wahrgenommen und auch angekreidet. Ein Beispiel: Das Paul-Ehrlich-Institut hat im Februar 2021 …
Multipolar: … also unmittelbar nach Start der massenhaften mRNA-Injektionen ...
Wodarg: … da hat es eine eigene wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht, wo gewarnt wurde, wie gefährlich die Spikes sind! Und wie toxisch die sind. Und zur gleichen Zeit ließen sie zu, dass die Menschen so verändert wurden, dass sie selbst in ihren Zellen Spikes bilden.
Multipolar: Durch die sogenannte „Impfung“.
Wodarg: Ich habe mich damals sofort ans Paul-Ehrlich-Institut gewandt: „Sagt mal, seid ihr schizophren?“ So habe ich es nicht ausgedrückt, aber sehr höflich habe ich gesagt, da passt doch das Eine nicht zum Anderen. Geantwortet hat mir nur die Pressestelle: „Ja, ja, das macht nichts, der Stoff bleibt ja nur in dem Muskel, wo er hineingespritzt wird.“ Das war die offizielle Begründung. Und das war gelogen. Das wissen dort alle. Sie haben, obwohl sie es besser wussten, obwohl sie selbst die Ergebnisse hatten, dass die Menschen dadurch schwer geschädigt werden, durch Thrombosen, Synzytien-Bildung, dass es Gefäßschäden gibt, all das haben sie wissenschaftlich festgestellt und veröffentlicht. Und dann haben sie anschließend Millionen Menschen dem ausgesetzt. Das ist für mich unfassbar.
Multipolar: Und begründet mit einer Lüge, wie Sie gerade aufführten. Das ist ein Fall für Staatsanwälte.
Wodarg: Diese Widersprüche zwischen dem, was die Behörde einerseits wissenschaftlich macht, und andererseits nach außen hin verkünden muss, sind für mich nichts Neues gewesen. Was jetzt neu ist durch die Protokolle, ist die Situation für die Gerichte. Die ist völlig neu. Denn die Gerichte haben sich immer bezogen auf die wissenschaftlichen Aussagen des RKI. Bei ihren Urteilen gegen Ärzte und gegen alle möglichen Leute, die dort nicht mitgemacht haben, die sich gesträubt haben, die ihre Patienten geschützt haben vor diesen Lügen, da haben die Gerichte gesagt: „Nein, das ist die wissenschaftliche Aussage des RKI und das ist unser Maßstab.“ Es ist jetzt offenkundig: Das waren aber gar keine wissenschaftliche Aussagen. Gerichte haben sich gar nicht um wissenschaftliche Aussagen bemüht. Ich hatte mich darum gekümmert. Viele Gerichte haben keine Beweisaufnahme für nötig gehalten. Die haben einfach nur nachgebetet, was die Regierung meinte und die Spitze des RKI verlautbart hatte, die ja praktisch das Sprachrohr der Regierung ist und die nicht das wiedergeben muss, was die Wissenschaftler im RKI erarbeitet hatten. Das stand offenbar in starkem Widerspruch.
Multipolar: Das haben die Protokolle gezeigt, diesen Widerspruch zwischen der Fachebene im RKI und der Führungsebene um Wieler und Schaade.
Wodarg: Genau. Und wenn die Führungsebene nicht das sagt, was der Minister will, dann wird sie ausgewechselt. Aber man kann nicht ein ganzes Institut auswechseln und die Wissenschaftler, die Jahrzehnte ihre Arbeit sauber gemacht haben. Das geht schwer. Ich bin gespannt, wie die Gerichte und die Anwälte der Betroffenen damit jetzt umgehen. Denn diese Urteile wurden aufgrund von grobem Fehlverhalten und grober Nachlässigkeit gefällt, Fahrlässigkeit der Gerichte, die sich nicht um eine Beweisaufnahme gekümmert haben, obwohl viele Fachleute wie ich immer diesen Widerspruch veröffentlicht haben, obwohl er bekannt war. Gerichte haben sich nicht darum gekümmert, obwohl die Anwälte der Betroffenen häufig darauf hingewiesen haben, dass es nicht stimmt, was das RKI gesagt hat. Die Gerichte meinten dann: „Nein, das ist wissenschaftlich.“ Und durch die Protokolle kommt jetzt heraus: Das war nicht wissenschaftlich, das waren politische Aussagen. Ein Arzt darf sich aber nicht durch die Politik vorschreiben lassen, was er zu tun hat! Das ist verboten für einen Arzt. Ausdrücklich im Hippokratischen Eid, überall in allen Regeln. Das sind die Erfahrungen aus der Nazi-Zeit, die da eingearbeitet worden sind: dass Ärzte nicht durch politische Anordnungen ihre Patienten anders behandeln. Sie müssen sich am Wohl der Patienten orientieren und an der wissenschaftlichen Evidenz ausrichten, wenn sie etwas Gutes für ihre Patienten tun wollen. Und das sollen sie, sie dürfen den Patienten nicht schaden.
Das sind schwere Fehler, wo sich jetzt auch die Gerichte verantworten müssten meiner Meinung nach. Und das Zweite ist, dass man natürlich auch von der Ärzteschaft verlangen muss, nicht einfach das nachzuplappern, was sie in der Tagesschau hören und was der Chef des RKI sagt, sondern dass auch sie sich um die wissenschaftliche Evidenz kümmern müssen, wenn sie Patienten etwas zumuten. Und sie haben den Patienten viel zugemutet. Auch da gibt es viel aufzuarbeiten. Darum ist für mich die Aufarbeitung kein Prozess, der ersatzweise in irgendeiner Institution, irgendwo in einem Raum in Berlin tagt. Aufarbeitung ist für mich ein Prozess, der in der gesamten Bevölkerung, in jeder Stadt, wo Ärzte arbeiten, in jedem Bereich stattfinden muss. Wo die Menschen, die von ihren Ärzten fehlbehandelt worden sind, die Möglichkeit haben, mit ihnen das wieder aufzuräumen und zu sagen: „Was machen wir jetzt? Da sind Fehler passiert. Wie gehen wir damit um in Zukunft, wie willst du dafür sorgen, dass so etwas nicht nochmal passiert, Herr Doktor?“
(...)
Alexander Wendt: Die Affäre Correctiv – Anatomie einer politisch-medialen Operation
Der folgende Textauszug besteht aus dem Schluss des Dossiers
Die Bilanz der Correctiv-Affäre zerfällt in einen politischen und einen faktisch-juristischen Teil. Politisch konnten Medien wie Spiegel, Stern, ARD, ZDF und etliche andere im Zusammenwirken mit Vertretern vor allem von SPD und Grünen den Eindruck in einem Teil der Öffentlichkeit verankern, in Potsdam habe ein Treffen stattgefunden, auf dem die AfD umfangreiche verfassungswidrige Massenvertreibungspläne geschmiedet hätte.
Für Wahlen und Umfragen ergab sich aus der monatelangen Ausrichtung der Politik auf den ‚Kampf gegen Rechts‘ allerdings nicht der erhoffte Zustimmungsgewinn für SPD und Grüne: Beide schnitten bei der Europawahl historisch schlecht ab; in den Umfragen zur Bundestagswahl erreichte die Koalition im August ihren bisherigen Tiefpunkt; laut Umfragen müssen Grüne und SPD bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen um den Parlamentseinzug zittern. Hypothetisch lässt sich fragen, ob die Lage der Parteien ohne die Kampagne möglicherweise noch schlechter wäre.
Es hagelt Urteile, Auszeichnungen – und frisches Staatsgeld
Juristisch blieb von dem Correctiv-Konstrukt nichts übrig. Schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt ließ Correctiv vor dem Landgericht Hamburg in einem von Ulrich Vosgerau angestrengten Verfahren erklären, bei den Kernaussagen des Textes handle es sich nicht um Tatsachen, sondern Meinungen und Schlussfolgerungen. In einem weiteren Verfahren setzte Vosgerau durch, dass Correctiv-Gründer Schraven seine in einem FAZ-Interview aufgestellte Behauptungen nicht wiederholen darf, bei den zentralen Aussagen des Correctiv-Textes handle es sich um „prozessuale Wahrheit“. Der Beschluss ist rechtskräftig. Nach einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts dürfen NDR beziehungsweise Tagesschau die von Correctiv übernommene Behauptung nicht wiederholen, in Potsdam sei die Vertreibung von deutschen Staatsbürgern geplant worden. Anders als die Correctiv-Schreiber, die das nur als wertende Passage in ihren Text einstreuten, hatte die ARD-Hauptnachrichtensendung diese Behauptung einem Millionenpublikum als Tatsache präsentiert.
Auch die Bestrafungsaktionen gegen Beteiligte des Treffens scheiterten fast ausnahmslos. Einer Gruppe linker Studenten gelang es nicht, den Staatsrechtler Ulrich Vosgerau von seiner Position als Privatdozent an der Universität Köln zu vertreiben. Vosgeraus CDU-Verband Berlin-Pankow leitete kein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein. Die Stadt Köln kündigte der langjährigen Stadtangestellten Simone Baum wegen ihrer Teilnahme an dem Treffen, das Arbeitsgericht Köln verwarf diese Kündigung als rechtswidrig (Aktenzeichen 17 Ca 543/24). In dem Urteil, das Tichys Einblick vorliegt, hieß es, selbst wenn sich das Treffen in Potsdam so zugetragen hätte wie von Correctiv beschrieben, bestünde kein Kündigungsgrund. In der vergangenen Woche entschied die Stadtverwaltung Köln, das Urteil zu akzeptieren. Baum darf an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, und erhält eine Gehaltsnachzahlung.
Lediglich gegen den Betreiber des „Landhaus Adlon“ Wilhelm Wilderink – weder Organisator des Treffens noch Referent – beantragte der Kreisverband Potsdam ein Parteiausschlussverfahren, das nun auf Landesebene weitergeführt werden soll. Sowohl CDU-Landeschef Jan Redmann als auch Potsdams Kreischef Steeven Bretz äußerten sich öffentlich zu dem Verfahren, Redmann nannte es „richtig und wichtig“. Auf die Anfrage von Tichys Einblick, worin Bretz genau ein parteischädigendes Verhalten von Wilderink sehe, antwortete der Verband, dazu nehme er keine Stellung, da Parteiausschlussverfahren nicht öffentlich stattfänden. Der Adlon-Eigner, selbst Mitglied des Kreisvorstands Potsdam, sieht keinen Grund, warum er die Partei verlassen sollte. Er stellte einen Antrag auf Rehabilitierung, den die CDU-Satzung bei unrechtmäßiger Beschuldigung eines Mitglieds vorsieht.
Wenn es für jemanden einen klaren Erfolg gab, dann für Correctiv selbst. Die Plattform erhielt für ihre Potsdam-Geschichte den Preis der SPD-nahen Carlo-Schmid-Stiftung, den Preis der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig – Verwaltungsratsvorsitzender: Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, SPD – und den Preis des Vereins „Netzwerk Recherche“. Dieser Auszeichnung haftet ein besonderer Odeur an: Der 1. Vorsitzende des „Netzwerk Recherche“ Daniel Drepper gehörte 2014 zu den Mitgründern von Correctiv, heute leitet er den Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.
Dieser Medienverbund begleitete seinerseits die Correctiv-Kampagne sehr wohlwollend. Mit Correctiv teilt sich der Verein öffentliche Geldgeber, etwa die Bundeszentrale für politische Bildung. Im Kuratorium von Correctiv sitzt der langjährige Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion Lukas Beckmann, der immer noch an der Spitze der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg steht. Die bundesweit agierende Heinrich-Böll-Stiftung wiederum gehört zu den Spendern des „Netzwerk Recherche“ (wenn auch nur zu den kleineren). Die Auszeichnung besitzt besonderen Wert für Correctiv, denn sie unterstützt das Narrativ, bei dem gesamten Vorgang handle es sich um eine journalistische Rechercheleistung.
Außerdem kann die mittlerweile deutschlandweit bekannte Organisation Correctiv in diesem Jahr mit einer Zahlung aus der Regierungskasse wirtschaften: nämlich einer Zuwendung aus dem Wissenschaftsministerium im Rahmen des Projektes noFake, das noch bis November dieses Jahres läuft. Darin sollen Correctiv, die Technische Universität Dortmund und die Technische Universität Berlin an einem KI-gestützten System zum Aufspüren von „Fake News“ arbeiten, wobei Correctiv offenbar mitbestimmt, was als Fake News zu gelten hat. Gesamtetat: 1,31 Millionen Euro. Im Jahr 2023 erhielt Correctiv aus diesem ministeriellen Topf schon eine Tranche von 163.619,43 Euro.
In der Projektbeschreibung des Ministeriums heißt es: „Die Verbreitung von Desinformation über das Internet
Ein Politiker, der die RKI-Protokolle ernst genommen und eine eigene Auswertung veröffentlicht hat. Sie ist lang, aber als ganzer Text unbedingt lesenwert. Hier zitieren wir nur einige interessante Auszüge als Anregung sich den ganzen Artikel herunterzuladen.
Wolfgang Kubicki: Zur Auswertung der RKI-Files
„Und wo ist jetzt der Skandal?“ hieß es in der „Süddeutschen“ kurz nach der Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Files, die dank eines Whistleblowers und einer unabhängigen Journalistin die Öffentlichkeit erreichten. Dass die Wissenschaftsjournalistin des Jahres 2021, Christina Berndt, im Lichte der eigenen unkritischen Regierungsbegleitung zur Corona-Zeit zu einem solchen Schluss gekommen ist, hat mich wenig überrascht. Ebenso wenig, dass sich öffentlich-rechtliche „Faktenchecker“ und der „Spiegel“ mehr oder minder ähnlich verhielten. Manch einer mag es für seriös halten, die tausenden von Seiten nach einer kurzen Draufsicht abschließend für völlig unkritisch zu befinden. Ich habe es mir nicht so leicht gemacht wie zum Teil hochdotierte und reichhaltig besetzte Redaktionen vor allem von ARD und ZDF.
Ich habe mir also die Protokolle des RKI-Krisenstabes näher angeschaut, insbesondere den Zeitraum von Januar 2021 bis ins späte Frühjahr des Jahres 2022. Und nach der Durchsicht schon dieses begrenzten Zeitraumes stellen sich Fragen, die möglicherweise nicht so leicht von der Hand gewischt werden können und sollten. Es betrifft zum einen den Kernbereich des parlamentarischen Fragerechts. Und es wirft zum anderen die Frage auf, welche Rolle die Spitze des Robert Koch-Institutes bei der Hinzuziehung als „sachkundige Dritte“ im Verfahren „Bundesnotbremse“ vor dem Bundesverfassungsgericht gespielt hat. Nicht zuletzt müssen wir die ernsthafte Frage stellen, welches Amtsverständnis Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit Blick auf die Grundrechte hatte. Aber der Reihe nach.
Parlamentarismus lebt von wahrheitsgetreuen Antworten der Exekutive
Im Laufe der Corona-Pandemie habe ich viele Fragen an das Bundesgesundheitsministerium gerichtet, ganz gleich, ob der Minister Spahn oder Lauterbach hieß. Bis heute sind allein zum Komplex „Corona“ rund 100 meiner Einzelfragen im System des Deutschen Bundestages auffindbar. Zudem habe ich mehrfach schriftlich direkt mit den Ministern Kontakt aufgenommen, um bestimmte politische Argumentationen der jeweiligen Hausspitze hinterfragen und nachvollziehen zu können. Ich halte die parlamentarische Kontrolle von exekutiven Entscheidungen in einer Demokratie für unerlässlich – dieses Recht und die Pflicht gilt für Abgeordnete der Opposition wie der regierungstragenden Fraktionen. Denn nur eine starke parlamentarische Kontrolle und Begleitung helfen, ministeriellen Anmaßungen entgegenwirken zu können. Einen grundrechtlichen Rabatt gebe ich niemandem aus der Exekutive. Auch nicht einem Minister der eigenen Koalition.
Ich darf festhalten: Im Laufe der Jahre wurden viele Fragen durchaus ordentlich beantwortet. Ich habe Lauterbachs Haus so lange mit interessierter Aufmerksamkeit hinsichtlich der umstrittenen „StopptCovid-Studie“ bedacht, bis die zugrundeliegenden Daten im März dieses Jahres der steuerzahlenden Öffentlichkeit endlich zur Verfügung gestellt wurden. Mir wurde mittels schriftlicher Einzelfrage offiziell bestätigt, dass das deutsche Gesundheitssystem während der Pandemie nie überlastet war. Und Lauterbachs Haus erklärte mir im Februar dieses Jahres, dass die deutlich geringere Zahl an freien Intensivbetten im Winter 2023/24 – verglichen mit den drei Corona-Wintern zuvor – überhaupt kein Problem darstellte. Gaben Ende Januar 2021 3.937 freie Intensivbetten noch Anlass zu höchster Sorge und für schwerste Grundrechtseingriffe, waren die 1.988 freien Intensivbetten, die Ende Januar 2024 ausgewiesen wurden, im Rahmen eines üblichen Winters, also ganz normal und völlig ausreichend.
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Gestorben mit und an Corona
In einem weiteren Fall war die offizielle Auskunft des BMG mindestens mangelhaft, wahrscheinlich aber ebenso falsch. Im Laufe der Pandemie wurde immer merkwürdiger, warum das RKI die Daten nicht öffentlich machte, wer wegen und wer mit Corona hospitalisiert oder verstorben war. Diese Differenzierung hätte Aufschluss darüber geben können, ob sich das Virus möglicherweise in eine mildere oder gefährlichere Richtung entwickele. Insofern gab es hieran ein großes öffentliches Interesse.
Ich fragte also mehrfach per parlamentarischer Einzelfrage nach dieser Differenzierung, zuerst im Frühjahr 2021. Stets lautete die Antwort des Gesundheitsministeriums sinngemäß: Wir sind ganz kurz davor, diese veröffentlichen zu können. Noch im November 2022 schrieb mir das BMG auf die Frage, ob es technische, rechtliche oder vergleichbare Hindernisse für die Veröffentlichung gäbe: Es werde aktuell an einer Lösung für die detailliertere Differenzierung gearbeitet. „Die dafür notwendigen Umsetzungsschritte werden derzeit implementiert.“
Durch die RKI-Leaks wissen wir jetzt: Differenzierte Zahlen lagen dem RKI spätestens seit dem Frühjahr 2022 vor, wurden aber nie der Öffentlichkeit präsentiert. Dem Datensatz vom 23. Februar des Jahres können wir eine Grafik entnehmen, aus der hervorgeht, dass der Anteil der Menschen, die zwar an Covid erkrankt waren, aber an einer anderen Ursache verstorben sind, zum Teil lange vor meinen Fragen bekannt war. So kann man aus dem Leak erkennen, dass der Anteil der offiziellen Corona-Toten, die lediglich positiv getestet wurden, im Einzelfall über 25 Prozent lag. Somit wurde die offizielle Zahl der Corona-Toten immer höher ausgewiesen, als es richtig gewesen wäre. Das BMG verzichtete offensichtlich auf eine entsprechende transparente Darstellung. Die mir gegebenen Antworten vom Lauterbach-Ministerium waren mindestens irreführend. Hierfür trägt der Gesundheitsminister die Verantwortung.
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Falscher Vortrag vorm Verfassungsgericht?
Die falsche Angabe durch Ministerien ist das eine, der mindestens lückenhafte, wenn nicht sogar falsche Vortrag vor dem Bundesverfassungsgericht durch eine Bundesoberbehörde ist etwas anderes. Zugegeben, ein solcher Vorwurf wiegt schwer, deshalb werde ich dies mit einer Reihe an Beispielen unterlegen. Bei den wichtigsten Entscheidungen der Karlsruher Richter in der Zeit der Corona-Pandemie geben uns die RKI-Files wichtige Auskunft über die internen Diskussionslinien zu zentralen Punkten der juristischen Auseinandersetzung. Daher bleiben wir eng an diesen Protokollen.
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Die Debatte um die allgemeine Impfpflicht und das Angst-Dilemma
Die Debatte über die allgemeine Impfpflicht wird in historischer Betrachtung sicherlich als eine der verrücktesten gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik bewertet werden. Die Verfechter des „Teams Vorsicht“, deren zum Teil hemmungslose Hatz auf Ungeimpfte kaum mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes in Einklang zu bringen war, werden sich hoffentlich einmal im Rückblick einer kritischen Selbstprüfung unterziehen. Die Worte der „Tyrannei“, vom „Ausschluss aus dem öffentlichen Leben“, von „Bekloppten“ und „Verfassungsfeinden“ haben schwere Wunden verursacht. Wenn wir die tiefste Schneise suchen, die in unsere Gesellschaft in der Pandemie geschlagen wurde, dann werden wir hier fündig. Gerade in dieser Streitfrage werden „wir“ einander viel zu verzeihen haben. Das geht allerdings nur, wenn zuvor Worte der Einsicht und des Bedauerns gesprochen werden.
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Konsequenz?
Ich muss gestehen: Ich hätte zuvor nicht geglaubt, dass in unserem gewaltengegliederten System ein solcher Vorgang möglich ist. Ein Minister, der offensichtlich eigenständig – gewissermaßen par ordre du mufti – die wissenschaftliche Grundlage für Grundrechtseinschränkungen beschließt, war vorher nicht in meiner Vorstellungswelt. In diesem vom Minister beeinflussten Szenario bewegten sich die Bundestagsabgeordneten, als sie über die allgemeine Impfpflicht zu entscheiden hatten. Wer gutgläubig darauf vertraut hatte, dass die Gefahreneinschätzung des RKI auf Fachlichkeit beruhte, konnte annehmen, dass eine allgemeine Impfpflicht notwendig sei.
Ich bin froh, dass ich mich damals gegen ein solches Unterfangen gestellt habe, kann aber nachvollziehen, wie andere meiner Kollegen zu einer anderen Einschätzung gekommen sind. Ich bin mir sicher: Hätte das BMG keinen Einfluss auf diese RKI-Einschätzung genommen, sondern wahrheitsgetreu kommuniziert, dass das Risiko unter Omikron signifikant gesunken ist, hätten sich mehr Abgeordnete gegen die allgemeine Impfpflicht positioniert. Dass politische Entscheidungen von einer solchen Tragweite derart aus einem Ministerium beeinflusst werden, halte ich für einen Skandal.
Die verschiedenen Dimensionen der Corona-Pandemie müssen dringend parlamentarisch aufgearbeitet werden – um künftige Fehler zu vermeiden und um gesellschaftliche Wunden zu heilen. Sollten sich SPD und Grüne weiter diesem Ansinnen versperren, wird die FDP ihre Teilnahme an einer künftigen Koalition mit dieser Aufarbeitung verknüpfen.
Aber klar ist für mich schon jetzt: Einem Bundesminister, der die Wahrheit biegt und Grenzen der Wahrheit überschreitet, um ein persönliches politisches Ziel zu erreichen, dabei auch schwerste Grundrechtseingriffe billigend in Kauf nimmt, kann ich keine parlamentarische Zustimmung mehr geben. Wem die Beachtung der rechtsstaatlichen Ordnung, die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger und unsere Verfassung etwas bedeutet, kann diesen Minister in seinem Treiben nicht mehr unterstützen. Karl Lauterbach hat dem Ansehen der Bundesregierung durch sein unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit schweren Schaden zugefügt und Zweifel an der Lauterkeit staatlichen Handeln genährt. Er muss persönliche Konsequenzen ziehen.
Jens Berger: Nauru – vom Paradies zur Kraterlandschaft. Eine Metapher für die moderne Menschheit
Als die NASA 1977 die beiden Voyager-Sonden ins Weltall schoss, bestückte man sie mit goldenen Datenplatten, auf denen Reden damals bedeutender Politiker, Grußbotschaften in zahlreichen Sprachen und ausgewählte Musikstücke der Menschheit verewigt sind. Sollten dereinst in vielleicht vielen Millionen Jahren Außerirdische diese Sonden finden, sollten sie so einen Eindruck davon bekommen, was einmal die Menschheit war. Das war recht philanthropisch gedacht. Wäre man selbstkritischer, hätte man besser die Geschichte des pazifischen Inselstaates Nauru ins Weltall geschossen, ist sie doch durchaus repräsentativ für das, was wir Menschheit nennen.
Wenn man mal sämtliche gute Erziehung beiseitelässt, kann man die Insel Nauru mit Fug und Recht als einen gigantischen Haufen Scheiße bezeichnen. Entstanden ist die Insel in grauer Vorzeit, als Vögel ihren Kot auf ein Korallenriff im Pazifik fallen ließen. Dieser gigantische Haufen aus Vogelkot-Sedimenten wurde vor rund 3.000 Jahren von den ersten Menschen besiedelt, und dieser Teil der Geschichte Naurus ist wohl bis heute der glücklichste. Verwitterter Vogelkot bildet in Kombination mit dem Kalkstein der Korallenriffe das uns als Dünger bekannte Guano. Nauru war in dieser Zeit daher äußert fruchtbar; die weniger als 2.000 Bewohner des Eilands, das rund ein Viertel der Größe der deutschen Insel Sylt hat, lebten vergleichsweise friedlich in zwölf Stämmen von den Früchten und den Fischen in den Riffen vor der Insel. Das änderte sich, als Nauru von der sogenannten Zivilisation entdeckt wurde.
1798 trieb es das britische Handelsschiff Hunter an die Gestade der Insel. Da die Einwohner die Mannschaft freundlich mit Kokosnüssen und Früchten beschenkten, taufte der Kapitän der Hunter die Insel kurzerhand „Pleasure Island“. Doch die paradiesischen Zeiten waren mit der „Entdeckung“ vorbei. Kaum war die „Insel der Freude“ auf den Karten der Briten verzeichnet, kamen die ersten Glücksritter – christliche Missionare und Flüchtlinge der britischen Strafkolonie von der „nahegelegenen“ Norfolkinsel. Einer von ihnen, der irische Sträfling John Jones, erklärte sich sogleich zu „Naurus erstem und letztem Diktator“. Nauru war nun ein verrufenes Piratennest, die Einheimischen lieferten die Lebensmittel und wurden dafür mit Alkohol und Feuerwaffen bezahlt. 1878 brach dann zwischen den zwölf Stämmen ein Bürgerkrieg aus – auf einer Hochzeitsfeier hatte ein besoffener Häuptlingssohn einen anderen besoffenen Häuptlingssohn erschossen.
Während die Naurer sich gegenseitig abschlachteten, wurde im fernen Europa über sie entschieden. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. wollte einen Platz an der Sonne, und 1886 wurde seinem Kaiserreich in den „Britisch-deutschen Erklärungen über den westlichen Pazifik“ der den Briten offenbar nicht so wichtige Vogelkot-Sedimenthaufen namens Nauru als Protektorat anvertraut. 1888 landeten mit dem Kanonenboot „Eber“ die ersten deutschen Soldaten, kidnappten erst einmal alle zwölf Stammesführer, entwaffneten dann das Volk und riefen einen neuen „König“ aus. Die 900 noch lebenden Insulaner hatten damals übrigens 765 Gewehre. Fortan sollte Nauru am deutschen Wesen genesen, was – wie damals üblich – vor allem bedeutete, den Kolonialherren zu Diensten zu sein.
Dieser Teil der Geschichte Naurus wäre auch recht unspektakulär, hätten die Deutschen nicht entdeckt, dass der gigantische Haufen aus Vogelkot-Sedimenten ja den damals zur Düngemittel- und Sprengstoffproduktion so wichtigen Rohstoff Phosphat enthält – und davon gleich viele Millionen Tonnen, ein Vermögen! Die Pacific Phosphate Company, ein deutsch-britisch-australisches Konglomerat, war geboren. Mit dem naurischen Vogelkot wurden australische Äcker gedüngt, die Profite flossen reichlich – nach Deutschland und nach Großbritannien, natürlich nicht nach Nauru. Die Einheimischen durften dem Spektakel lediglich als miserabel bezahlte Hilfsarbeiter beiwohnen. Ihre Insel war nun de facto Konzernbesitz der PPC, die Kolonialherren aus dem fernen Deutschland hielten die Hand auf und betrieben nebenbei für ein paar Jahre eine Funkstation, bis 1914 im fernen Europa ein Krieg ausbrach und die Briten die Insel übernahmen.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf ...
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Thomas Röper: Schon jetzt die schrecklichste Olympiade der Geschichte
Die Olympiade in Paris ist eine Katastrophe. Statt feiernden Fans sieht man leere Straßen und Zäune, die Teile der Stadt absperren, Restaurants schicken Mitarbeiter in Kurzarbeit. Beim Boxen dürfen Männer Frauen verprügeln und die Eröffnungsfeier war eine Freakshow. Was erwartet uns noch?
Hurra, im freien Westen ist Olympia!
So etwa wirken die Überschriften, wenn man Berichte deutscher Medien zu den Olympischen Spielen in Paris liest. Tatsächlich scheint diese Olympiade eine reine Katastrophe zu werden. Eigentlich wollte ich über Olympia nichts schreiben, weil es mich nicht interessiert, aber was man aus Paris hört, schreit förmlich nach einem Artikel.
Es begann schon mit der „Eröffnungsfeier“, die außerhalb des LGBT-verstrahlten Westens als Freakshow, religiöse Beleidigung und satanische Feier beschrieben wurde. Sogar islamische Staaten haben die Show, bei der nach allgemeinem Verständnis das Letzte Abendmahl durch den LGBT-body-positiven Kakao gezogen wurde, als „Beleidigung Christi“ kritisiert.
Männer dürfen Frauen verprügeln
Damit aber nicht genug, denn nun dürfen auch Männer im Frauensport antreten. Beim Boxen macht gerade Imane Khelif Schlagzeilen. Khelif ist ein Algerier, der beschlossen hat, eine Frau zu sein. Bei seinem ersten Kampf bei der Olympiade gab seine Gegnerin, die Italienerin Angela Carini, nach 46 Sekunden aus Angst um ihre Sicherheit auf.(...)
Dass die nicht-westliche Welt, die den LGBT- und Gender-Blödsinn ablehnt, bei all diesen Meldungen schockiert und sogar angeekelt den Kopf schüttelt, erfährt man im Westen nicht. Das Olympische Komitee, das all diesen Unsinn verteidigt, schaufelt sich sein eigenes Grab, denn dass sich nach dieser (und späteren) Olympiaden viele Staaten von Olympia ab- und einer noch zu gründenden alternativen Sportveranstaltung, bei der es wieder um Sport und nicht um Politik geht, zuwenden, dürfte nur eine Frage der Zeit sein.